Rekonstruktion eines Rücktritts: Warum Lambrecht nicht früher gehen durfte

Get real time updates directly on you device, subscribe now.

Es ist Freitag, der Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland hört auf den Namen Boris Pistorius. Er steht auf der Ramstein Air Base in der Pfalz. Die versammelte Weltpresse trägt dicke Mützen und Schals, Pistorius spricht in einen bunten Strauß von Mikrofonen und sagt, dass er „sein Haus“ angewiesen habe, die Verfügbarkeit von Kampfpanzern zu prüfen.

Justus Bender

Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Oliver Georgi

Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Konrad Schuller

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Wenn der Bundeskanzler entscheide, Leoparden in die Ukraine zu liefern, wolle er bereit sein. Dann beantwortet er Fragen in fließendem Englisch, souverän, manchmal schlagfertig. Eigentlich hätte hier eine andere stehen sollen: Christine Lambrecht. Stattdessen besitzt sie eine Entlassungsurkunde des Bundespräsidenten. Was ist passiert?

31. Dezember

Kurz vor Mitternacht am Silvesterabend, ist Christine Lambrecht schlecht zu verstehen. Sie steht am Frankfurter Tor in Berlin, der Wind bläst ihr ins Gesicht, hinter ihr explodieren Böller, steigen bunte Raketen in die Luft. „Mitten in Europa tobt ein Krieg“, sagt Lambrecht. „Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön.“ Das Video erscheint auf ihrem privaten Instagram-Konto. Später am Abend wird Lam­brecht auf dem Dach des Reichstagsgebäudes gesehen, wo sie das Feuerwerk anschaut. Das Video verbreitet sich mit hoher Geschwindigkeit im Internet, versehen mit empörten Kommentaren. Viele finden es „blamabel“ und „peinlich“, dass sie das Jahr der Raketenangriffe mit Silvesterraketen ausklingen ließ.

1. Januar

Die Opposition steigt in die Kritik ein. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Johann Wadephul sagt: „Das Video zeigt noch mal deutlich, dass sie die Falsche in diesem zentralen Amt ist – und das in diesen Kriegszeiten in Europa.“ Hinter den Kulissen der Bundesregierung wird viel telefoniert, Kommunikationsleute sind fassungslos. Sogar unter Abgeordneten der Ampelkoalition wird geglaubt, dass Lambrecht nicht mehr zu halten sein wird. Sie hat etwas getan, das nicht mehr vermittelbar ist, lautet die Einschätzung. Nach außen dringt das nicht, da herrscht Schweigen. „Ich sehe jetzt keinen Anlass, das zu bewerten“, sagt die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.

Arne Collatz, Leiter des Pressereferats im Verteidigungsministerium, sagt: „Die Worte der Ministerin im Video stehen für sich. Es ist nicht an mir, das zu kommentieren.“ Er schließt aus, dass für das Video dienstliche Ressourcen genutzt wurden. Er will mit dem Video also nichts zu tun haben. Lambrechts Sprecher Christian Thiels ist im Urlaub – und bleibt im Urlaub. Auch Lambrechts Partei, die SPD, schweigt erst einmal. Sie ist allein. In der Opposition wird das aufmerksam verfolgt. Normalerweise wäre Lambrecht zügig aus der ersten Reihe der SPD-Fraktion verteidigt worden. Diesmal nicht. Auch der Kanzler sagt nichts. Die Lage ist ernst.

In Schloss Bellevue erhält Lambrecht am 19. Januar ihre Entlassungsurkunde von Bundespräsident Steinmeier.

