Josef Schuster (Zentralrat der Juden): Urteile bei antisemitischen Straftaten oft zu mild
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, wünscht sich von der Justiz »klare Urteile« bei antisemitischen Straftaten. »Gerichtsurteile werden mir zu häufig mit Verweis auf eine schwierige Kindheit oder problematische Gesamtumstände in der Strafe gemildert und die Taten damit relativiert«, sagte Schuster der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« . Bewährungsstrafen hätten nach seiner Erfahrung oft keine abschreckende Wirkung. »Es muss klar sein: Antisemitismus ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein gesetzeswidriges Verhalten, das auch entsprechend geahndet werden muss.«
Aufgabe der nicht-jüdischen Gesamtgesellschaft
Schuster begrüßte, dass es in einigen Bundesländern mittlerweile Antisemitismusbeauftragte in der Justiz gibt. Insgesamt werde Antisemitismus in weiten Teilen der Gesellschaft als Problem gesehen, gerade was den gewaltbereiten rechtsextremen Antisemitismus betreffe. Er sehe es in erster Linie als Aufgabe der nicht-jüdischen Gesamtgesellschaft, gegen Antisemitismus anzugehen. Allerdings werde der Zentralrat »immer wieder den Finger in die Wunde legen müssen und damit andere anregen, sich entsprechend zu engagieren und zu positionieren«.
Jeden Tag werden in Deutschland nach Behördenangaben im Schnitt etwa fünf judenfeindliche Straftaten verübt. Das berichtete die »Welt« unter Berufung auf eine ihr vorliegende Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkenfraktion im Bundestag. Der Regierung zufolge wurden bundesweit in diesem Jahr bislang 1555 antisemitische Straftaten registriert.
In der Antwort nennt das Bundeskriminalamt (BKA) für das laufende Jahr 55 Gewalttaten. Im dritten Quartal 2022 wurden demnach elf solcher Straftaten registriert, von denen zehn der Kategorie »Politisch motivierte Kriminalität rechts« und eine keiner politischen Richtung zugeordnet wurden. Fünf Gewalttaten wurden in Berlin, zwei in Brandenburg, drei in Bayern und eine in Mecklenburg-Vorpommern gemeldet.
Schuster war am Sonntag für eine dritte Amtszeit als Präsident des Zentralrates wiedergewählt worden. Der 68-jährige Mediziner steht seit 2014 an der Spitze des Verbandes. In dem Zeitungsinterview kündigte er an, sich für eine zufriedenstellende Lösung zur Bekämpfung der Altersarmut jüdischer Zuwanderer einzusetzen. Nach seiner Wahl am Sonntag hatte Schuster zudem erklärt, er wolle in seiner dritten Amtszeit die positiven Elemente des Judentums in Deutschland stärker in den Vordergrund stellen.