Segwaypolo: Pferd auf zwei Rollen
Das Glück liegt in vielen Dingen. Im “Lexikon der Leidenschaften” erzählen Menschen von Hobbys, die sie begeistern. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 44/2022.
Von Segwaypolo habe ich das erste Mal in der Lokalzeitung gelesen. Ein Verein aus meiner Heimatstadt Solingen war zur Weltmeisterschaft nach Barbados gereist und hatte auf Anhieb den zweiten Platz gemacht. Unter dem Artikel stand eine Telefonnummer. Ich habe einfach angerufen und kurz darauf mein erstes Training mitgemacht. Dabei habe ich mich wohl ganz gut angestellt. Jedenfalls durfte ich direkt im Sturm spielen – nicht nur im Tor, wie andere Anfänger.
Abends stand ich dann mit einem Schläger in der Hand vor meiner Frau Bärbel und habe verkündet: “Wir fahren zur nächsten Weltmeisterschaft nach Kalifornien!” Das Team hatte gefragt, ich habe Ja gesagt. Mir war sofort klar: Das wird mein Sport.
Eigentlich habe ich mein Leben lang Handball gespielt. Aber irgendwann haben mir meine Knie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich habe es mit Wasserball probiert, aber als Brillenträger war mir das mit der Schwimmbrille lästig. Eine Ballsportart, die man im Team spielt und bei der man nicht laufen muss – die muss man erst einmal finden.
Segwaypolo wird in Mannschaften fünf gegen fünf gespielt, viermal acht Minuten auf einem Spielfeld ungefähr so groß wie ein halbes Fußballfeld, mit einem Ball aus etwas härterem Schaumstoff. Die Regeln sind so ähnlich wie beim Pferdepolo, nur steht man eben mit dem Schläger auf einem Elektroroller mit zwei nebeneinander angeordneten Rädern und nicht auf einem Pferd.
Als Segwaypolo-Spieler habe ich es natürlich mit Vorurteilen zu tun. Die Leute verbinden mit Segways diese Stadttouren für Touristen. Und man kann damit ja auch prima durch die Gegend cruisen. Wenn ich meine Eltern besuche, fahre ich die paar Kilometer gern mit meinem Segway. Aber für mich ist es vor allem ein Sportgerät.
Die Leute sagen auch: “Das Ding fährt ganz gemütlich von allein, das ist ja gar kein Sport.” Genauso gut könnten sie übers Skifahren behaupten: Regelt alles die Schwerkraft. Man hat Bretter an den Füßen und rutscht den Berg runter. Unten angekommen ist man aber trotzdem nass geschwitzt – irgendwas muss man also getan haben.
Segwaypolo spielen wir eigentlich immer in der Hocke, damit der Körperschwerpunkt möglichst tief liegt. So sind wir wendiger. Wir steuern das Fahrzeug, indem wir unser Gewicht verlagern. Lehne ich mich nach vorn, fahre ich vorwärts, lehne ich mich zurück, fahre ich rückwärts. Wer mit einer maximalen Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde im Straßenverkehr gut bremst, steht nach ungefähr fünf oder sechs Metern. Wenn ich bremse, stehe ich nach einem Meter. Dabei hänge ich beinahe waagerecht zehn Zentimeter über dem Boden. Und dann komme ich direkt wieder hoch und spiele den Ball. Gemütlich ist daran nichts, das geht extrem auf die Oberschenkel.
Ich wünsche mir, dass Segwaypolo bekannter wird. Vielleicht ruft dann auch niemand mehr an, um einen Junggesellenabschied bei uns zu planen, darauf reagiere ich allergisch! Man fragt ja auch keine American-Football-Mannschaft, ob die mit einem mal ein bisschen Bälle werfen.
Andererseits hat es auch Vorteile, dass wir Segwaypolo-Spieler eine eingeschworene kleine Community sind. Ich kenne alle Spieler – auch international. Wenn ich zwei Wochen Urlaub auf Barbados machen will, rufe ich meinen Polo-Kumpel an und der sagt: “Du kannst bei mir wohnen und ich führe dich ein bisschen rum.”
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