In Schloss Bellevue erhält Lambrecht am 19. Januar ihre Entlassungsurkunde von Bundespräsident Steinmeier. : Bild: Stefan Boness/Ipon

3. Januar

Lambrecht hat zwei Tage wüster Anschuldigungen hinter sich. Sie sucht das Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und sagt ihm, dass sie nicht mehr im Amt bleiben will. Was genau gesagt wurde, wissen nur die beiden. Es verbreiten sich unterschiedliche Versionen. Version 1: Lambrecht soll ein würdiger Abgang ermöglicht werden. Immerhin hat sie viel geleistet für die SPD, war Justizministerin, Parlamentarische Geschäftsführerin. Deshalb soll sie bis zum 16. Januar im Amt bleiben, damit ein verunglücktes Silvestervideo nicht das Letzte ist, das von ihr in Erinnerung bleibt. Version 2: Mit Blick auf den Terminkalender wird Lambrecht gebeten, bis Ende Februar im Amt zu bleiben. Es stehen das Treffen von westlichen Verteidigungsministern in Ramstein an, die Feierlichkeit zum Jubiläum des Elysée-Vertrags in Paris, das NATO-Verteidigungsministertreffen und die Münchner Sicherheitskonferenz. In dieser Version lehnt Lambrecht ab, sie will früher raus. Weil niemand etwas erfahren darf, weiht Scholz nur die beiden SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken ein sowie den Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich.

4. Januar

Scholz geht öffentlich nicht auf die Rücktrittsforderungen ein. Er hält an seiner Ministerin fest. Sein Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner erklärt: Der Bundeskanzler halte Lambrecht für eine „erstklassige Verteidigungsministerin“. Manche sagen, Scholz habe sie noch halten wollen. Andere bestreiten das.

7. Januar

Lambrecht wird informiert, dass der Ausfall aller 18 Puma-Panzer während einer Übung im Dezember zu einem beträchtlichen Teil an der Truppe lag. Die Ministerin hatte sich vor die Soldaten gestellt und den Herstellern Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann gedroht, keine weiteren Panzer zu bestellen. „Bevor sich das Fahrzeug nicht als stabil erweist, wird es kein zweites Los geben. Unsere Truppe muss sich darauf verlassen können, dass Waffensysteme auch im Gefecht robust und standfest sind.“ Kurz darauf wird klar: So groß sind die Schäden gar nicht. Mit einer besseren Ausbildung hätte die Truppe die Panzer reparieren können. Hat man die Ministerin nicht richtig informiert, sie in eine Falle laufen lassen? Oder hat sich Lambrecht für die Konfrontation mit der Industrie entschieden, ohne den Rat ihrer Generäle einzuholen? In Unionskreisen heißt es, Lambrecht sei sehr gekränkt gewesen, wie das Heer in dieser Sache mit ihr umgegangen ist.

Scholz, Esken und Klingbeil beraten in diesen Tagen über den Zeitplan. Sie wollen nichts vor der Jahresauftaktklausur des SPD-Parteivorstandes am 8. Januar und der SPD-Fraktionsklausur am 12. und 13. Januar entscheiden, heißt es. Noch immer haben sie keinen Nachfolger. Die Suche wird erschwert, weil sie niemanden fragen können. Derjenige könnte es ausplaudern.

Mit ihrem Silvestervideo sorgte Lambrecht allseits für Kopfschütteln.

Mit ihrem Silvestervideo sorgte Lambrecht allseits für Kopfschütteln. : Bild: christine.lambrecht/Instagram

13. Januar

Laut ZDF-Politbarometer sind sechzig Prozent der Befragten für einen Rücktritt Lambrechts. Selbst unter SPD-Anhängern sprechen sich fünfzig Prozent dafür und nur 38 Prozent dagegen aus. Die SPD-Fraktion tagt, Christine Lambrecht ist auch dabei, obwohl sie nicht im Bundestag sitzt. Sie hält eine kurze Rede über Deutschlands Führungsrolle bei der European Sky Shield Initiative. Teilnehmer berichten, sie habe nicht amtsmüde gewirkt. Allerdings wächst die Unzufriedenheit mit ihr. „Alle haben darauf gewartet, dass sie zurücktritt“, sagt ein Anwesender. Das Silvester-Video ist noch am Rande ein Thema; offiziell werden keine Personalfragen besprochen. Nachmittags trifft sich Lambrecht mit Generälen und Rüstungsmanagern, um über den Puma zu sprechen.

