Lützerath: Jürgen Trittin verteidigt Polizei-Einsatz
Jürgen Trittin verteidigt das Vorgehen der Polizei in Lützerath. »Die Polizei vollstreckt ein rechtskräftiges Urteil. Insofern hat die keinen Handlungsspielraum an dieser Stelle«, sagte der Grünen-Politiker im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Moderator Markus Feldenkirchen, der Klimaschutzaktivistin Carla Reemtsma und FDP-Vorstandsmitglied Linda Teuteberg.
Der ehemalige Bundesumweltminister relativierte die Kritik der Klimaschutz-Aktivisten am Einsatz der Behörden. Er erinnere sich an Sitzblockaden, die er als Schüler erlebt habe. »Damals wurden Hundestaffeln reingejagt und es wurden Knüppel und Tränengas eingesetzt – dafür, dass wir friedlich auf den Schienen saßen. Es geht auch schlimmer«, sagte Trittin. Ob das Vorgehen der Polizei verhältnismäßig sei oder nicht, müsse im Gesamtzusammenhang gesehen werden, so der Grünen-Politiker.
Reemtsma widersprach Trittin. »Es gibt ganz viel Videomaterial, das dokumentiert, dass es extrem unverhältnismäßig ist, was in Lützerath passiert«, sagte die Sprecherin von Fridays for Future. Es gebe gesicherte Berichte von friedlichen Sitzblockaden, auf deren Teilnehmer eingeprügelt worden sei. Es gebe keine medizinische Betreuung vor Ort mehr, so Reemtsma.
Sie warf den Grünen vor, die Unwahrheit zu sagen. »Als Grüne zu sagen, wir gehen diesen Schritt und reißen dieses Dorf ab, ist das eine«, sagte Reemtsma. Wenn die Grünen die Einigung über die Kohle unter Lützerath als »klugen Deal« bezeichnen würden, würden sie »sich hinstellen und dreist lügen«, so Reemtsma. Sie sei wütend und enttäuscht.
Wenn die Kohle unter Lützerath verbrannt werde, könne Deutschland keinen gerechten Beitrag zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze leisten. Trittin wies den Vorwurf der Lüge als »Verbalinjurien« zurück. NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hatte gesagt, an der Räumung Lützeraths führe kein Weg vorbei. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Räumung verteidigt.
Jürgen Trittin (Grüne): »Man darf Aktivistinnen und Aktivisten nicht mit Terroristen in eine Ecke stellen«
Foto: DER SPIEGEL
Teuteberg rief dazu auf, rechtsstaatliche Entscheidungen zu respektieren. »Es gehört dazu, dass man demokratische Entscheidungen auch durchsetzt«, sagte die ehemalige FDP-Generalsekretärin. »Wenn wir hier noch nicht mal in der Lage sind, getroffene Entscheidungen durchzusetzen, dann lachen sich darüber in Moskau und Peking einige ins Fäustchen, deren Erzählung wir nicht bedienen sollten«, so Teuteberg.
»Man darf Aktivistinnen und Aktivisten nicht mit Terroristen in eine Ecke stellen«
In der Frage, wie der Rechtsstaat mit Klimaaktivisten umgehen soll, warf Trittin CDU-Chef Friedrich Merz »Hetze« vor. »Man darf Aktivistinnen und Aktivisten nicht mit Terroristen in eine Ecke stellen«, sagte Trittin. Er wies den Vorschlag zurück, Strafen für bestimmte Protestformen zu verschärfen. Merz hatte gefordert, Menschen Grenzen aufzuzeigen, die den Rechtsstaat herausforderten. Merz bezog dies unter anderem auf die Protestierenden in Lützerath.
»Das geht nicht. Das ist eine Verwahrlosung der politischen Kultur«, sagte Trittin. Er verwies auf Bewegungen, die für sich in Anspruch nähmen, gewaltfrei vorzugehen und nannte »Fridays for Future« und »Die Letzte Generation«. Es würde gezielt eine Bewegung kriminalisiert und gleichgesetzt mit Menschen, die vorsätzlich verletzen und ermorden, so Trittin. »Das ist eine völlig abscheuliche und verachtenswerte Debatte«, sagte Trittin.
Der Energiekonzern RWE will Lützerath in Nordrhein-Westfalen abreißen, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Boden und Häuser gehören mittlerweile RWE. In den verbliebenen Räumlichkeiten, deren einstige Bewohner weggezogen sind, wohnen Aktivisten. Sie sehen für das Abbaggern und Verbrennen der Kohle keine Notwendigkeit. Die Polizei hat mit der Räumung des Ortes begonnen.