Umstrittenes Silvestervideo: Wer verteidigt die Verteidigungsministerin? Das laute Schweigen nach dem Lambrecht-Knall

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Umstrittenes Silvestervideo Wer verteidigt die Verteidigungsministerin? Das laute Schweigen nach dem Lambrecht-Knall

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD)

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD)

© Kenzo TRIBOUILLARD / AFP

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) steht wieder in der Kritik. Und wieder wird an ihrer Eignung für das Amt gezweifelt. Gegenstimmen werden bisher nicht laut.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Olaf Scholz gezwungen sieht, seine Verteidigungsministerin in Schutz zu nehmen. Schon im Mai vergangenen Jahres wies er Kritik an Christine Lambrecht als überzogen zurück. “Ich bin lange genug in der Politik, um die Gesetzmäßigkeiten der Medien zu kennen”, sagte der Bundeskanzler. “Gerne wird sich auf eine oder einen fokussiert. Aber ich weiß eben auch, dass sich das wieder ändert.”

Dann stellte er sich wieder hinter Lambrecht. Und wieder. Die Bundeswehr habe eine “erstklassige” Verteidigungsministerin, gab Scholz zuletzt zu Protokoll, und fügte hinzu: “Über manche Kritik kann ich mich nur wundern”.

Doch die Kritik reißt nicht ab. Erneut ist eine Debatte über die Eignung von Lambrecht als Verteidigungsministerin entbrannt. Ihre SPD fällt dazu mit lautem Schweigen auf, sowohl das Kanzleramt als auch ihr eigenes Ministerium geben sich wortkarg – während die Union dem Kanzler eine Neubesetzung der Ressortspitze nahelegt. 

Das ist passiert: Lambrecht hatte inmitten des Berliner Silvesterfeuerwerks eine Videobotschaft aufgenommen, die sie auf ihrem privaten Instagram-Account veröffentlichte. “Mitten in Europa tobt ein Krieg”, sagt die Ministerin, deren Worte mehrfach im Pfeifen von Raketen und explodierenden Böllern untergehen. “Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen.”

Inhaltlich unangemessen und stilistisch verunglückt, so lautete die Kritik zum Clip – den die Bundesregierung zunächst nicht weiter kommentieren wollte. “Ich sehe jetzt keinen Anlass, das hier zu bewerten”, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag. Auch Arne Collatz, Oberst im Generalstabsdienst und stellvertretender Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, sprang der Hausherrin nicht bei. “Die Worte der Ministerin in dem Video stehen für sich. Es ist nicht an mir, das zu kommentieren”, sagte er. “Sie hat sich auf einem privaten Kanal dazu geäußert, hat die Worte selbst gewählt und ohne Zuhilfenahme dienstlicher Ressourcen produziert.” 

Union nutzt Silvestervideo von Christine Lambrecht als Steilvorlage

Verbal in die Vollen geht hingegen die Union, die das umstrittene Silvestervideo als Steilvorlage nutzt:

  • Angesichts des “unfassbaren Leids in der Ukraine” und für eine Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt halte er das Video für “unangemessen”, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter zum “Tagesspiegel”. “Es bestärkt das Misstrauen und den Vertrauensverlust, die sich leider in Europa und international gegenüber Deutschland festsetzen.” 
  • “Jede weitere Minute, in der der Bundeskanzler an dieser Ministerin noch festhält und damit das Ansehen unseres Landes weiter beschädigt, geht auf sein Konto”, schrieb die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler auf Twitter.
  • “Dieses Video spricht für sich. Was für eine Peinlichkeit, was für eine Fehlbesetzung. Die Bundeswehr hat besseres verdient!”, kommentierte Florian Hahn, der Verteidigungspolitische Sprecher der Union, auf Twitter.

  • “Das verstörende Video vom Silvesterabend zeigt erneut, dass Frau Lambrecht keine Einstellung zu dem bekleideten Amt findet”, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU) zur “Süddeutschen Zeitung”. “Das Video hat dem Kanzler pünktlich zu Jahresbeginn in Erinnerung gerufen, dass er im Bendlerblock ein drängendes Personalproblem hat.”

Auch aus den Reihen der Koalitionspartner wird das Video kommentiert, wenngleich wesentlich zurückhaltender. 

“Das betreffende Neujahrsvideo ist eine Sache der Ministerin und ihres Kommunikationsstabes”, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zum “Tagesspiegel”. “Ich selbst finde das Setting etwas unglücklich. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.” Stephan Bischoff, Bundestagsabgeordneter der Grünen, schrieb bei Twitter offenbar in Anspielung auf Lambrechts Äußerungen: “Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und jetzt Prost ihr Säcke! Gutn Rutsch!” Deutlichere Worte wählte FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber: “Frau Lambrecht sollte ihre Rolle als Verteidigungsministerin Deutschlands während eines großen Kriegs in Europa reflektieren und wäre gut beraten, ihre Öffentlichkeitsarbeit entsprechend neu aufzustellen”, sagte er dem “Spiegel”

Der öffentliche Druck auf Lambrecht nimmt zu. Während das Medienecho wiederholt verheerend für die Ministerin ausfällt, äußern sich auch politische Beobachter irritiert.

“Politische Kommunikation braucht in erster Linie politisches Gespür. Der Rest ist Handwerk”, twitterte etwa der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje, der früher für die Grünen gearbeitet hat. Beides fehle im Video von Lambrecht. Politikexperte Albrecht von Lucke attestierte der Regierung sogar ein zunehmend erodierendes Vertrauen seiner Bürgerinnen und Bürger – dazu würden auch fragwürdige Aktionen wie von Ministerin Lambrecht beitragen, sagte er bei n-tv.

Lambrecht selbst hat sich zu der Kritik bisher nicht geäußert. Auch Bundeskanzler Scholz, der trotz des anhaltenden Unmuts über seine Verteidigungsministerin wohl weiter felsenfest zu und hinter ihr stehen dürfte, hat sich nicht weitergehend geäußert. Möglicherweise in der Hoffnung, dass sich der Fokus dieses Mal tatsächlich wieder verschiebt.

Quellen:  “T-Online”, “Tagesschau”, “Süddeutsche Zeitung”, Instagram, Redaktionsnetzwerk Deutschland, “Tagesspiegel”, “Spiegel”, n-tv

Source: stern.de