Die Vorstandschefs von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann sind da, außerdem der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, und der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais. Lambrecht ist aufmerksam, präsent. Sie kniet sich ins Thema, fragt nach, will wissen, welche von den vielen großen und kleinen Mängeln des Pumas die Industrie zu verantworten hat und welche die Truppe. Dort, wo die Armee ihrer Ansicht nach etwas zu korrigieren hat, nimmt sie Blickkontakt mit ihren Generälen auf. „Da müssen wir dranbleiben, meine Herren.“ Sie wirkt nicht wie jemand, der die Nase voll hat. „Wenn mir an diesem Nachmittag jemand gesagt hätte, die tritt zurück, dann hätte ich gesagt, das ist eine Ente“, sagt ein Teilnehmer.

Etwa um die gleiche Zeit werden Verteidigungspolitiker per SMS von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums informiert, dass Lambrecht wohl gehen wird. Die Politiker wissen nicht, ob sie es glauben sollen. Am Abend meldet die „Bild“-Zeitung: „Pannen-Ministerin will hinschmeißen“. Das habe die Zeitung aus dem Umfeld der Ministerin erfahren. „Die Initiative, das Amt abzugeben, kommt demnach von ihr selbst – nicht aus dem Kanzleramt.“ Niemand dementiert die Meldung. Es wird über mögliche Nachfolger spekuliert: Eva Högl, Siemtje Möller, Hubertus Heil, Lars Klingbeil und Wolfgang Schmidt.

14. Januar

Scholz eröffnet ein LNG-Terminal in Lubmin. Er wird nach Lambrecht gefragt, lächelt und sagt: nichts. Bei den Verteidigungspolitikern der Ampelkoalition klingeln die Telefone ohne Unterlass. Meist sind Journalisten am anderen Ende, die wissen wollen, was los ist, aber die Abgeordneten wissen es selbst nicht.

15. Januar

Es gibt Beratungen im Kanzleramt. Scholz bespricht sich im engsten Führungskreis mit Esken, Klingbeil und Mützenich. Sie haben immer noch keinen Ersatz für Lambrecht. Fest steht: Es braucht eine überzeugende Lösung, die sich aus sich selbst erklärt. Außerdem gibt es den Wunsch, eine Frau als Nachfolgerin für Lambrecht zu finden. Über Scholz wird gesagt, dass ihm zwei Dinge besonders wichtig sind: Loyalität und Kabinettserfahrung. Er traut jemandem, der noch nie ein großes Haus geführt hat, nicht das Verteidigungsministerium zu. Das spricht gegen Högl. Außerdem ist sie mit ihrer demonstrativen Sympathie für Panzerlieferungen an die Ukraine nicht auf Kanzlerlinie. Sie wird gar nicht erst gefragt.

Weil es sonst keine geeignet scheinende Frau gibt, überlegt die Runde eine Rochade: Warum nicht einen der männlichen Minister ins Wehrressort schicken und seinen frei werdenden Posten mit einer Frau besetzen? Eine Gesundheitspolitikerin als Ersatz für Karl Lauterbach oder eine Sozialpolitikerin auf dem Sitz von Heil, das wäre doch denkbar. Aber auch hier: überall Probleme. Was wäre die Begründung für Lauterbach als Verteidigungsminister? Dass er nach Covid nun die Russen besiegt? „Da lacht man uns doch aus“, sagt einer aus der SPD. Auch andere Namen ergeben wenig Sinn. Kanzleramtschef Schmidt ist seit vielen Jahren die rechte Hand von Scholz. Ihn aufzugeben wäre ein zu großes Opfer. Und Heil? Er gilt als guter Arbeitsminister. Sein Wechsel wäre ein schwerer Verlust für das sozialpolitische Profil der SPD. So entschließen die vier sich, einen Mann außerhalb des Kabinetts zu suchen.

