„Tatort“ aus Dresden: Der Gärtner kann nicht der Mörder sein

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Heike Teichmann ist außer sich. Sie stürzt aus dem Auto, lässt die Wagentür offen, Handtasche und Schlüssel auf dem Beifahrersitz liegen und stürmt ins Ge­wächshaus ihrer Großgärtnerei. Der ju­gendliche Gehilfe Juri, geistig auf dem Stand eines Fünfjährigen, beobachtet sie, klettert in den Wagen und bemalt sich das Gesicht mit ihrem Lippenstift. Wenig später hat er echtes Blut an seinen Wangen, Heike Teichmann liegt erschlagen im Beet. Ihr Schwiegersohn Patrick sieht Juri vom Tatort fliehen. Teichmanns Tochter Nadine eilt schreiend hinzu.

Michael Hanfeld

verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

Der Fall scheint klar, als die Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Han­czewski), Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und ihr Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) die Lage inspizieren. Die Fahndung nach Juri (Alexander Schuster) läuft. Doch ganz so eindeutig, wie es scheint, kann die Sache wohl nicht sein.

Zwischen Nadine (Kristin Suckow) und Patrick Teichmann (Nico Rogner) herrscht Eiszeit, dafür erwärmt er sich, was den Kommissarinnen nicht entgeht, für Swetlana Novak (Lara Feith), Mitarbeiterin der Gärtnerei und Schwester des flüchtigen Juri. Und dann ist da noch der Hinweis des Gerichtsmediziners, dass Heike Teichmann zwar an den schweren Schlägen auf ihren Kopf starb, aber auch am Broken-Heart-Syndrom litt. Herauszufinden, woran ihr Herz zerbrach, ist nun die Aufgabe der Ermittler. Nur so, das ist jedem „Tatort“-Zuschauer klar, werden sie den Fall lösen.

Wer streicht ums Haus?

Es ist schon erstaunlich, dass die Krimis der ARD-Reihe, die 1970 mit dem „Taxi nach Leipzig“ begann, mit wirklich jeder Episode höchste Einschaltquoten erzielen, mag sie noch so konventionell sein, so konventionell wie dieser „Tatort: Totes Herz“. Die Verdächtigen machen sich verdächtig, die beiden Kommissarinnen fragen ab, laufen von A nach B, ihr Chef Schnabel ist dünnhäutig wie immer und überspielt mit Machosprüchen, wie angegriffen er ist – schließlich wäre er kürzlich beinahe selbst von einem Se­rienmörder, der ihn zur Geisel nahm, ge­tötet worden.

Trailer : Tatort: „Totes Herz“

Video: ARD, Bild: MDR/MadeFor/Hardy Spitz

Was sie wissen, sagen die Drei für alle, die doch nicht mitgekommen sein sollten, zwischendurch schön auf. Und das war es dann auch schon fast, was uns die Drehbuchautorin Kristin Derfler, der Regisseur Andreas Herzog und der Kameramann Marcus Kanter, der ein Faible für eingestreute Nahaufnahmen hat (ein Auge ganz groß, ein Weberknecht, der über eine Zitrone klettert), präsentieren.

Das wäre es – fast, nähme die Geschichte nicht zur Hälfte eine Wendung, die in die Zeit der DDR und ein wenig zu den innerdeutschen Verhältnissen zurückführt, in denen das besagte „Taxi nach Leipzig“ unterwegs war. Mehr und mehr deutet sich an, dass mit Nadine Teichmann etwas nicht stimmt. Aber was? Wer streicht ums Haus der Teichmanns, lauert dem verzweifelten Juri auf, vergiftet den Hund? Und was bedeutet die Botschaft „Blaues Wunder, roter Schal“, die Heike Teichmann sich auf einem Zettel notierte?

Die drei Dresdner Ermittler kommen langsam auf den Trichter, am Ende beweisen die Drehbuchautorin Derfler und der Regisseur Herzog, dass sie etwas von Spannungsaufbau verstehen (über un­glaubwürdige Twists sieht die „Tatort“-Gemeinde bestimmt großzügig hinweg). Und insbesondere Kristin Suckow darf zeigen, was sie als Schauspielerin kann: Sonntagabend im Ersten, mit dem „Tatort“, wie üblich, und mit ein paar gebrochenen Herzen.

Der Tatort: Totes Herz läuft an diesem Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.

Source: faz.net