Mehr als 100.000 Ausländer warten auf Einbürgerung

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In Deutschland warten mehr als 100.000 Ausländer zum Teil seit Jahren auf eine Einbürgerung. Wie eine Umfrage dieser Zeitung unter den 25 einwohnerstärksten Städten ergab, kommen die Behörden mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterher. Angesichts des enormen Rückstaus könnte die angekündigte Einbürgerungsoffensive der Bundesregierung deutlich schleppender umgesetzt werden, als von der Ampel geplant.

Demnach sind in Berlin derzeit rund 26.000 Anträge anhängig, davon 10.000 aus dem Jahr 2021. In Hamburg sind 18.000 Einbürgerungsgesuche in Bearbeitung, in München etwa 10.000. In allen anderen angefragten Großstädten stapeln sich jeweils Anträge in vierstelliger Höhe. Vier Städte machten keine Angaben.

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Gründe für die Wartezeit gibt es laut den Behörden mehrere. Zum einen sei in den vergangenen Jahren die Zahl der Einbürgerungswilligen in die Höhe geschnellt. Zugleich fehle aber Personal, um den gestiegenen Antragszahlen gerecht zu werden.

Die Verfahren werden als komplex beschrieben, weil Abfragen bei mehreren Sicherheitsbehörden gestellt werden müssen, oft auf Rückmeldungen aus den Herkunftsländern gewartet werden müsse. Mehrere Behörden berichten, dass es sehr schwer sei, Fachkräfte für die Verwaltung zu finden. Eine „enorme Fluktuation“ erschwere die Abläufe, heißt es aus Bochum. Sind doch Mitarbeiter gefunden, dauere die Einarbeitung oft Monate.

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In der Folge bildet sich vielerorts ein enormer Rückstau. Etwa in Bremen, wo derzeit nur etwa 1500 Verfahren überhaupt bearbeitet werden, während 5000 noch nicht in Angriff genommen wurden. In Dortmund warten 5000 Ausländer darauf, einen ersten Termin zu bekommen. In Wiesbaden wiederum werden erste Beratungstermine nach Angaben der Behörden innerhalb von zwei Wochen vergeben.

Allerdings schließt sich dann in der Regel eine Wartezeit von einem Jahr an, bevor es weitergeht. Ist das Verfahren in die Wege geleitet, dauert es in vielen großen Kommunen zwölf bis 18 Monate, zum Teil aber auch bis zu drei Jahre, bis die Ausländer einen deutschen Pass haben.

Immer mehr Syrer wollen Deutsche werden

„Die Situation ist schwierig, weil aktuell immer mehr Menschen etwa aus Syrien, aber auch aus weiteren Ländern den Wunsch äußern, sich in Deutschland einbürgern zu lassen“, kommentiert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages die Entwicklung. In Hamburg etwa schnellten die Anträge syrischer Staatsangehöriger von 189 im Jahr 2019 auf 1541 im Jahr 2022 in die Höhe. Gleichzeitig hätten, so Dedy, die gesetzlichen Regelungen seit 2015 „stetig und rapide“ zugenommen.

„Die ohnehin anspruchsvolle Regelungsmaterie des Staatsangehörigkeits- und Ausländerrechts hat inzwischen ein Ausmaß an Umfang und Komplexität, dass sie in der aktuellen Situation nur noch mit allergrößten Schwierigkeiten händelbar ist.“

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Ein „großes Problem“ sei, „dass klare und aktuelle Leitfäden für die Auslegung des Staatsangehörigkeitsrechts fehlen“, sagt Fabian Gülzau vom Sachverständigenrat für Integration und Migration. „Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht wurde zuletzt im Jahr 2001 überarbeitet. Aktuell müssen die Behördenmitarbeiter Gesetze interpretieren.“

Der Vorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat, Memet Kilic, kritisiert, dass die Verfahren für viele Ausländer „sehr ermüdend und unüberschaubar“ geworden seien. „Sie warten Monate oder sogar Jahre auf einen Ersttermin, bei dem dann häufig festgestellt wird, dass Unterlagen fehlen oder älter als sechs Monate sind.“

Unter oft schwierigen Umständen müssten die Menschen dann aktuelle Unterlagen bei ihren Heimatbehörden besorgen. Jeder Tag des Wartens senke die Motivation zur Einbürgerung und verwehre Migranten ihnen zustehende „Teilhaberechte“.

„erhebliche Verlängerung der Bearbeitungszeiten“

Problematisch ist die Entwicklung vor allem deshalb, weil die Bundesregierung aktuell eine große Einwanderungsoffensive plant. Künftig sollen Ausländer schon nach fünf statt bislang acht Jahren einen deutschen Pass erhalten können, gegebenenfalls nach drei Jahren.

Außerdem soll die Pflicht entfallen, den Herkunftspass bei der Einbürgerung abzugeben – was das Interesse an der deutschen Staatsbürgerschaft vor allem unter Türken erhöhen dürfte. Viele der angefragten Behörden rechnen damit, dass die Zahl der Anträge infolge der Neuregelungen um 50 oder sogar 100 Prozent steigen könnte. Mit einer „erheblichen Verlängerung der Bearbeitungszeiten“ sei dann zu rechnen, heißt es aus Frankfurt am Main.

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„Der Bund, aber auch die Länder sind hier gefordert“, sagt Städtetagspräsident Dedy. „Sie müssen die Gesetze endlich so praxisnah gestalten, dass sie vor Ort auch angewendet werden können.“ Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums weist die Kritik zurück: Auf steigende Antragszahlen hätten sich die Länder einstellen können – der Bund habe die Länder „frühzeitig“ über seine Pläne informiert.

Er verweist darauf, dass der Bund einen „digitalen Einbürgerungsantrag“ fördere. Dieser soll den Beratungsaufwand in den Ämtern reduzieren – ist aber bislang nur in wenigen Ländern im Einsatz.

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Der Landkreistag erklärt auf Anfrage, dass er die geplanten Erleichterungen bei den Einbürgerungen ablehne – allerdings aus grundsätzlichen Überlegungen. „Wir lehnen die von der Bundesregierung angestrebte generelle Absenkung der Voraussetzungen für eine Einbürgerung als zu weitgehend ab“, sagt der Präsident Reinhard Sager (CDU).

„Ein Voraufenthalt von acht beziehungsweise sechs Jahren wie bislang ist sinnvoll um sicherzustellen, dass sich die Person bereits erfolgreich in die deutsche Gesellschaft integriert hat und die Gewähr dafür bietet, die Einbürgerungsvoraussetzungen dauerhaft zu erfüllen.“

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Source: welt.de