George Harrison: George Harrison

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Er war die Nummer drei der Band, die keine Rangfolge kannte. Zwischen den Übergenies Paul McCartney und John Lennon einerseits – die einschüchterndste Doppelspitze der Musikgeschichte – und Ringo Starr andererseits, der in lässiger musikalischer Beschränktheit außer Konkurrenz trommelte, war George Harrison als Gitarrist der Beatles zunächst nur musikalischer Stichwortgeber auf Jingle-Länge. Genialisch ohne Frage – was wäre etwa She Loves You ohne das verschämte kleine Riff, das sich immer wieder zwischen die jugendlich gebrüllten Strophen von Lennon/McCartney drängt –, allerdings auf aphoristischer Kurzstrecke. Doch der “stille Beatle”, als welcher er von den Fans mythologisiert wurde, sollte sich behaupten.

Man nehme nur das Sitar-Intro von Norwegian Wood, das sich wegen Murakamis gleichnamigem Roman einer doppelten Unsterblichkeit erfreut: Zwei Takte davon spielte der konvertierte Hinduist Harrison auf dem indischen Instrument – eine Premiere für die westliche Populärmusik – und katapultierte damit sich, seine Band und den Rest der Welt in eine neue kulturelle Bewusstseinsstufe, die koloniale Grenzen überschritt. Album für Album wagte sich Harrison so aus der Rolle des linkischen Ornamentalgitarristen, experimentierte mit eigenen Songs, die mal besser, mal schlechter ankamen, bis sein Stern dann auf Abbey Road, dem Schwanengesang der Beatles, vollends aufging. Seine beiden kompositorischen Beiträge Something und Here Comes the Sun waren ohne Zweifel die krönenden Höhepunkte dieses Abschlussalbums.

Natürlich erschöpfen sich Harrisons Leistungen nicht in seiner Beatles-Zeit. Mit All Things Must Pass verantwortet er gleichzeitig das erste Dreifachalbum der Rockgeschichte und das erfolgreichste Soloprojekt eines Ex-Beatle. Sein Charity-Konzert für Bangladesch hat 1971 den modernen Spektakelaltruismus erfunden, und als Geldgeber und Produzent vieler britischer Komödien – darunter die Filme von Monty Python – half er bei der Geburt eines anarchischen Humors, der noch heute zuverlässig den Spießer vom Freigeist zu trennen vermag. Trotzdem dimmt man ihn rückblickend gerne vom strahlenden Titanen zum Underdog herunter: Inmitten des Entfremdungsdramas von Lennon und McCartney, das die Geschichte der Beatles überschattet, erzählt Harrisons Selbstbehauptung ein kleines Heldenepos. Damit hat er den Topos des stillen Genies in der lauten Welt der Rock- und Popmusik etabliert. Auch im kommenden Jahr, in dem der 2001 an Krebs verstorbene Kettenraucher achtzig geworden wäre, wird man sich deshalb an George Harrison erinnern – und ihn still vermissen.