Zur Truppe fand Lambrecht, hier am 12. Januar in Marienberg mit dem Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 371, Oberstleutnant Thomas Spranger, nie einen Draht.

Zur Truppe fand Lambrecht, hier am 12. Januar in Marienberg mit dem Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 371, Oberstleutnant Thomas Spranger, nie einen Draht. : Bild: AFP

Klingbeil gilt als Soldatenversteher und wird schon als heißer Tipp gehandelt. Andererseits: Ein SPD-Chef als Untergebener des Kanzlers – mit diesem Modell hat die SPD unter Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder traumatische Erfahrungen gemacht. Und was würde dann aus Saskia Esken? Wäre sie Vorsitzende zweiter Klasse? So blickt das Quartett in die Länder, und mehr als nur einer kommt auf Boris Pistorius, den niedersächsischen Innenminister. Der ist zwar weder eine Frau noch ein Verteidigungsfachmann, aber er führt ein großes Haus, und als Polizeiminister beherrscht er diesen speziellen Männerton, der bei der Bundeswehr die Dinge ein wenig leichter macht. Schnell ist Pistorius die Nummer eins auf der Kandidatenliste.

Der SPD-Vorsitzende Klingbeil gibt am Abend ein Interview im ZDF. Den bevorstehenden Rücktritt von Lambrecht kommentiert er nicht, betont jedoch: „Wir entscheiden, was zu entscheiden ist.“ Die Nochministerin Lambrecht geht mit ihren Parteifreunden Matthias Miersch und Bärbel Bas sowie ihrem Sohn italienisch essen.

16. Januar

Lambrecht veröffentlicht ihre Rücktrittserklärung: „Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu.“ Unter den übrigen Bundesministern wird das mit Kopfschütteln aufgenommen. Hätte Lambrecht Fehler eingestanden oder auch nur angedeutet, wäre es vielen leichter gefallen, ihr Respekt zu zollen.

Scholz besucht das Rüstungsunternehmen Hensoldt. Er weiß schon, dass er Pistorius will, sagt es aber noch nicht. „Wir werden das dann auch rechtzeitig bekannt geben.“ In der SPD-Fraktion sind jetzt viele verwundert über das lange Schweigen des Kanzlers. „Eine zweitägige Hängepartie zuzulassen, das ist ungewöhnlich“, sagt einer. Aber es gibt auch Verständnis, dass er „hanseatisch-kühl“ erst einmal alles abwägt. Die Anforderungen an Lambrechts Nachfolge seien schließlich extrem hoch, man dürfe sich keinen Fehlgriff mehr erlauben. „Christine hat es nicht gut gemacht“, sagt jemand. „Wenn der Neue das jetzt auch nicht gut macht, wird das ein Problem für die ganze Partei.“ Jetzt erst ruft Scholz bei Pistorius an. Der ist bereit, Verteidigungsminister zu werden.

17. Januar

Um 13.41 Uhr tritt Pistorius vor die Kameras in Hannover. Er sagt, dass der Anruf des Bundeskanzlers „sehr überraschend“ kam, und spricht darüber, die Bundeswehr „stark machen“ zu wollen. Als Journalisten Fragen stellen, macht Pistorius seinen ersten Fehler. Er sagt: „Das Bundesverteidigungsministerium ist schon in zivilen, in Friedenszeiten eine große Herausforderung. Und in Zeiten, in denen man als Bundesrepublik Deutschland an einem Krieg beteiligt ist, indirekt, noch einmal besonders.“ Bisher hatte Deutschland gegenüber Russland stets betont, nicht Kriegspartei zu sein. In Oppositionskreisen sprechen sie von einer Steilvorlage für die russische Propaganda.

