Reeder kehren zum Diesel zurück – das könnte langfristig das Klima schützen

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Bei Deutschlands größter Containerreederei Hapag-Lloyd machen ab Februar zunächst 91 Seeleute ihre „Gaslizenz“. Diese Seefahrer erlernen den Umgang mit dem Flüssigerdgas Liquefied Natural Gas (LNG). Auf dem Schulungsplan steht Lernstoff über „das Antriebsmittel, das Equipment und den Treibstofftransfer“. Schließlich unterscheidet sich der Umgang mit LNG wesentlich von der Arbeit mit dem bisher fast ausschließlich genutzten Schweröl oder Marinediesel.

Weitere Kurse für insgesamt 500 Mitarbeiter auf See werden folgen, denn Hapag-Lloyd hat zwölf große Containerschiffe mit LNG-Antrieb bei asiatischen Werften bestellt.

Aktuell ist es allerdings gar nicht so sicher, ob die dafür geeigneten Schiffsneubauten oder die bereits eingesetzten Schiffe überhaupt mit dem LNG-Antrieb fahren oder ob ihre Motoren nicht doch noch mit herkömmlichem Schiffsdiesel befeuert werden. Man werde diese Frage kurzfristig entscheiden, sobald die Schiffe abgeliefert seien, heißt es dazu bei Hapag-Lloyd.

Der Grund für das Zögern: LNG ist manchen Reedereien derzeit zu teuer, um es im Maschinenraum einzusetzen. Im Vergleich zum bislang üblichen und wesentlich umweltschädlicheren Marinediesel kostet es je nach Region das Drei- bis Fünffache.

Entscheidung zwischen Moral und Preis

Dabei stehen die Reedereien in Sachen Umweltschutz unter Druck. Großkunden wie das Möbelhaus Ikea oder der weltweit größte Seefrachtspediteur DHL verlangen von den Schifffahrtsunternehmen einen möglichst umweltverträglichen Seetransport. Um ihre eigene CO₂-Bilanz zu verbessern, drängen diese Kunden die Schifffahrtslinien zu Investitionen in die Antriebstechnik und zu einem emissionsarmen Transport auf dem Meer.

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Die Hintergründe für den Preisanstieg beim LNG sind rasch aufgelistet: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die ausbleibenden Gaslieferungen aus russischer Förderung und der vermehrte Einsatz des Flüssigerdgases zur Stromerzeugung für die Industrie und die Haushalte in Deutschland machen es teuer. Bunker, wie Schweröl für Schiffe genannt wird, ist dagegen mit rund 300 Dollar (279 Euro) je Tonne viel günstiger.

Quelle: Infografik WELT

„Es ist eine Frage zwischen Moral und Preis“, sagt ein Schifffahrtsmanager. Allen Marktteilnehmern sei klar, dass der Seetransport in den kommenden Jahren teuer werde. Die Auflagen der weltweiten Schifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization) verlangen eine Reduzierung der Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Stand aus dem Jahr 2008.

Dafür sind alternative Antriebsarten nötig. Doch die werden noch auf Jahre hinaus vergleichsweise teuer bleiben. Die Preisschere zwischen einem Antrieb mit LNG, Methanol, Ammoniak oder später auch Wasserstoff und dem herkömmlichen Schweröl dürfte in Zukunft noch weiter auseinandergehen. Bunker wird aus Rohöl hergestellt und ist in den Raffinerien ein Abfallprodukt bei der Benzinherstellung.

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Erste Reedereien gehen nun jedoch den umgekehrten Weg. Der Kreuzfahrtanbieter Aida hat auf den Schiffen „Nova“ und Cosma“ den Betrieb von LNG auf Diesel umgestellt, aus Kostengründen, wie es bei dem Unternehmen in Rostock heißt. Die norwegische Schifffahrtslinie Fjord Lines rüstet ihre Passagierfähren „MS Stavangerfjord“ und „MS Bergensfjord“ vom LNG-Betrieb auf Dieselantrieb um und begründet dies mit einer „nicht nachhaltigen finanziellen Situation“, wie der Onlinedienst G-Captain schreibt.

Diese beiden Schiffe waren weltweit die ersten Fähren, die ausschließlich mit dem Flüssigerdgas fahren konnten. Für Fährverbindungen zwischen Norddänemark und Norwegen kündigt die Reederei wegen der Umbaumaßnahmen nun Verzögerungen an. Zudem hat die Kreuzfahrtlinie Costa gerade vermeldet, dass sie auf der „Toscana“ und der „Smeralda“ LNG durch Diesel ersetzt.

Chance für Methanolantriebe

An dieser Unternehmenspolitik kommt mittlerweile offene Kritik auf. „Das ist Umweltschutz nach Kassenlage. Es ist peinlich für die betroffenen Reedereien und demaskiert ihre Umweltambitionen“, sagt Malte Siegert, Vorsitzender beim Naturschutzbund Deutschland in Hamburg. Nach seiner Einschätzung werden noch etliche Schiffe hinzukommen, die LNG zumindest vorübergehend nicht mehr nutzen.

Mit einem Preisrückgang bei dem Flüssigerdgas rechnet Schifffahrtsexperte Siegert jedoch nicht. Deshalb könne aus der aktuellen Situation auch etwas Positives entstehen. „Der hohe Preis für LNG könnte die Reedereien dazu bringen, diesen Transformationsschritt auszulassen und gleich zu besseren Lösungen wie dem Methanolantrieb überzugehen“, sagt Siegert. Die dänische Reederei Maersk etwa, die weltweite Nummer Zwei, geht diesen Weg bereits und stellt erste Schiffe auf Methanol um.

Quelle: Infografik WELT

Lange Zeit schien der Trend weg vom Schweröl und hin zu LNG in der Schifffahrt eine ausgemachte Sache unter den großen Reedereien der Welt. Im vergangenen Jahr bestellten sie laut DNV-Statistik 222 Neubauten mit diesem Antrieb. DNV steht für Det Norske Veritas und ist eine der weltweit führenden Klassifizierungsgesellschaften aus Norwegen – eine Art Tüv für Schiffe, der für Zulassungen und Betrieb zwingend vorgeschrieben ist.

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Insgesamt 876 große Containerschiffe, Tanker oder Massengutschiffe fahren derzeit mit LNG oder stehen in den Bestellbüchern der Großwerften in Südkorea oder China. Zuletzt kamen 2022 laut DNV-Daten 104 neue Frachter mit LNG-Antrieb auf den Weltmeeren hinzu, das waren vier von zehn der in Dienst gestellten großen Frachtschiffe. „Der hohe Preis für LNG wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass sich eine weite Verbreitung von LNG als Antrieb in der Schifffahrtsindustrie verschieben wird“, sagt Martin Wold, Berater bei DNV.

Beim Verbrennen von Flüssigerdgas LNG entsteht im Vergleich zum Schweröl mindestens 70 Prozent weniger Stickstoffoxid. Schwefeloxid und Feinstaub werden nahezu komplett vermieden. Kohlendioxidemissionen verringern sich um bis zu 20 Prozent. Allerdings kommen Methanemissionen hinzu, die im Vergleich zu Kohlendioxid als wesentlich schädlicher für das Klima gelten.

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Source: welt.de