Die Deutschen bangen um ihren Wohlstand

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In Deutschland herrscht ausgesprochen schlechte Stimmung. Das zeigt eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft EY zum Verbrauchervertrauen, die WELT exklusiv vorliegt. Zum einen bewerten die Bundesbürger ihre aktuelle finanzielle Lage so negativ wie selten zuvor, zum anderen machen sich Zukunftsängste breit.

Schon fast jeder vierte der gut 1000 Befragten sagt, dass seine aktuelle wirtschaftliche Situation nicht gut ist. Einen solch hohen Wert hat es nicht mal während der Finanzkrise 2008/2009 gegeben. „Inflation und die damit steigenden Lebenshaltungskosten belasten die Menschen derzeit enorm“, erklärt Henrik Ahlers, der Vorsitzende der Geschäftsführung von EY Deutschland.

Zwar sind umgekehrt 25 Prozent der Bundesbürger mit ihren Finanzen weiterhin zufrieden. In den vergangenen zwölf Jahren pendelte diese Zahl aber stets zwischen 34 und 51 Prozent.

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Und Besserung scheint nicht in Sicht. Zumindest blicken 56 Prozent der Deutschen pessimistisch in die Zukunft. Im Vorjahr hatte dieser Wert lediglich bei 34 Prozent gelegen. Und vor Beginn der Corona-Pandemie waren über einen längeren Zeitraum sogar Zahlen rund um die 20 Prozent-Marke üblich.

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Die pessimistische Haltung zieht sich dabei durch sämtliche Altersgruppen, wie die Studie zeigt. Besonders ausgeprägt ist sie allerdings bei den 56- bis 65-Jährigen, also in derjenigen Generation, die als nächstes in Rente gehen wird. Dazu passt auch, dass die Sorge vor einer mangelnden finanziellen Absicherung im Alter grundsätzlich zugenommen hat.

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Aber auch im Hier und Jetzt sehen die Deutschen schwarz für die eigenen Finanzen. Schon 41 Prozent der Befragten glauben, dass sich ihre wirtschaftliche Situation im Jahr 2023 verschlechtern wird. Das sind fast doppelt so viele wie noch bei der letzten Befragung vor Jahresfrist und gegenüber 2020 hat sich die Zahl sogar fast vervierfacht.

Und auch hier stechen die Befragten zwischen 56 und 65 Jahren heraus. In dieser Altersklasse fürchten sogar 52 Prozent, dass es ihnen im neuen Jahr nochmals schlechter gehen wird. „Die Vielzahl der Krisen, die sich gegenseitig auch noch zu verstärken scheinen, raubt den Menschen den Optimismus“, sagt Ahlers.

Lage ist besser als sie sich für viele anfühlt

Das sei nachvollziehbar, trübe gleichzeitig aber auch den Blick. „Es ist auch wichtig festzustellen: So schlecht, wie sich die aktuelle Lage für viele anfühlt, ist sie in Summe nicht.“ So schlage sich die Wirtschaft derzeit erstaunlich gut. Die Auftragslage sei trotz der gesteigerten Unsicherheiten beachtlich. Ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit sei daher nicht zu befürchten.

Diesen Aspekt scheinen die Deutschen allerdings schon eingepreist zu haben in ihre Erwartungen. Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen sich jedenfalls nur die Wenigsten. Immerhin 85 Prozent der Bundesbürger halten ihren Job für sicher. Und zwar quer durch alle Altersklassen.

Unterschiede gibt es indes bei der Betrachtung nach Einkommenskategorien. Am höchsten ist die gefühlte Arbeitsplatzsicherheit wenig überraschend bei den Topverdienern mit einem Haushaltsnettoeinkommen jenseits von 70.000 Euro, aber auch bei den Gutverdienern mit Einkünften zwischen 50.000 und 70.000 Euro. Sorgenvoller sind dagegen die Geringverdiener mit weniger als 25.000 Euro Nettoeinkommen. Dort halten aber immer noch 76 Prozent ihren Job für unverändert sicher.

