Thomas Haldenwang über Proteste in Ostdeutschland: »Heißen Herbst« nur »laues Lüftchen«

Demonstration in Leipzig Anfang September: Bislang kein »Wutwinter«
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Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock sprach vor einigen Monaten angesichts der Gaskrise von möglichen »Volksaufständen« und die Sozialpsychologin Pia Lamberty erklärte , die Lage sei »ideal für rechtsextreme Mobilisierung«. Als dann Anfang September Rechtsextreme bei einer Demonstration in Leipzig auf eine Querfront mit Linken hofften, startete der »heiße Herbst« aber nur lauwarm . Und dabei ist es aus Sicht des Verfassungsschutzes auch geblieben.
Die Proteste gegen hohe Energiepreise und die Krisenpolitik der Bundesregierung sind in den letzten Wochen des Jahres abgeebbt. »Die schlimmen Szenarien von einem ›heißen Herbst‹ oder ›Wutwinter‹, wie sie von vielen skizziert wurden, habe ich so nicht kommen sehen«, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der Deutschen Presse-Agentur. Tatsächlich sei »das, was aktuell an Protesten läuft, eher ein laues Lüftchen«. Er fügte hinzu: »Das weht hauptsächlich in Sachsen und Thüringen«. Doch auch dort seien die Teilnehmerzahlen rückläufig.

Thomas Haldenwang: »Aktuell gewinnt das Thema Migration stärker an Gewicht«
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Im September und in der ersten Oktober-Hälfte hatten sich teilweise mehrere Tausend Teilnehmer zu Demonstrationen versammelt, bei denen teilweise auch gegen die Russland-Sanktionen und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine protestiert wurde. Sowohl die Linke als auch die AfD hatten als Reaktion auf hohe Energie- und Lebensmittelpreise zu einem »heißen Herbst« aufgerufen. Den größten Widerhall fand dies im Osten Deutschlands. An einer von der AfD beworbenen Kundgebung in Berlin im Oktober beteiligten sich laut Polizei rund 10.000 Menschen.
Rechte Gruppen: Thema Migration soll zur Mobilisierung genutzt werden
Festzustellen sei aber, dass sich das bürgerliche Milieu, das bei den Corona-Protesten noch stark vertreten gewesen sei, mehr und mehr zurückziehe, sagte Haldenwang: »Aktuell tummelt sich da eine Mischung aus Rechtsextremisten, wie Vertretern der Neuen Rechten, Verschwörungstheoretikern, ›Reichsbürgern‹ und ›Selbstverwaltern‹, Delegitimierern, aber auch Teilen des Landesverbandes der AfD in Thüringen, der als erwiesen extremistisch eingestuft ist oder rechtsextremistischen Parteien wie die Freien Sachsen.« Eine Abgrenzung der einzelnen Gruppen voneinander sei kaum noch vorhanden.
Die verbindende Klammer all dieser Gruppen sei »das Ziel, dieses politische System zu überwinden«, sagte Haldenwang. Die zur Mobilisierung genutzten Themen würden dabei offensichtlich »nach Gusto ausgetauscht«, je nachdem, was gerade funktioniere. »Aktuell gewinnt das Thema Migration stärker an Gewicht«, sagte der Präsident des Bundesamtes.
In den ersten elf Monaten dieses Jahres wurde für rund 190.000 Menschen erstmals in Deutschland ein Asylantrag gestellt, ein Anstieg von rund 43 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Da als Folge des russischen Angriffskrieges seit dem 24. Februar rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen wurden, gibt es in einigen Kommunen Engpässe bei der Unterbringung.
»Letzte Generation«: Keine Anhaltspunkte für »verfassungsfeindliche Bestrebung«
Die Klimaproteste bieten auch Sicht des Verfassungsschutz-Präsidenten bislang keinen Anlass für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. »Wenn man auf Fridays For Future schaut, dann ist das sicher die zahlenmäßig größte Bewegung; ihre Protestaktionen verlaufen friedlich und bewegen sich auf dem Boden der Legalität«, sagte Haldenwang. Mit Blick auf die Aktionen der »Letzten Generation« ergänzte er: »Die ›Letzte Generation‹ ist eine zahlenmäßig kleine Gruppe, die jetzt zu drastischeren Methoden des Protests greift.« Die Gruppe begehe inzwischen auch schwere Straftaten, wie Blockaden auf Flughäfen. Diese müssten von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten verfolgt und geahndet werden.
Klimaschutz sei jedoch ein legitimes Anliegen, betonte Haldenwang. Er sagte: »Nicht nur wir, sondern auch die Landesämter für Verfassungsschutz sehen bei der ›Letzten Generation‹ aktuell noch keine hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung.«
Der Verfassungsschutz komme erst ins Spiel, wenn es eine Radikalisierung oder eine Beeinflussung der Proteste durch Extremisten gebe, sagte Haldenwang. Was die »Letzte Generation« angehe, so sehe er eine gewisse Gefahr darin, »dass es linksextremistische Gruppierungen gibt, die versuchen, diese Bewegung zu unterwandern«.