Die Nationalmannschaft unter Zugzwang

Get real time updates directly on you device, subscribe now.

Die Hoffnung auf lautstarke Unterstützung begleitete den deutschen Tross auf dem Flug von Hannover ins polnische Kattowitz am Donnerstag. In der rund 300.000 Einwohner zählenden Stadt bestreitet die Handball-Nationalmannschaft ihre Vorrunden- und Hauptrundenpartien der Weltmeisterschaft, und mit dem nötigen Support soll es auch sportlich endlich wieder positive Schlagzeilen geben.

Ich denke, dass wir eine gute Stimmung erwarten dürfen“, sagte Torwart Andreas Wolff WELT vor der Abreise. „Ich weiß nicht unbedingt, ob das bei den Einheimischen großen Zuspruch finden wird. Die Ligaspiele sind oftmals nicht allzu gut besucht. Aber ich glaube, dass relativ viele deutsche Fans den Weg nach Kattowitz finden werden, weil es ja auch nicht unglaublich weit weg ist. Deswegen erwarte ich eine gute Unterstützung in der Halle.“

Desaster vor zwei Jahren

Wolff kann das beurteilen, er lebt und arbeitet seit dreieinhalb Jahren im 120 Kilometer von Kattowitz entfernten Kielce, wo er beim letztjährigen Champions-League-Finalisten KS angestellt ist. Und er weiß, dass es neben der mannschaftlichen Geschlossenheit auch an den Fans liegen wird, wie die besten Ballwerfer des Landes sich beim globalen Kräftemessen in Polen und Schweden schlagen werden. Nach einer von Corona überlagerten EM 2022 mit Platz sieben gilt es, wieder Werbung zu betreiben im Lager der zweitwichtigsten Mannschaftssportart Deutschlands.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Twitter
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Schließlich hat der Deutsche Handballbund (DHB) nicht nur das Jahrzehnt des Handballs ausgerufen, sondern auch wichtige kommenden Großereignisse an Land gezogen: In einem Jahr findet die Heim-Europameisterschaft statt, 2027 folgt die Weltmeisterschaft hierzulande – und zwischendrin 2025 zudem mit Co-Gastgeber Niederlande auch noch die Ausrichtung der Frauen-WM. „Das sind großartige Gelegenheiten, Handball zu zelebrieren, Stars aufzubauen und unsere Sportart fest in der Gesellschaft zu verankern“, erklärte DHB-Präsident Andreas Michelmann.

Bundestrainer Alfred Gislason
Bundestrainer Alfred Gislason hofft auf eine gute WM
Quelle: dpa/Carmen Jaspersen

Aber: Ein sportliches Desaster wie bei der WM vor zwei Jahren in Ägypten, als die von etlichen Absagen geplagte Auswahl beim ersten Turnier unter dem neuen Bundestrainer Alfred Gislason nur Zwölfter wurde, darf sich aus Sicht des größten Handballverbandes der Welt nicht wiederholen. Es würde jegliche Imagekampagnen torpedieren. „Es hilft uns natürlich bei der Organisation der EM, wenn wir sportlich erfolgreich sind. Je besser wir bei der WM auftreten, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir für die EM noch mehr Tickets verkaufen“, sagte DHB-Vorstandschef Mark Schober.

Lesen Sie auch
Fitness-Selbstversuch

Entsprechend selbstbewusst gehen sie im deutschen Ensemble das Unterfangen an. Mindestens das Erreichen des Viertelfinales haben sie als Zielsetzung ausgerufen, angesichts der Vorrunden- und möglichen Hauptrundengegner keine allzu kühne Forderung. Am Freitag (18 Uhr) trifft die deutsche Nationalmannschaft zunächst auf Asienmeister Katar, danach folgen die Duelle mit Serbien (Sonntag, 18 Uhr) und Algerien (Dienstag, 18 Uhr).

