New Yorker Altmeisterauktionen: Aufbruch in die neue Welt

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Refrainartig hebt seit Jahren die Klage vom Niedergang des Markts für Alte Meister an. Immer wieder werden dieselben Gründe genannt: Wissensverlust, Materialknappheit und eine den Markt für Moderne und Zeitgenossen anheizende Spekulationsgier, die das langsamere Tempo bei der älteren Kunst scheut. In London kommt der Brexit hinzu, wobei zusätzliche Einfuhrkosten, überbordende Bürokratie und Verzögerungen beim Transport alle Sparten betreffen. Die Entscheidung des Basler Messebetreibers MCH, die seit 2010 im Juni, der traditionellen Londoner Hochsaison des Altmeisterhandels, stattfindende Masterpiece-Messe für Kunst und Antiquitäten dieses Jahr ausfallen zu lassen, und die Streichung der Sommermesse in Olympia nähren die Sorgen um das Altmeistergeschäft und den Standort London als Zentrum des europäischen Markts.

Gina Thomas

Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.

Dass die beiden großen Auktionshäuser im Januar in New York mit einem qualitativ wie quantitativ deutlich stärkeren Angebot antreten als im Dezember in London, deuten Schwarzmaler als weiteres Läuten der Sterbeglocke. Doch oft ist es bloß der Wohnsitz des Einlieferers, der den Verkaufsstandpunkt bestimmt. Viele Spitzenlose kommen dieses Mal aus amerikanischem Besitz, darunter am 25. Januar bei Christie’s William Turners Huldigung an den Dichter Alexander Pope anlässlich der Zerstörung von dessen Villa (Taxe bis vier Millionen Dollar) sowie Canalettos mit bis zu 3,5 Millionen Dollar taxierte Ansicht der Rialto-Brücke aus dem Nachlass des Microsoft-Mitgründers Paul Allen.

Taxiert auf bis zu 3,5 Millionen Dollar: Canalettos Ansicht der Rialto-Brücke in Venedig aus dem Jahr 1740, Öl auf Leinwand, 99,1 mal 129,5 Zentimeter

Taxiert auf bis zu 3,5 Millionen Dollar: Canalettos Ansicht der Rialto-Brücke in Venedig aus dem Jahr 1740, Öl auf Leinwand, 99,1 mal 129,5 Zentimeter : Bild: Christie’s

Trotz aller Unkenrufe gibt es Grund zur Hoffnung. Der amerikanische Immobilienunternehmer Mark Fisch und Jacques-Louis Isoz, Spross einer Schweizer Konditorenfamilie, aus deren Sammlungen bei Sotheby’s bedeutende Werke zum Aufruf kommen, sprechen gegen das Argument, dass es mangelnder Kenntnis wegen keinen Sammlernachwuchs auf diesem Gebiet gebe. Der 2015 verstorbene Isoz war 15 Jahre alt, als er in Rouen bei seiner Ausbildung zum Konditor die Passion für Pastellmalerei entdeckte, die er später durch den Handel finanzierte.

Unter den zwei Dutzend Blättern aus seiner Sammlung, die in der gut bestückten Zeichnungsaktion am 25. Januar angeboten werde, ragen Rosalba Carrieras Por­trät des englischen Gelehrten Joseph Spence (40.000/60.000) und das mit Apfelstillleben Jean-Étienne Liotards heraus (bis 1,8 Millionen). Isoz hatte ein Bildnis Jean-Baptiste Perronneaus an das Getty Museum verkauft, um sich diese Trophäe leisten zu können.

Wieder aufgetaucht: Peter Paul Rubens’ Gemälde Salomes, die sich den Kopf von Johannes dem Täufer zeigen lässt, 1609, Öl auf Eichenholz, 94 mal 101,8 Zentimeter, bei Sotheby’s taxiert auf bis zu 35 Millionen Dollar

Wieder aufgetaucht: Peter Paul Rubens’ Gemälde Salomes, die sich den Kopf von Johannes dem Täufer zeigen lässt, 1609, Öl auf Eichenholz, 94 mal 101,8 Zentimeter, bei Sotheby’s taxiert auf bis zu 35 Millionen Dollar : Bild: Sotheby´s

Mark Fisch hat das Parkett Mitte der Neunzigerjahre als Neuling betreten und sich das Wissen angeeignet, um eine Sammlung von Barockgemälden aufzubauen, von der Sotheby’s behauptet, sie sei in heutiger Zeit unübertroffen. Der durch die Scheidung von Rachel Davidson bedingte Verkauf von zehn auf einen Gesamtwert von bis zu 60 Millionen Dollar geschätzten Bildern am 26. Januar umfasst neben Werken von Orazio Gentileschi, Georges de La Tour und Valentin de Boulogne auch Rubens’ blutrünstige Salome mit dem Kopf des Täufers aus dem Jahr 1609. Das Bild galt bis 1987 als verschollen. 1998 erzielte es mit 5,5 Millionen Pfund den vier Jahre später durch den Erlös von 49,5 Millionen Pfund für den „Bethlehemitischen Kindermord“ spektakulär übertroffenen Rubens-Rekord. Sotheby’s setzt den Preis der Salome bei 25 Millionen bis 35 Millionen Dollar an.

Neu- oder Wiederzuschreibungen, wie das restituierte Bronzino-Porträt bei Sotheby’s beflügeln den Markt ebenso wie aus der Versenkung aufgetauchte Gemälde. Dazu gehört die in einer Scheune aufgefundene Ölskizze des „Heiligen Hieronymus“ von der Hand Anthonis van Dycks, von der sich Sotheby’s zwei bis drei Millionen Dollar verspricht.

Source: faz.net