Einigung über Panzer: „Deutschland bedurfte unserer Führung“

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Herr Abgeordneter, nach Monaten der Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine lautet die Lösung: 31 amerikanische Abrams für das Ende der deutschen Blockade, Leopard 2 zu liefern. Rückblickend lag eine solche Lösung doch nahe. Warum musste man darüber solange streiten?

Majid Sattar

Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.

Es geht darum, zwei Ziele, die Präsident Biden und die Verbündeten sich gesetzt haben, in ein Gleichgewicht zu bringen. Erstens: Der Ukraine als souveränem und demokratischem Staat zu helfen, sich zu verteidigen. Zweitens: Einen dritten Weltkrieg zu verhindern. Das ist ein schwieriger Balanceakt, den alle Verbündeten zu vollziehen versuchen: die Ukraine zu unterstützen, aber eine direkte Konfrontation mit Russland zu vermeiden. Bei jedem neuen Waffensystem, das geliefert wird, geht es darum, das Eskalationsrisiko abzuwägen.

Der Konflikt darf nicht nuklear werden. Deutschland ist in diesem Balanceakt besonders sensibel: Die Deutschen verweisen darauf, dass der Konflikt für sie näher ist als für uns. Und sie konzentrieren sich seit gut sieben Jahrzehnten darauf, eine friedliche Nation zu sein. Nach meiner Wahrnehmung wollten sie daher nicht die ersten sein, die Kampfpanzer liefern. Auf unserer Seite war das Problem, dass der M1-Abrams-Panzer sich auf dem Schlachtfeld nicht so leicht einsetzen lässt wie der Leopard 2. Da geht es um Treibstoff und Ersatzteile. Kurzum: Es ist kompliziert. Daher waren wir nicht sicher, ob dies die richtige Antwort ist. Aber Deutschland bedurfte unserer Führung, um selbst in der Lage zu sein, deutsche Kampfpanzer zur Verfügung zu stellen. Deshalb haben wir die Führung übernommen.

Adam Smith war bis vor wenigen Wochen Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des amerikanischen Repräsentantenhauses. Seitdem die Republikaner die Kontrolle über die Kammer übernommen haben, ist der Demokrat Obmann seiner Fraktion in dem Ausschuss. Seit 1997 vertritt der Abgeordnete seinen Wahlkreis, der Teile Seattles umfasst, in Washington.

Adam Smith war bis vor wenigen Wochen Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des amerikanischen Repräsentantenhauses. Seitdem die Republikaner die Kontrolle über die Kammer übernommen haben, ist der Demokrat Obmann seiner Fraktion in dem Ausschuss. Seit 1997 vertritt der Abgeordnete seinen Wahlkreis, der Teile Seattles umfasst, in Washington. : Bild: Mauritius

Es gibt da zwei Perspektiven: Einerseits hat Amerika Führungsstärke gezeigt und über die technischen Probleme hinweggesehen, um die deutsche Entscheidung zu befördern. Andererseits kann man argumentieren, dass Scholz mit seinem Insistieren, im Gleichschritt vorzugehen, die Amerikaner zum Handeln gedrängt hat. Hat er aus dem Hintergrund geführt?

Aus dem Hintergrund geführt? Die Formulierung hasse ich. Es ist einfach kompliziert, Geschlossenheit im Bündnis zu wahren. In Demokratien müssen die Regierenden nun einmal um Zustimmung für ihre Politik werben. In diesem Fall wollte Deutschland nicht, dass Teile seiner Bevölkerung sagen, die Regierung eskaliere den Konflikt. Amerika zu folgen, ist da politisch einfacher. Insofern haben beide Seiten eine gute Lösung gefunden. Wäre es besser gewesen, wenn wir diese früher gefunden hätten? Sicher. Aber man sollte nicht aus den Augen verlieren: Amerika und Deutschland haben im Laufe des vergangenen Jahres mit anderen Partnern in außergewöhnlichem Umfang Militärhilfe für die Ukraine geleistet. Deshalb kann man ganz selbstbewusst sagen, dass Amerika und Deutschland beide von vorne führen – und nicht von hinten.