Nur der Gruppenletzte scheidet aus, die in den Spielen mit den anderen qualifizierten Mannschaften erzielten Ergebnisse werden mitgenommen in die Hauptrunde, wo es zum Kräftemessen mit drei Kontrahenten der Vorrundenstaffel F um Norwegen, Nordmazedonien, Argentinien und den Niederlanden kommen würde. Heißt: Auf dem Weg in die K.o.-Runde entgehen Gislasons Mannen Duellen mit Titelverteidiger Dänemark, Olympiasieger Frankreich und Europameister Schweden. „Es ist wichtig, so viele Punkte wie möglich in die Hauptrunde mitzunehmen, denn wir wollen die K.o.-Phase erreichen. Wenn man in der Vorrunde patzt, kann man das kaum noch wettmachen“, sagte Gislason während der seit dem 2. Januar andauernden Vorbereitungsphase in Barsinghausen.

Alle Augen auf Knorr

Neben einem bislang stark auftretenden Keeper Wolff gilt einer der Jungstars im Team als großer deutscher Hoffnungsträger: Juri Knorr, 22, soll als Mittelmann das Spiel lenken und selbst Tore werfen. Der Sohn des ehemaligen Nationalspielers Thomas Knorr – bei der EM 1996 mit 41 Treffern Torschützenkönig – kann auf eine starke Saison mit den Rhein-Neckar Löwen zurückblicken. Seitdem dort Klubikone Andy Schmid den Verein im Sommer 2022 verlassen hat, startet Knorr durch: Mit 117 Treffern ist er Dritter der Bundesliga-Torschützenliste, zudem besticht er mit genialen Anspielen auf den Kreisläufer.

Lesen Sie auch
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft um Bundestrainer Alfred Gislason startet bei der WM gegen Katar
Handball-WM 2023

Dass er in den Länderspielen bisweilen noch die richtige Mischung aus Mut und Übermut finden muss, ist angesichts seines Alters kein Wunder. Knorr könnte der lange vermisste, starke Mittelmann in der deutschen Stammsieben werden. „Juri macht viel Spaß, weil seine Entwicklung einfach sehr gut ist, sagte Gislason am Mittwoch. „Er hat zwei gute Spiele gegen Island gemacht, auch wenn nicht alles super war und er viele Fehler gemacht hat. Aber man muss seinen Mut belohnen und einem jungen Spieler wie ihm auch Fehler zugestehen.“

Lesen Sie auch
259142176
Meinung Bob Hanning

In den besagten letzten und einzigen WM-Testspielen gegen Island war Knorr am vergangenen Wochenende mit 19 Toren beim 30:31 und 33:31 der beste deutsche Feldspieler gewesen. Allerdings war er auch an etlichen technischen Fehlern beteiligt, weshalb das Lob seines Bosses nur eingeschränkt erfolgte. Wohin die Reise bei der WM führen wird, vermag daher selbst der Spielmacher noch nicht genau einzuschätzen. „Ich hoffe, dass wir positive Schlagzeilen schreiben können“, sagte Knorr. „Aber das wird schwierig werden, denn wir gehören nicht zu den Mannschaften, die in den vergangenen Jahren Medaillen gewonnen haben. Da gibt es andere Teams, die konstant nachgewiesen haben, oben dabei zu sein. Es wäre schön, wenn wir uns in einen Flow spielen könnten.“

Immerhin könnte der Spielort positive Erinnerungen wecken. In Polen gelang dem Team vor sieben Jahren mit dem völlig überraschenden Triumph bei der Europameisterschaft der bis dato letzte Titelgewinn. Der vom damaligen Trainer Dagur Sigurdsson (wie Gislason übrigens auch Isländer) entworfene Kampfname „Bad Boys“ war der beste Werbeslogan der zurückliegenden Dekade. Eine Neuauflage wünschen sie sich insgeheim im Lager des DHB – gerade im Jahrzehnt des Handballs.

Source: welt.de