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Gleichzeitig sehen sich die Betroffenen auch als Langzeitverlierer. Zumindest haben zwei Drittel aus dieser Einkommensklasse das Gefühl, dass sich ihr Lebensstandard in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert hat. In Summe sind 38 Prozent aller Befragten der Ansicht, dass sie heute im Verhältnis schlechter dastehen als vor einer Dekade.

Umgekehrt berichten 35 Prozent von einer Verbesserung. Damit haben unter dem Strich erstmals seit 2009 wieder mehr Menschen das Gefühl, dass ihr Lebensstandard abgesackt ist. Auffällig auch: Mit steigendem Alter sinkt der Anteil der Befragten, die die Entwicklung ihres Lebensstandards positiv bewerten.

Quelle: Infografik WELT

Bei den Über-65-Jährigen liegt die Zahl bei lediglich 21 Prozent, bei den Altersgruppen unter 35 ist es dagegen noch fast die Hälfte. Allerdings fällt in diese Altersklasse auch der Schritt von der Ausbildung in den Berufsalltag.

Ganz unabhängig von Alter und Einkommen wird der Gürtel nun überall enger geschnallt. „Die Deutschen sparen“, beschreibt EY-Chef Ahlers. Vor allem größere Anschaffungen werden vermieden, insbesondere der Kauf von Autos, Küchen und Sofas. Fast zwei Drittel der Bundesbürger planen hier wesentlich kleinere Budgets ein.

Sparwille oder Sparzwang

Aber auch die Ausgaben für Unterhaltungselektronik wie Computer, Fernseher oder Smartphones werden reduziert, konkret in mehr als jedem zweiten Haushalt. Gleiches gilt für Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten an Haus und Wohnung.

Quelle: Infografik WELT

Und auch Alltagsfreuden fallen zunehmend weg. So planen 49 Prozent der Befragten weniger Restaurantbesuche und jeweils 42 Prozent sparen bei Freizeitaktivitäten wie Kino, Schwimmbad, Sport oder dem Kauf neuer Kleidung. Allein für Lebensmittel werden höhere Budgets eingeplant. Das dürfte allerdings den stark gestiegenen Preisen geschuldet sein.

Hinter diesem Sparwillen und/oder -zwang steht die Sorge vor hohen und weiter steigenden Energiepreisen und Lebenshaltungskosten, wie die Studie zeigt. Und auch das Thema Krieg rangiert weit oben auf der Sorgenliste, dazu als eine Ableitung dessen die Flüchtlingskrise in Europa.

Gleichzeitig rückt auch die Konjunkturabschwächung in Deutschland ins Bewusstsein der Menschen. Zumal die Befürchtungen groß sind: Immerhin zwei Drittel der Bundesbürger gehen von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage hierzulande aus. Damit ist die Stimmung dahingehen noch schlechter als in Krisenjahr 2008, melden die EY-Forscher.

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Nicht mal mehr jeder zehnte Befragte rechnet mit einer Konjunkturaufhellung in Deutschland. Im Zuge dessen rücken Themen wie der Klimaschutz und die bedrohliche Umweltverschmutzung in den Hintergrund. In der entsprechenden Sorgenliste weisen sie jedenfalls einen Rückgang bei den Nennungen auf gegenüber dem Vorjahr.

Ahlers hält das aber für gefährlich. „Wir dürfen durch die aktuellen, weil konkreter scheinenden, Probleme nicht aus den Augen verlieren, dass wir uns in einem nie dagewesenen Transformationsprozess befinden – wirtschaftlich und gesellschaftlich.“ Unternehmen werden den Anschluss verlieren, wenn sie dringend benötigte Nachhaltigkeitsinvestitionen auf die lange Bank schieben, warnt der EY-Chef.

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Source: welt.de