Die Stadtwerke sind am Limit – für Bürger könnte es noch teurer werden
Kunden des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Augsburg haben die Probleme der Stadtwerke schon Anfang des Jahres zu spüren bekommen. Um rund zehn Prozent hat der Augsburger Verkehrsverbund (AVV), der von den Stadtwerken mit rund 40 Millionen Euro pro Jahr bezuschusst wird, die Ticketpreise erhöht.
Auch am anderen Ende der Republik, in Osnabrück, haben die Stadtwerke immer weniger Geld für die Subventionierung von Bus und Bahn. Die Folgen sind dieselben wie in Bayern. So heben auch die Stadtwerke Osnabrück die Ticketpreise für den Personennahverkehr mit Beginn des neuen Jahres an.
Die Stadtwerke waren im vergangenen Jahr die Sorgenkinder der heimischen Energieversorgung. Durch den explosionsartigen Anstieg der Energie- und Gaskosten infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind sie gleich von zwei Seiten unter Druck geraten.
Die Einkaufskosten sind exorbitant gestiegen. Gleichzeitig mussten die Stadtwerke die Zahlungsausfälle von Kunden fürchten, die die gestiegene Strom- und Gasrechnung nicht mehr bezahlen können. Ausfallquoten von bis zu 20 Prozent wurden erwartet. Normal wäre eine Quote von 2,5 Prozent.
Mittlerweile scheinen die Stadtwerke die Krise größtenteils bewältigt zu haben. Mit Einführung der Gas- und Strompreisbremse durch die Bundesregierung und dem Rückgang der Großhandelspreise für Energie sind auch die Insolvenzszenarien für die kommunalen Versorger verblasst.
Doch auch wenn die finanzielle Schieflage vieler Stadtwerke abgewendet ist: Gewinne wie in den Jahren vor dem Krieg werden viele von ihnen in diesem Jahr keine erwirtschaften. Verbände warnen nun, dass damit wichtige Fördermittel für den Personennahverkehr und andere kommunale Einrichtungen fehlen.
Stadtwerke unter Finanzierungsdruck
So weist Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, darauf hin, dass Stadtwerke nicht nur Versorger für Gas und Strom sind, sondern auch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und Schwimmbäder betreiben. „Das passiert im Querverbund, der teilweise über die Erlöse der Stadtwerke finanziert wird. Und diese Erlöse sind durch die Energiekrise trotz Gaspreisbremse erst mal weg“, sagte Landsberg gegenüber WELT.
Bislang seien die Gewinne der Stadtwerke laut Landsberg in defizitäre Bereiche wie Schwimmbäder oder den ÖPNV investiert worden. „In dem bisher gewohnten Umfang wird das – zumindest mittelfristig – nicht mehr möglich sein“, so Landsberg. Noch seien die Folgen davon in den Schwimmbädern und dem ÖPNV nur vereinzelt spürbar. „Aber das wird mit einer gewissen Verzögerung sehr deutlich bei den Kunden dieser Einrichtungen ankommen. Wir können nicht ausschließen, dass Fahrpläne ausgedünnt werden oder es zu einer Preisdynamik kommt“, so Landsberg.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) teilt die Einschätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. „In der Tat ist es heute oft so, dass das ÖPNV-Angebot, dessen Ticketpreise ja aus sozialpolitischen Erwägungen oft günstiger gehalten werden, aus der Stadtkasse bzw. aus den Gewinnen der Energieunternehmen quer finanziert wird“, heißt es vom VDV. Je größer der Kostendruck auf die Stadtwerke wird, desto mehr würde diese Art der Finanzierung unter Druck geraten.
Welche konkreten Konsequenzen die versiegenden Gewinne der Stadtwerke auf den öffentlichen Personennahverkehr haben, lässt sich laut VDV nicht pauschal beantworten. So würden Ticketpreise in der Regel nicht von einzelnen Städten, sondern innerhalb eines ganzen Verkehrsverbundes gemeinsam mit der zuständigen Politik festgelegt werden. Statt einer generellen Erhöhung der Ticketpreise drohe laut VDV daher „eher die Ausdünnung des Angebots“ oder die Verschiebung oder Aussetzung von „eigentlich nötigen Ausbaumaßnahmen des ÖPNV“.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) teilte mit, dass Stadtwerke „eine tragende Säule zur Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge vor Ort“ seien. So würden Stadtwerke die Verluste im ÖPNV bzw. den Hallen- und Freibädern ausgleichen. Das geschehe entweder direkt via steuerlichen Querverbund oder indem die Stadtwerke ihre Gewinne an den kommunalen Haushalt ausschütten würden.
Auswirkungen auf die kommunale Bäderlandschaft
Das Risiko möglicher Zahlungsausfälle der Kunden von Stadtwerken sieht der VKU durch die staatlichen Preisbremsen bei Energie als reduziert an. Allerdings blieben die Risiken von drohenden Liquiditätsengpässen und gestiegenen Sicherheitsleistungen im Terminhandel bestehen.
Entsprechend würden sich die Stadtwerke auf ihr Kerngeschäft, also die Versorgung ihrer Kunden mit Strom, konzentrieren. „Das kann zur Folge haben, dass Investitionen auf Eis gelegt werden und auch die Kommunen mit Bädern und ÖPNV betroffen sind“, heißt es vom VKU.
Für den Fall einer Zuspitzung der Lage, die weniger Geld für den Betrieb und Investitionen in die Bäder lasse, rechnet der VKU mit „erheblichen“ Auswirkungen auf die kommunale Bäderlandschaft. So würden sich die kommunalen Bäder bereits mit einer toxischen Mischung aus den Krisen der vergangenen Jahre konfrontiert sehen.
Verlustgeschäft und jahrelanger Sanierungsstau vermengen sich mit herben Verlusten durch den nur eingeschränkten Bad-Betrieb während der Corona-Pandemie. Die aktuelle Energiekrise und die angespannte Lage der Stadtwerke könnten der „letzte Tropfen sein, der das Fass vielerorts zum Überlaufen bringt“. So könnten steigende Energiepreise und weniger Gewinn bei den Stadtwerken laut VKU letztendlich dazu führen, dass Bäder nicht mehr betrieben werden können und daher geschlossen werden müssen.
Für den Bereich des ÖPNV warnt Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, dass die Einführung des 49-Euro-Tickets die finanzielle Lage für die Verkehrsbetriebe noch weiter verschärfen könnte. „Deshalb bin ich in Bezug auf das 49-Euro-Ticket sehr kritisch und habe darum gekämpft, dass die Ausfälle der Verkehrsbetriebe in kommunaler Trägerschaft vom Bund und den Ländern übernommen werden“, sagte Landsberg. Laut dem Hauptgeschäftsführer müsse man den Menschen sagen, dass nicht alles, was wünschenswert ist, auch finanzierbar sei.
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Source: welt.de