„Alle Schulabgänger, die eine Ausbildung wollen, bekommen eine“
Der Fachkräftemangel in Hamburg spitzt sich zu – und Besserung durch ausreichend Auszubildende ist nicht in Sicht. Im laufenden Ausbildungsjahr konnten Hamburger Betriebe schon jede zehnte Ausbildungsstelle nicht besetzen. Statt mehr als 14.000, wie im Jahr 2019, starteten 2022 nur etwas mehr als 11.000 Jugendliche und junge Erwachsene in der Hansestadt eine Ausbildung.
Der Vorsitzende der Arbeitsagentur Hamburg, Sönke Fock, geht deshalb einen ungewöhnlichen Weg. Am Dienstag hat er allen Schulabgängern, die eine Ausbildung beginnen wollen, versprochen, dass sie einen Platz finden werden.
„Mein Versprechen und die damit verbundene Botschaft richtet sich in erster Linie an Schüler, die sich für eine Berufsausbildung interessieren“, sagte Fock. Aber er wolle auch das Umfeld der Schulabgänger, also beispielsweise Eltern, Lehrer und Sporttrainer, von den Ausbildungsmöglichkeiten in der Hansestadt überzeugen „und sie als Multiplikatoren gewinnen, denn: Ausbildung verspricht Zukunft.“ Auch Abiturienten sollten einmal in die Welt der Ausbildungsberufe sowie dualer Studiengänge eintauchen. „Da gibt es richtig interessante Alternativen zum Studium“, so Fock.
Nicht ganz Astronaut, aber trotzdem Raumfahrt
Damit das Versprechen aufgehen könne, seien allerdings auch die Schulabgänger gefragt. So müssten sie sich zum einen darüber klar werden, welche Berufe für sie in frage kämen – und andererseits auch Wunsch und Wirklichkeit in Einklang bringen. „Mein Versprechen misslingt, wenn jemand mit dem mittleren Schulabschluss Astronaut werden möchte. Wenn er oder sie sich aber für Luft- und Raumfahrt interessiert, bieten sich verschiedenste Ausbildungsberufe in dieser Branche an“, sagt Fock.
Den Zeitpunkt für seine Ankündigung hat der Chef der Arbeitsagentur bewusst früh gewählt. In Hamburg gibt es am 27. Januar die Halbjahreszeugnisse. Spätestens bis Ende Februar sollten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen dann mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz beginnen.
Wer dabei Hilfe benötigt, erhält sie bei einer der Jugendberufsagenturen. In den Agenturen sitzen Berater unterschiedlicher Einrichtungen. Dazu gehören unter anderem die Arbeitsagentur, die Schulbehörde und die Bezirke. „Einige benötigen nur detaillierte Informationen, weil ihr Berufswunsch schon feststeht“, erklärt Karolin Babbe-Voßbeck, als beratende Ausbildungsexpertin. Andere Schulabgänger berate und begleite man über Wochen oder Monate, weil der Prozess durchaus lange dauern kann – „und darf.“
Aktuell sind bereits 6500 freie Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur gemeldet. Bis zum Start des laufenden Ausbildungsjahr waren es im Herbst 2022 fast 9800 Stellen. Besonders häufig werden angehende Pflegekräfte sowie zukünftige Einzelhandelskaufmänner und -frauen gesucht. In der Datenbank der Arbeitsagentur finden sich aber beispielsweise auch 55 Ausbildungsstellen zum Lokführer oder zur Lokführerin.
Arbeitslosenzahl leicht gestiegen
Die Chancen auf eine hochkarätige Ausbildung in Hamburg seien gut – viel besser als viele vermuteten, sagt Fock. Rückenwind erhält der Chef der Arbeitsagentur dabei auch von den Zahlen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die er ebenfalls am Dienstag vorstellte.
So ist die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg im Dezember zwar leicht gestiegen. Im Vergleich zum Vormonat erhöhte sie sich um 632 oder 0,9 Prozent auf 74.719 Arbeitslose. Im Vergleich zum Dezember 2021 stieg die Zahl der Arbeitslosen sogar um mehr als 3750 oder 5,3 Prozent.
Allerdings ist der Grund für die gestiegene Zahl der Arbeitslosen laut Fock unter anderem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene hohe Zahl an Flüchtlingen. „Ende Dezember waren 5286 Ukrainerinnen und Ukrainer arbeitslos gemeldet“, sagte Fock.
Ein Blick auf andere Zahlen zeige, wie gut es auf dem Arbeitsmarkt aussehe. Fock: „Die jüngsten Daten weisen für Hamburg insgesamt 1.057.900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus. Ein Plus von 31.400 oder 3,1 Prozent innerhalb eines Jahres, das erneut deutlich über dem bundesdurchschnittlichen Anstieg von 1,5 Prozent liegt.“
Für das anlaufende Jahr erwarte er eine ähnliche Entwicklung. Allein der Ausbildungsmarkt sei weit hinter den Zahlen der Vor-Coronajahre zurückgeblieben. Jugendliche für die Berufsausbildung zu mobilisieren, sei daher eine der wichtigsten Aufgaben aller verantwortlichen Akteure am Ausbildungsmarkt.“
Source: welt.de