Verwirrspiel um Hochstapler: George Santos hat einen neuen Finanzchef – nur will der davon nichts wissen
Verwirrspiel um Hochstapler George Santos hat einen neuen Finanzchef – nur will der davon nichts wissen

Die Tür schließt sich langsam: George Santos, republikanischer Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus, gerät angesichts neuer Enthüllungen immer mehr unter Druck
© Rod Lamkey / Imago Images
Das Verwirrspiel um den Republikaner George Santos geht in die nächste Runde: Unter der Woche gab seine Wahlkampagne einen neuen Finanzchef bekannt, der umgehend seine Berufung dementierte. Jetzt schaltet sich auch eine Bundesbehörde ein.
George Santos hat das geschafft, wovon viele Nachwuchspolitiker in den USA träumen: sein Name schafft es regelmäßig in die Schlagzeilen großer Zeitungen und TV-Stationen. Doch die Art und Weise dürfte dem 34-Jährigen und seinen Republikanern alles andere als gefallen. Immer mehr Ungereimtheiten aus dem Lügengebilde, das Santos um seine Wahl ins Repräsentantenhaus aufgebaut hat, kommen ans Licht. Und auch mit den jüngsten Meldungen schafft es der Hochstapler, für mehr Verwirrung denn Aufklärung zu sorgen.
So sorgte die Neubesetzung des Finanzchefs seiner politischen Kampagne unter der Woche für Aufsehen: Am Mittwoch teilte Santos Wahlkampagne den Behörden in Washington mit, dass diese Stelle mit Thomas Datwyler besetzt wurde und Nancy Marks ablösen werde. Problem dabei: Datwyler selbst hatte den Job da bereits abgelehnt. “Wir haben Santos’ Kampagne am Montag darüber informiert, dass Herr Datwyler nicht den Job als Finanzchef antreten wird”, teilte Datwylers Anwalt Derek Ross mit. Es mache den Anschein, als würde es zwischen der Unterhaltung am Montag und dem Einreichen der Unterlagen am Mittwoch ein Kommunikationsproblem gegeben haben, so Ross weiter. Unklar bleibt, ob Santos selbst die Neubesetzung in Auftrag gegeben hat.
George Santos: US-Behörde droht mit Strafanzeige
Für Santos, seine Kampagne und fünf mit Santos verbundene politische Fundraiser, die ebenfalls Datwyler als neuen Finanzchef angaben, ist das Fehlen eines Finanzchefs das nächste Debakel. Die Richtlinien der US-Behörden sehen vor, dass eine Kampagne nur dann Geld ausgeben oder durch Spenden einsammeln darf, wenn es einen Finanzchef gibt. Nur dieser darf alle finanziellen Beiträge zur Kampagne sammeln und nur der Finanzchef oder eine von ihm beauftragte Person darf Ausgaben bewilligen. Warum sich Santos von Nancy Marks trennte, ist bislang unklar. Marks war bereits bei Santos erster Bewerbung für das Repräsentantenhaus Finanzchefin seiner Kampagne, beide sind laut “New York Times” auch gemeinsam in einem von Santos’ Unternehmen aktiv. Marks wollte sich unter der Woche nicht zu den Entwicklungen äußern. Santos’ Anwalt Joe Murray gab gegenüber der “New York Times” nur an, dass er “keine Antworten auf die Fragen” habe.
Das Wirrwarr um den neuen Finanzchef hat derweil auch die Federal Election Commission (FEC) auf den Plan gerufen, die als Bundesbehörde die Wahlkampffinanzierung reguliert. Am Donnerstag schickte die FEC einen Brief an Santos und Datwyler, mit der Bitte um Aufklärung. “Der FEC ist aufgefallen, dass die Angaben auf der ‘Treasurer Information’ nicht wahrheitsgemäß, korrekt oder vollständig ausgefüllt wurden”, heißt es gleich zu Beginn des Briefes. Bis Anfang März müssen nun die vollständigen Unterlagen eingereicht werden, denn sonst droht Santos weiterer Ärger. “Wer wissentlich und absichtlich falsche, fiktive oder betrügerische Angaben gegenüber einer US-Behörde macht”, dem droht eine Strafanzeige, erklärt die FEC in dem Brief.
Datwylers Anwalt Derek Ross ist bemüht, für seinen Mandanten die Sache aus der Welt zu schaffen. