Chrstian Lindner bietet Pistorius seine Unterstützung an

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Schnell auf dem Truppenübungsplatz, nicht in der Ukraine: Leopard 2-Panzer der ungarischen Armee

Schnell auf dem Truppenübungsplatz, nicht in der Ukraine: Leopard 2-Panzer der ungarischen Armee


Foto: Csaba Krizsan / dpa

Die vertagte Entscheidung über die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine wird nicht nur von der Opposition harsch kritisiert. Auch aus der Ampelkoalition werden enttäuschte Stimmen laut. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte am Freitagabend im ZDF-»heute journal«: »Die Geschichte schaut auf uns, und Deutschland hat leider gerade versagt.« Die Kommunikation insbesondere von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in dieser Frage sei eine »Katastrophe«, denn einerseits unterstütze Deutschland die Ukraine massiv, durch die ausbleibende Entscheidung bezüglich der Kampfpanzer entstehe aber ein anderer Eindruck. Scholz bleibe Erklärungen dafür schuldig.

Auf dem Landesparteitag der NRW-FDP in Bielefeld rief Christian Lindner (FDP) den neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zur Prüfung weiterer deutscher Hilfen auf. Pistorius habe seine volle Unterstützung als Finanzminister, sagte Lindner. »Ein neuer Verteidigungsminister ist aber auch eine neue Gelegenheit Deutschlands zu prüfen, was wir noch tun können, um der Ukraine in ihrem Kampf um Frieden und Freiheit zur Seite zu stehen«, sagte Lindner. Der Politiker erläuterte nicht, welche Art von Hilfen er meinte.

Pistorius »an der Kette«

Trotz erheblichen Drucks aus der Ukraine und der sie unterstützenden Staaten hat die Bundesregierung noch keine Entscheidung über die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an Kiew getroffen. Am Freitag hatten sich die Verbündeten zu einer Ukraine-Konferenz in Ramstein getroffen, bei der weitere Milliardenhilfen für das von Russland überfallene Land vereinbart wurden. Verteidigungsminister Pistorius kündigte am Rande des Treffens eine Überprüfung der Verfügbarkeit und Stückzahl von Leopard-Panzern an.

»Zumindest wäre ein Signal richtig gewesen, den Partnern schon mal grünes Licht zu geben«, sagte Strack-Zimmermann. Damit meinte sie den Wunsch von Ländern wie Polen, eigene Leopard-2 aus deutscher Produktion an die Ukraine zu liefern. Dazu benötigen sie eine Genehmigung aus Berlin. Pistorius liege wiederum aus ihrer Sicht »an der Kette«, sagte Strack-Zimmermann. Sie sei sich allerdings sicher, dass die Leopard-2-Panzer am Ende an die Ukraine geliefert würden.

Auch die Bundestagsvizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich enttäuscht. »Ich hätte mir gewünscht, dass bereits in dieser Woche die deutsche Regierung den Weg für die Lieferung von Leopard-Panzern freigemacht hätte«, sagte sie der Funke Mediengruppe (Sonntag). »Diese werden in der Ukraine dringend gebraucht. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch unsere Freiheit.«

Warnung vor Isolierung Deutschlands

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner am Freitagabend in Kiew verbreiteten allabendlichen Videobotschaft, er habe bei den Gesprächen in Ramstein viel Verständnis für die Erfordernisse seines Landes gehört. »Ja, wir werden noch kämpfen müssen um die Lieferung moderner Panzer, aber mit jedem Tag machen wir es noch offenkundiger, dass es keine Alternative gibt zu der Entscheidung für Panzer.«

Die Union befürchtet nun einen schweren außenpolitischen Schaden. »Deutschland hat der Ukraine und sich selbst für die künftige Position einen Bärendienst erwiesen«, sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter der »Augsburger Allgemeinen« (Samstag). »Das Ergebnis des Ramstein-Treffens ist für Deutschland leider eine weitere Isolierung«, kritisierte er. Es mache ihn sprachlos, dass erst der neue Verteidigungsminister eine Bestandsaufnahme der verfügbaren Leopard 1 und 2 in Bundeswehr- und Industriebeständen in Auftrag gegeben habe. »Es ist peinlich und erschreckend, dass Deutschland dies knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn offenbar erst einfällt.«

Gründe dafür, Gründe dagegen

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich betonte, es sei bei dem Thema wichtig, im Gleichklang mit den USA zu handeln. »Es kommt darauf an, dass wir wichtige Schritte immer gemeinsam gehen«, sagte Mützenich der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten« (Samstag). »Gemeinsam heißt: auch und vor allem mit den USA. Die Lieferung von Kampfpanzern ist so ein Schritt.«

SPD-Außenpolitiker Nils Schmid betonte am Samstagmorgen im Deutschlandfunk, es sei ja nicht so, dass Pistorius nun anfangen müsse, Panzer zu zählen, sondern es gehe darum, in Abstimmung mit Partnern für die Unterstützung der Ukraine sinnvolle Pakete zu schnüren. Das müsse vorbereitet werden. »Der Eindruck, der gelegentlich entstanden ist, es gebe eine geschlossene Koalition und Deutschland stehe im Weg – dieser Eindruck ist falsch.« Es gebe gute Gründe für die Lieferung, es gebe gute Gründe dagegen.

Schmid betonte, eine sorgfältige und umsichtige Abwägung der Eskalationsrisiken und Abstimmung mit den Verbündeten sei nötig. Offensichtlich gebe es noch kein einheitliches Meinungsbild, »das heißt aber nicht, dass eine solche Waffenlieferung nicht kommen kann. Es wird weiter daran gearbeitet.«

Einer, »der die Akten liest«

Zuletzt hatte es Berichte gegeben, wonach Scholz die Lieferung des US-Kampfpanzers vom Typ Abrams zur Bedingung für eine mögliche Entsendung deutscher Kampfpanzer gemacht habe. Pistorius hatte jedoch auch nach Aussage von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin klargemacht, dass es einen solchen Zusammenhang nicht gebe.

Dagegen verteidigte SPD-Chef Klingbeil den Kanzler. »Ich denke so manches Mal: Ist das nicht eigentlich genau richtig, dass man in diesen Zeiten, bei diesen Entscheidungen, bei dieser Tragweite von Entscheidungen, dass man da jemanden im Kanzleramt sitzen hat, der die Akten liest, der das alles versteht, der das durchdringt?«, sagte Klingbeil in Hamburg.

Lindner gibt sich kämpferisch

Er selbst jedenfalls wünsche sich einen Bundeskanzler, »der klug denkt, der klug handelt, der sich international abstimmt«, sagte Klingbeil. »Das, was Olaf gesagt hat, ›keine Alleingänge‹, das muss die Prämisse sein.« Es sei deshalb »genau richtig, was der Kanzler in dieser historischen Situation tut«.


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    Klingbeil betonte, Deutschland liefere der Ukraine Waffen, »damit dieses Land sich verteidigen kann. Das ist genau richtig, dass wir das tun.« Es gebe für ihn in dieser Frage »keine roten Linien«. Er sei aber auch der Meinung, »dass wir Räume zulassen müssen für Diskussionen. Dass wir abwägen müssen«, unterstrich Klingbeil.

    Finanzminister Lindner gab sich beim Parteitag in NRW unterdessen kämpferisch, sagte, der russische Präsident Wladimir Putin habe sich in der Ukraine verschätzt und auch in den westlichen Demokratien getäuscht. Putin habe Gas zu einer Waffe gemacht und kalkuliert, dass die Solidarität mit der Ukraine nachlasse, wenn der Wohlstand infrage gestellt werde. »Er hat darauf spekuliert, dass uns der wirtschaftliche Vorteil wichtiger sein könnte als unsere eigenen Werte, als der Einsatz für Menschenrechte und das Völkerrecht.« Putin habe sich aber »Gott sei Dank getäuscht in den liberalen Demokratien des Westens.«


    mak/dpa/AFP