Ein Symbol für die halbherzige Ukraine-Hilfe des Olaf Scholz

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Am 1. April des vergangenen Jahres bekam Olaf Scholz kurzfristigen Besuch. Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali, war in die deutsche Hauptstadt gekommen, um persönlich im Kanzleramt vorzusprechen. Das zentrale Anliegen des Sportlers, der eine Delegation ukrainischer Politiker anführte: die Lieferung von Schützenpanzern des Typs Marder an die Ukraine. Olaf Scholz wusste, wovon der ukrainische Besucher sprach.

Denn schon rund einen Monat zuvor, kurz nach der „Zeitenwende“-Rede des Bundeskanzlers, hatte der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall der Bundesregierung 100 ausgemusterte Marder für die Lieferung in die Ukraine angeboten. Die Bundesregierung aber ignorierte das Angebot – und auch Klitschko konnte Scholz nicht umstimmen.

Mitte April dann reichte Rheinmetall ein offizielles Angebot für den Export der 100 Marder-Panzer bei der Bundesregierung ein. Jeder deutsche Waffenexport muss vom Bundessicherheitsrat unter Federführung von Kanzler Olaf Scholz genehmigt werden. Aber auch dieser Antrag blieb im Kanzleramt liegen – sehr lange. Erst jetzt, am Donnerstagabend, kam das grüne Licht für die Lieferung von Marder-Panzern an die Ukraine. Mehr als acht Monate nach dem Antrag.

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Der Marathon bei der Genehmigung der Marder-Panzer ist ein Symbol für das systematische Zögern des Bundeskanzlers bei der Ukraine-Waffenhilfe. Die Bundesregierung verkündete zwar in feierlichem Ton die Entscheidung, die in einem Telefonat mit dem US-Präsidenten vereinbart worden sei. „Präsident Biden und Bundeskanzler Scholz bekundeten ihre gemeinsame Entschlossenheit, der Ukraine so lange wie nötig die erforderliche finanzielle, humanitäre, militärische und diplomatische Unterstützung zu gewähren“, hieß es in einer Stellungnahme der Bundesregierung.

Aber die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. „Dass Deutschland der Ukraine jetzt endlich Panzer liefert, ist gut“, schrieb der Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) am Donnerstagabend in einer Reaktion auf die Marder-Ankündigung auf Twitter. „Aber das Bild, dass die Außenpolitik dabei abgibt, kann uns nicht zufriedenstellen. Von Führung keine Spur. Es wird wieder nur auf Druck gehandelt und wenn es gar nicht mehr anders geht.“

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Frankreich hatte am Mittwochabend angekündigt, selbst Schützenpanzer vom Typ AMX-10 RC zu liefern, die USA kündigten die Lieferung von Bradley-Schützenpanzern an. In einer unter den drei Ländern ganz offensichtlich abgestimmten Aktion liefert auch Deutschland. Der Bundeskanzler hatte stets betont, Deutschland werde erst dann moderne Panzer westlicher Bauart liefern, wenn dies auch die Verbündeten täten.

Bei dieser Begründung aber gab es immer offensichtliche Widersprüche. Schon vergangenen April verkündete die Bundesregierung die Lieferung von Flakpanzern vom Typ Gepard, die ebenfalls westlicher Bauart sind. Und ob man die jahrzehntealten Marder als „modern“ bezeichnen kann, ist zumindest Ansichtssache.

Auch das von der Bundesregierung regelmäßig angeführte Argument, die Lieferung von Panzern könne von Russland als Eskalation verstanden werden, war immer unlogisch. Schützenpanzer dienen in erster Linie dem sicheren Transport von Soldaten – ihre Feuerkraft ist geringer als die der Gepard-Panzer oder der Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II, die Deutschland längst geliefert hat. Auch das Argument, nur im Gleichschritt mit den Verbündeten liefern zu wollen, wurde längst von den USA abgeräumt. Mehrfach machte die US-Regierung klar, dass jedes verbündete Land frei sei in der Art seiner Waffenlieferungen an die Ukraine. Olaf Scholz aber blieb über all die Monate bei seinem Nein zum Marder-Export.

Rheinmetall setzte die Panzer auf eigene Faust instand

Unklar ist, wie schnell die Schützenpanzer nun in die Ukraine gelangen. Rheinmetall hatte früh auf eigene Faust begonnen, die Marder instand zu setzen, um bis zum grünen Licht der Bundesregierung keine Zeit zu verlieren. 40 der Panzer waren im Oktober im Zuge eines sogenannten Ringtauschs nach Griechenland gegangen – Athen schickte seinerseits 40 Schützenpanzer sowjetischer Bauart weiter an die Ukraine. Es müssten also noch 60 der Rheinmetall-Marder zur direkten Lieferung in die Ukraine zur Verfügung stehen.

Die Bundesregierung teilte bisher nicht mit, wie viele Marder insgesamt an Kiew übergeben werden. Auch ist unklar, wie viele Panzer bereits von Rheinmetall instandgesetzt sind. Eine andere offene Frage ist, ob die Marder direkt in die Ukraine gehen sollen oder ob die Bundeswehr aus eigenen Beständen liefert und die Lücken anschließend mit den Panzern der Industrie auffüllt. Wie die Bundesregierung am Donnerstagabend mitteilte, wird Deutschland ukrainische Streitkräfte am Marder auszubilden. Auch dies wird Zeit in Anspruch nehmen. Die Ukraine musste durch das deutsche Zögern viele Monate auf Schützenpanzer warten. In dieser Zeit bewegten sich ukrainische Soldaten oft hochriskant mit ungepanzerten, teils zivilen Fahrzeugen im Frontgebiet.

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Olaf Scholz aber blieb beim Marder der Taktik treu, die er schon bei der Lieferung der Geparde, der Mehrfachraketenwerfer oder der Luftabwehr-Systeme gezeigt hatte. Er wartet so lange wie möglich und liefert erst, wenn die Verbündeten dies tun und der Druck auf Deutschland zu hoch wird. So möchte der Bundeskanzler ganz offensichtlich eine Mittelposition einnehmen zwischen jenen in seiner Partei und in der Bevölkerung, die Waffenlieferungen fordern – und jenen, die glauben, die Hilfen verlängerten den Krieg unnötig.

Zumindest der neue Botschafter Ukraine in Deutschland, Oleksij Makejew, kann nun einen ersten Erfolg in Sachen Waffenlieferungen verbuchen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Andrij Melnyk hat er zuletzt vermieden, die Bundesregierung öffentlich unter Druck zu setzen – und betont, er führe stattdessen konstruktive Verhandlungen hinter den Kulissen. Ob der Botschafter bei der Marder-Entscheidung eine größere Rolle spielte und welche genau, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist nur: Makejew, der seinen Posten im Oktober angetreten hat, war in die Details des Ringens um die Marder-Panzer schon lange vorher eingeweiht. Denn er war in der Causa zuvor in Berlin gewesen – als Teil der Delegation von Wladimir Klitschko, die im Kanzleramt vergebens vorgesprochen hatte.

Source: welt.de