Um 13.42 Uhr sagt Scholz in Brandenburg an der Havel: „Ich habe Boris Pistorius gebeten, Bundesminister der Verteidigung zu werden. Er ist nicht nur ein Freund und ein guter Politiker, sondern auch jemand, der über sehr, sehr viele Erfahrungen in der Sicherheitspolitik verfügt.“

Die SPD-Fraktion tagt bis in den Abend. Scholz, Esken und Klingbeil informieren über die Entscheidung. Die Abgeordneten murren nicht über das Verfahren. Sie haben zwar tagelang alles nur aus der Zeitung erfahren und den Spott der Opposition ertragen, aber Kritik am Kanzler gibt es nicht. Jeder hat seine Rolle. Und die Ministerwahl ist nicht ihre Sache, das wird respektiert. Dass Scholz ein zentrales Versprechen gebrochen hat, nämlich gleich viele Männer und Frauen in sein Kabinett zu berufen, ist nur kurz Thema.

Nun ruhen die Hoffnungen der Bundeswehr auf Lambrechts Nachfolger Boris Pistorius.

Nun ruhen die Hoffnungen der Bundeswehr auf Lambrechts Nachfolger Boris Pistorius. : Bild: Imago

19. Januar

Die Flügeltür mit den Messingknäufen geht auf, nebeneinander treten Christine Lam­brecht und Boris Pistorius in den Saal im Schloss Bellevue. Zwei Schritte hinter ihnen folgen Scholz und Steinmeier. Pistorius hält den Blick gesenkt, legt einen Augenblick lang den Finger an den Nasenflügel, dann nimmt er den vorgesehenen Platz auf dem Teppich ein, blickt kurz in die Runde, dann zu Steinmeier, der am Pult neben der Standarte des Bundespräsidenten steht. Lambrecht schaut auf einen unbestimmten Punkt in mittlerer Entfernung, als interessiere sie etwas an der Luft über dem Publikum. Auch als Steinmeier zu reden beginnt, bleibt ihr Blick noch kurz dort hängen, dann scheint sie wahrzunehmen, dass das Staatsoberhaupt spricht. Als alle an ihrem Platz sind, dreht sich der Kopf des Kanzlers kurz zu Lambrecht und Pistorius. Er nickt kaum merklich.

Steinmeier beginnt: „Der 24. Februar 2022 hat die Ukraine, aber auch Deutschland in eine überwunden geglaubte Zeit gestürzt, in eine Zeit des Krieges und der Unsicherheit.“ Dann folgt das Staatsprotokoll. Steinmeier, jetzt ganz Notar, verliest die Entlassungs- und die Ernennungsurkunden, Lambrecht und Pistorius nähern sich von links und bekommen ihre mit goldenen Adlern geschmückten Mappen ausgehändigt. Dann ist es vorbei, Steinmeier ist plötzlich jovial. Kurz schaut er alle an, sagt: „Machmer vor dem Pult, ne?“ Die vier stellen sich in einer Reihe vor die Fotografen, die Kameras klicken. Pistorius presst die Kinnladen zusammen, seine Pupillen scannen jetzt in gespannter Aufmerksamkeit den Pulk der Presse. Dann halbe Drehung, alle zusammen verlassen wortlos den Saal.

Pistorius muss weiter in den eineinhalb Kilometer entfernten Bundestag. Kurz nach neun ruft Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ihn auf, alles erhebt sich. Sie hält ihm eine Mappe mit der Eidesformel vor, er spricht den kurzen Text, ohne aufs Blatt zu sehen. Dann wendet er sich nach rechts zur Regierungsbank und wird mit Händeschütteln von den neuen Kollegen empfangen. Viel Zeit hat er dafür nicht. Ein kurzes Telefonat mit dem französischen Verteidigungsminister, dann rauscht er ab. Im Bendlerblock wartet schon der Amerikaner Lloyd Austin.

Source: faz.net