„Ich hatte noch eine frische Unterhose dabei“

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Es war am Ersten Weihnachtstag, als Gabriel Clemens Deutschland verließ. Am 27. Dezember musste er bei der Darts-WM in London zu seinem Drittrundenmatch gegen Jim Williams antreten. Niemand konnte damals ahnen, dass vor ihm die sportlich wie finanziell erfolgreichste und damit wohl auch emotionalste Woche seines Lebens lag. Wenn er nun, genau eine Woche später, zurückkehrt, hat sich die Welt für den 39-Jährigen nachhaltig verändert.

Er wird es im Alltag erleben, beim Einkaufen im Supermarkt, beim Bäcker, Arzt oder in der Kneipe. Kein Medium in Deutschland, das in den vergangenen Tagen nicht über ihn berichtet hätte. Mehrfach war sein Gesicht in der 20-Uhr-Tagesschau zu sehen. Die Menschen haben ihn als „Gaga“ kennengelernt, als den „German Giant“, der den besten Dartspieler dieser Welt das Fürchten lehrte. Vor zwei Jahren war er als erster und bisher einziger Deutscher bei der Weltmeisterschaft der Pfeilewerfer ins Achtelfinale gekommen. Auch das kann mittlerweile ein großer Teil seiner Landsleute herunterbeten. Denn Clemens hat ihnen den Dartsport nähergebracht. Sein Vordringen bis ins Halbfinale inklusive eines Sieges gegen die Nummer eins der Welt hat den Fokus auf seinen Sport und ihn selbst gelegt.

Die Dorfschänke in Saarwellingen: Public Viewing in Clemens‘ Heimat
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Quelle: dpa/Thomas Frey

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Erfolge, die sich auch auf den Kontostand auswirken. Eine Prämie von 100.000 Pfund wird ihm nach dem Turnier überwiesen, die Professional Darts Corporation (PDC) ihn zudem für die finanziell lukrative Premier League nominieren. Und angesichts seiner Popularität dürfte er auch bei Sponsoren Interesse geweckt haben. Zumal er am Montagabend auch in der Niederlage Witz und Größe zeigte und damit neben seinen elf 180ern und 23 140ern gegen Michael Smith Sympathiepunkte sammelte.

„Ballmaschine“ Smith zu stark für Clemens

„Ich kam mir vor, als hätte ich gegen eine Ballmaschine geworfen“, gab die neue Nummer 19 der Welt zu Protokoll: „Er hat gescored wie vom anderen Stern und gefühlt nur 180er geworfen, auch alles gecheckt, sehr viele Highfinishs geworfen, es war wirklich schwierig. Ich habe mich lange im Spiel gehalten. Aber der bessere Spieler hat gewonnen.“

Gabriel Clemens konnte Michael Smith (links) irgendwann nicht mehr folgen
Gabriel Clemens konnte Michael Smith (links) irgendwann nicht mehr folgen
Quelle: Getty Images/Luke Walker

Fairness und Bodenständigkeit sind neben seiner sportlichen Klasse die prägendsten Charaktereigenschaften des in sich ruhenden Saarländers, und dass er es war, der Darts-Deutschland nun den ersten richtig großen Erfolg bescherte, hatte zuvor nicht erwartet werden können. Im Gegenteil. Clemens gilt als Muster an Konstanz, ist keiner für große Überraschungen – weder nach unten noch nach oben. Seit Jahren pendelte er zuverlässig zwischen Platz 21 und 28 der Weltrangliste. Der erste Deutsche im Achtelfinale, vielleicht auch der zweite und dritte. Aber Viertelfinale? Und dann gleich noch das Halbfinale obendrauf? Mit seinem Erfolg ist sich Clemens, dessen Karriere stets in steten, aber kleinen Fortschritten verlief, im besten Sinne untreu geworden.

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Doch er hat Freude an der neuen Situation gefunden, die bei der aktuellen WM gemachten Erfahrungen haben ihm gefallen. Clemens und seine Lebensgefährtin wären sehr gern noch einen Tag länger in London geblieben. „Ich hatte schon noch eine frische Unterhose dabei“, so Clemens über seine ursprünglichen Abreisepläne und blickt bereits ein Jahr voraus: „Ich habe kein schlechtes Spiel gemacht. Im Halbfinale bei der WM – das war schon cool und macht Spaß. Ich könnte mich dran gewöhnen.“

Bis dahin will er die neuen Erfahrungen in sein Spiel auf der Tour einfließen lassen. „Ich kann viel Positives mitnehmen, habe auf der Bühne einige schwierige Situationen überstanden“, weiß er, „und ich freue mich schon, wieder auf die Bühnen zu gehen. Es geht ja bald weiter.“ Donnerstagabend bei einer Darts-Gala in Ulm, um genau zu sein. Und möglicherweise sogar noch nachträglich am Wochenende zur Promi-Darts-WM auf Pro7. Ursprünglich war er für das Unterhaltungs-Event gar nicht eingeladen worden. Seit seinem Abschied aus Deutschland hat sich eben vieles verändert.

Darts-WM, Halbfinale

Gabriel Clemens (D/25) – Michael Smith (ENG/4) 2:6 (2:3; 3:2; 2:3; 3:2; 0:3; 2:3; 2:3; 1:3)

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Michael van Gerwen (NED/3) – Dimitri van den Bergh (BEL/15) 6:0 (3:2; 3:0; 3:0; 3:2; 3:0; 3:0)

Darts-WM, Endspiel, 3. Januar

ab 21.15 Uhr:

Michael Smith (ENG/4) – Michael van Gerwen (NED/3)

Source: welt.de