War Scholz’ Weigerung, alleine voran zu marschieren, nicht auch Ausdruck eines gewissen Misstrauens Amerika gegenüber, was die Beistandsverpflichtung anbelangt? Wollte er sicherstellen, nicht isoliert dazustehen, falls Wladimir Putin den Krieg ausweitet? Möglicherweise ist dies eine Folge der Trump-Präsidentschaft.

Misstrauen ist zu viel gesagt. Aber in jeder Partnerschaft geht es um gegenseitige Interessen. Und neben den gemeinsamen Interessen hat man immer auch noch Eigeninteressen. Insofern geht es um kluges Navigieren. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass Deutschland unsere Verpflichtungen in der NATO in Frage stellt.

Angesichts des deutschen Zögerns, eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen: Verfügen die USA über genug Durchhaltevermögen in der Auseinandersetzung mit Russland? Teile der Republikaner sind doch sehr skeptisch gegenüber der Ukraine.

Ja, davon bin überzeugt. Es gibt fraktionsübergreifende Unterstützung dafür, das Bündnis anzuführen. Die Rolle, die Putins Russland in der heutigen Zeit spielen will, kann nicht akzeptiert werden. Es ist nicht so, als hätte Putin keine Wahl. Er muss nicht der Aggressor sein, der seine Nachbarn unterjocht. Damit er das versteht, müssen wir ihm klarmachen, dass er damit keinen Erfolg haben wird.

Aber noch mal zurück zu den Repu­blikanern: Muss Europa sich darauf einstellen, der Ukraine künftig mehr Militärhilfe zu leisten? Kevin McCarthy hat schließlich gesagt, es gebe keinen Blankoscheck für Kiew.

Ich mag die Formulierung: Prognosen sind schwierig, besonders wenn es um die Zukunft geht. Wir haben jedenfalls gerade ein großes Hilfspaket beschlossen. Und viele andere Verbündete auch. Das ist ein starkes Signal nicht nur Amerikas und Deutschlands, sondern des gesamtes Bündnisses von mehr als fünfzig Staaten, dass wir zur Ukraine halten und Russland davon abhalten, es von der Landkarte auszuradieren. Ich finde, es ist eindeutig, das Bündnis ist stärker als je zuvor. Wenn Sie mich danach fragen, wie es in einem Jahr aussieht, ich weiß es nicht. Im Moment sind wir stark und geschlossen.

Wie wird Präsident Wolodymyr Selenskyj die Kampfpanzer einsetzen – nur zur Abwehr der erwarteten Frühjahrsoffensive der russischen Streitkräfte, oder wird er auch versuchen, russische Stellungen auf der Krim anzugreifen?

Ich werde öffentlich nicht über Schlachtpläne reden. Aber die Kampfpanzer sind nicht dafür da, die Krim zurückzuerobern. So viel weiß ich.

Scholz meidet die Formulierung, dass die Ukraine den Krieg gewinnen muss. Er sagt nur, dass Russland den Krieg nicht gewinnen darf. Er bringt so zum Ausdruck, dass es irgendwann zu Verhandlungen kommen muss, ohne es offen auszusprechen.

Ich stimme zu. In bewaffneten Konflikten ist es ohnehin eine zu simple Vorstellung, davon zu sprechen, einen Krieg zu gewinnen. Was es bedeutet, zu gewinnen, definiert jeder anders. Die Formulierung kann also zu Missverständnissen führen. Daher unterstütze ich den deutschen Kanzler in seinen vorsichtigen und präzisen Äußerungen. Wir sagen allerdings: Es muss ein strategisches Scheitern für Russland werden. Was heißt das mit Blick auf den genauen Grenzverlauf der Ukraine?

Ich glaube nicht, dass wir das im Detail erörtern müssen. Alle Mitglieder des Bündnisses wollen eine Verhandlungslösung. Aber derzeit ist Russland nicht an Verhandlungen interessiert. Der einzige Weg, das zu erreichen, ist es, Putin klarzumachen, dass er keinen Erfolg haben wird mit seinem Ziel, die Ukraine von der Landkarte auszuradieren. Das ist der erste Schritt. Den nächsten Schritt kenne ich noch nicht. Aber was die Ukraine vor vier, fünf Monaten gemacht hat, als sie Russland aus Charkiw und Cherson verdrängt hat, war ein sehr positiver Schritt, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Source: faz.net