Jahresauftakt-Klausur der SPD-Fraktion: Sozialdemokraten beharren auf Diplomatie im Umgang mit Wladimir Putin

Get real time updates directly on you device, subscribe now.

SPD-Logo

SPD-Logo


Foto: Uwe Koch / Eibner / IMAGO

Die SPD im Bundestag hält weiter an diplomatischen Initiativen fest, um Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. »Denn wir wissen: Kriege werden in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld beendet«, heißt es in einem Entwurf für ein Positionspapier der größten Regierungsfraktion, das auf der an diesem Donnerstag beginnenden Jahresauftakt-Klausur beschlossen werden soll. »Auch wenn es aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Vertrauen mehr zur gegenwärtigen russischen Führung gibt, müssen diplomatische Gespräche möglich bleiben.« Deswegen seien auch die Telefonate von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin richtig und notwendig.

Wo immer es möglich sei, sollten diplomatische Initiativen ergriffen werden, heißt es in dem Papier in der Fassung von Mittwochabend (18 Uhr), das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. »Wir müssen weiterhin jeden Versuch unternehmen, Russland zum Rückzug zu bewegen und gegenüber Russland eine ehrliche Bereitschaft zu einem gerechten Friedensschluss einfordern.«

In dem neunseitigen Entwurf des Papiers mit dem Titel »Sozialdemokratische Internationale Politik in der Zeitenwende« wird darauf verwiesen, dass in »kleinen Teilbereichen« Verhandlungserfolge mit Russland erzielt werden konnten, zum Beispiel beim Gefangenenaustausch oder beim Getreideexport über das Schwarze Meer. Es gelte, auf diesen Ansätzen aufzubauen, etwa im Bereich der Rüstungskontrolle.

Ukraine sieht keinen Sinn in Verhandlungen während Besatzung

Die ukrainische Regierung steht diplomatischen Initiativen skeptisch gegenüber. Sie sieht keinen Sinn in Verhandlungen mit Russland, solange nicht alle Truppen von ihrem Staatsgebiet abgezogen sind – einschließlich der bereits 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Die westlichen Verbündeten fordert die Ukraine eindringlich zur Lieferung von Waffen neuer Qualität auf. Dabei richtet sich der Fokus derzeit auf Kampfpanzer westlicher Bauart wie den deutschen Leopard 2. Auf diese Debatte geht das Papier nicht ein. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass Deutschland der Ukraine bereits »im großen Umfang« Ausrüstung und Waffen geliefert habe.


Mehr zum Thema

    Langfristig können sich die Autoren des Papiers bei einer Kehrtwende Russlands im Krieg auch wieder vertrauensbildende Maßnahmen mit dem Land vorstellen. Zuvor müsse es aber »zu einer fundamentalen Abkehr vom verbrecherischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der dahinterstehenden expansionistischen Ideologie« kommen, heißt es in dem Entwurf. »Wenn eine ernsthafte Bereitschaft hierzu erkennbar sein sollte, könnte eine Politik der kleinen Schritte, die in überschaubaren Bereichen Initiativen zur Vertrauensbildung startet und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft wird, ein diplomatischer Ansatz sein.«

    SPD will Haltung zu Außen- und Sicherheitspolitik modifizieren

    Die Russlandpolitik der SPD vor dem Ukrainekrieg war in den vergangenen Monaten scharf kritisiert worden. Im Wahlprogramm der SPD von 2021 steht noch der Satz: »Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.« Nun will die Partei ihre Haltung neu definieren. Beim Parteitag Ende 2023 soll ein neues außen- und sicherheitspolitisches Konzept beschlossen werden, für das die Kommission Internationale Politik derzeit Vorschläge erarbeitet. Ende des Monats sollen sie vorliegen.

    SPD-Chef Lars Klingbeil hatte im Oktober mehrere Fehleinschätzungen seiner Partei in der Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte eingestanden. In einer Grundsatzrede sprach er sich für ein grundsätzliches Umdenken aus. »Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren«, sagte der Parteivorsitzende. »Russland hat sich aus dem System der gemeinsamen Sicherheit und der gemeinsamen Werteordnung verabschiedet. Unsere Sicherheit muss ohne Russland funktionieren.«

    Melnyk: »Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden«

    In dem Entwurf für das Positionspapier der Fraktion ist der Zungenschlag ein anderer. Zwar heißt es dort, dass Russland als Aggressor auftrete, dem mit konsequenter Abschreckung begegnet werden müsse. Allerdings werde Russland auch in Zukunft ein Land mit erheblicher Fläche, Bevölkerung und militärischer Stärke auf dem europäischen Kontinent sein. »Dies wird auf lange Sicht für die Gestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur relevant sein.«

    An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter,
    der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen
    und wieder ausblenden.


    Externer Inhalt

    Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.

    Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

    Aus der Fraktion heißt es, der Entwurf für das Positionspapier sei mit der Parteiführung abgestimmt. Aus Kiew kam am Mittwochabend bereits eine erste Reaktion. Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk widersprach der Einschätzung, dass Kriege in der Regel nicht auf dem Schlachtfeld entschieden würden. »Kriege werden fast immer auf dem Schlachtfeld entschieden. Deutschland sollte das besser wissen«, schrieb der frühere Botschafter in Berlin auf Twitter. Die SPD-Fraktion will das Positionspapier am Freitag beschließen.


    col/dpa