Größe des Bundestags: Beim Wahlrecht tickt die Uhr

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Stand: 03.01.2023 07:54 Uhr

Ein guter Vorsatz der Politik für 2023 lautet, den Bundestag auf Normalmaß zu schrumpfen. Vorschläge für eine Reform des Wahlrechts liegen längst vor, Zeitdruck ist auch da – warum geht es trotzdem nicht voran?

Von Björn Dake, ARD-Hauptstadtstudio

In der Sache sind sich alle einig: Der Bundestag muss kleiner werden. Derzeit gehören 736 Abgeordnete dem Parlament an. Seine gesetzliche Größe liegt eigentlich bei 598 Sitzen. Ein Grund für die Entwicklung zum XXL-Bundestag sind Überhang- und Ausgleichsmandate.

Björn Dake ARD-Hauptstadtstudio

SPD, Grüne und FDP wollen diese Mandate abschaffen. Im vergangenen Mai haben die Wahlrechtsfachleute der Ampel einige Vorschläge dazu gemacht. Doch ein Gesetzentwurf lässt weiter auf sich warten.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird langsam ungeduldig. Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio sagt sie: “Ich werde da sicherlich drücken.” Anfang des Jahres müsse ein Entwurf ins Parlament, also in den nächsten Tagen.

Wenn nicht jetzt, dann greift das GroKo-Gesetz

Die SPD-Politikerin macht Druck, und das hat einen Grund: Die Wahlkreise für die Bundestagswahl 2025 müssen bald zugeschnitten werden. Sollten die Ampelfraktionen jetzt keine Wahlrechtsreform schaffen, greift eine Änderung aus der vergangenen Legislaturperiode.

Union und SPD hatten in ihrer Zeit der Großen Koalition vereinbart, die Zahl der Wahlkreise von bundesweit 299 auf 280 zu reduzieren. Das sollte einen immer größer werdenden Bundestag verhindern. Weniger Wahlkreise bedeutet aber auch: größere Wahlkreise. Und ein Neuzuschnitt ist für manche Abgeordnete auch ein Risiko: Was, wenn die eigene Hochburg plötzlich im anderen Wahlkreis liegt? Gedanken, die sich auch in den Ampelparteien viele Abgeordnete machten, wie FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigt.

Nach seinen Worten gibt es in den Fraktionen Diskussionen darüber, wie der Wahlkreiszuschnitt ausfällt, und wie sichergestellt werden kann, dass die Zahl der Mandate sinkt. Kuhle zeigt sich aber zuversichtlich, dass die Ampel in den nächsten Wochen in diesen Punkten weiterkommt.

Ein Problem vor allem für die CSU

Der FDP-Politiker und seine Kollegen aus SPD und Grünen schlagen vor, dass Parteien künftig nur noch so viele Sitze im Parlament bekommen, wie ihnen nach dem Ergebnis der Zweitstimmen zusteht. Das wäre vor allem für die CSU ein Problem. Bei der vergangenen Bundestagswahl holte sie 45 von 46 Direktmandaten in Bayern. Da sie aber nur 31,7 Prozent der Zweitstimmen gewann, entstanden elf Überhangmandate. Nur die CDU in Baden-Württemberg bekam noch eines mehr.

Die bundesweit insgesamt 34 Überhangmandate wurden dann durch 104 weitere Mandate ausgeglichen, damit die Mehrheitsverhältnisse nicht verzerrt werden. Drei Überhangmandate wurden laut den aktuellen Regeln nicht ausgeglichen.

Viel Widerstand – bis hin zur Klage

Würde die Reform der Ampel umgesetzt, wäre Schluss mit Überhangmandaten. Wer dann den Wahlkreis im Parlament vertritt, ist noch offen. Der ursprüngliche Plan, den Kreis über eine Ersatzstimme zuzuteilen, stößt auf großen Widerstand – in der Ampel, in der CDU und vor allem in der CSU.

Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte schon im Sommer eine Klage angekündigt. Die Pläne der Ampel seien klar verfassungswidrig. Und Dobrindt geht noch einen Schritt weiter: “Das ist eigentlich nahe einem Wahlbetrug mit Ansage.” Auch die CDU lehnt die Pläne der Ampel ab, wenngleich die Kritik nicht ganz so scharf ausfällt wie bei der CSU.

“…und das betrifft auch euch”

FDP-Fraktionsvize Kuhle hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben, CDU und CSU mit ins Boot zu holen. Die Union müsse auf dem Boden der Tatsachen ankommen. “Wenn man einen kleineren Bundestag will, dann geht das nur, wenn es weniger Abgeordnete gibt. Und das betrifft auch euch”, so Kuhle mit Blick auf CDU und CSU. Eine Reform des Wahlrechts brauche eine breite Mehrheit, damit die nächste Regierung das Gesetz nicht gleich wieder ändert.

Nötig sind die Stimmen der Union aber nicht. Die Ampel könnte die Pläne auch allein durchsetzen – wenn sich SPD, Grüne und FDP einig sind. Der Zeitdruck könnte die Chance für die Reform erhöhen: Entweder die Abgeordneten stimmen den Plänen ihrer Wahlrechtsexperten jetzt zu, oder die Reduzierung der Wahlkreise beginnt.

Source: tagesschau.de