China: Darum geht es bei den Corona-Protesten in China

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Übersicht:

Wie ist die Corona-Lage in China?

Seit Wochen steigen in China trotz weitreichender Eindämmungsmaßnahmen die Infektionszahlen wieder deutlich an. Bereits den vierten Tag in Folge verzeichnete die nationale Gesundheitskommission am Samstag die höchste Zahl an Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie. Landesweit gab es demnach 39.791 neue Ansteckungsfälle. 3.709 der Fälle sind demnach symptomatisch, 36.082 asymptomatisch.

In fast allen Großstädten wurden zur Bekämpfung des Coronavirus zuletzt neue strenge Maßnahmen verhängt. So sind in Chinas Hauptstadt Peking Schulen, Kindergärten und Geschäfte geschlossen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, sich nach Möglichkeit nicht in der Öffentlichkeit aufzuhalten. In der südchinesischen Metropole Guangzhou befinden sich mehrere Bezirke der Stadt komplett im Lockdown. In Shanghai wurde angekündigt, dass Reisende, die in die Stadt kommen, für fünf Tage Restaurants oder Geschäfte nicht betreten dürfen. 

Was bedeutet Null-Covid-Politik?

China ist die letzte große Volkswirtschaft, die an einer sehr strikten Null-Covid-Politik festhält. Das bedeutet, dass das Land Corona-Ausbrüche im Land vollständig verhindern und Infektionen auf Null eindämmen möchte. Die staatlichen Behörden der betroffenen Gebiete verhängen dafür besonders strenge Maßnahmen wie strikte Lockdowns, während denen Menschen ihre Wohnungen und Häuser nicht verlassen dürfen. Außerdem werden Massentests vorgenommen und in betroffenen Regionen gelten Reise- und Ausgangsbeschränkungen.

Die strengen Maßnahmen belasten Alltag der Chinesinnen und Chinesen ebenso wie die Wirtschaft. Das sorgt für Frust in der Bevölkerung: In mehreren Teilen des Landes gibt es derzeit ungewöhnlich große Proteste gegen die offizielle Regierungspolitik. Das ist auch im Ausland zu spüren. Weil es zum Beispiel in der Apple-Zulieferer-Fabrik Foxconn in Zhengzhou seit Tagen zu heftigem Widerstand gegen die dortigen Covid-Maßnahmen kommt, muss sich das US-Unternehmen auf einen Rückgang der iPhone-Produktion um etwa 30 Prozent einstellen. 

Was hat die Proteste ausgelöst und wo finden sie statt?

Als Auslöser der Proteste gilt ein Hochhausbrand in Ürümqi, bei dem zehn Menschen getötet wurden. In der Hauptstadt der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang herrscht schon seit 100 Tagen ein strikter Lockdown, weswegen viele der vier Millionen Einwohner ihre Häuser nicht verlassen dürfen.

In den sozialen Medien machten viele die strengen Regierungsmaßnahmen für den Tod der Menschen verantwortlich, da Gebäude teils verschlossen gewesen sein sollen. Bewohner der vom Brand betroffenen Häuser sollen es deshalb nicht rechtzeitig nach draußen geschafft haben. Außerdem seien einige aus Furcht, die Ausgangssperren zu verletzen, zu spät oder gar nicht aus ihren Wohnungen geflüchtet. Auch soll die Feuerwehr wegen der Absperrungen Schwierigkeiten gehabt haben, rechtzeitig an der Brandstelle einzutreffen.

In Ürümqi selbst hatte es bereits am Freitag Proteste gegeben. Hunderte Menschen sollen in der Provinz Xinjiang auf die Straße gegangen seien. In chinesischen Onlinemedien war auf mehreren Videos aus der Millionenstadt Ürümqi zu sehen, wie Menschen Lockdown-Metallzäune durchbrechen und protestieren. Einige Demonstranten schrien: “Beendet den Lockdown!”

Die Proteste weiteten sich in den vergangenen Tagen auch auf viele weitere Städte und Provinzen aus. In Guangzhou durchbrachen Menschenmengen Corona-Sperren in der Stadt und marschierten durch die Straßen. Auch in der Hauptstadt Peking gab es Protestaktionen. In Shanghai entwickelte sich eine Mahnwache für die Opfer des Hochhausbrandes zu einer großen Demonstration gegen die offizielle Regierungspolitik.

Geht es den Demonstranten nur um Corona?

Bei den aktuellen Protesten übten Demonstrierende teils deutliche Kritik an der Regierung und Präsident Xi Jinping. Augenzeugen zufolge soll in Shanghai eine Gruppe gerufen haben: “Nieder mit der kommunistischen Partei! Nieder mit Xi Jinping!” Die Protestrufe waren außerdem auch auf Videos zu hören, die sich nach den Demonstrationen im Internet verbreiten. Die Menschen riefen zudem: “Dient dem Volk” und “Wir wollen Freiheit”. 

Die Proteste ziehen sich dabei anscheinend genauso durch verschiedene Regionen des Landes, wie auch durch verschiedene Teile der Gesellschaft. So beteiligten sich Studierende der Elite-Universität Tsinghua in der Hauptstadt Peking an den Demonstrationen. Die Studierenden hätten die Nationalhymne und die Internationale gesungen und gerufen: “Die Freiheit wird siegen.” 

Derartige öffentliche Proteste gegen die Regierung und den Präsidenten sind in China äußerst selten. In China gibt es weder Meinungs- noch Pressefreiheit. Bei den momentanen Protesten geht es daher offensichtlich nicht nur um die Lockerung von Corona-Maßnahmen, sie zeigen auch eine weitreichende Wut und Unzufriedenheit der Bevölkerung gegenüber dem momentanen Regierungsstil. 

Wie geht die chinesische Regierung mit den Protesten um?

Gegen die Diskussionen über die Proteste in den sozialen Medien gehen die chinesischen Behörden mit Zensur vor. Zum Beispiel verschwanden Beiträge, die sich auf die Proteste bezogen, nahezu umgehend aus dem Onlinedienst Weibo. Gegen etwa 300 Protestierende selbst setzte die Polizei laut einem Augenzeugen Pfefferspray ein.

Trotz des wachsenden Widerstands hält die chinesische Regierung weiter an ihrer umstrittenen Null-Covid-Politik fest. Da die Zahlen weiter steigen, bleibt es unwahrscheinlich, dass die Strategie in naher Zukunft gelockert wird. Eine Alternative zur Null-Covid-Politik scheint das Land derzeit nicht zu haben.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, AFP, dpa und AP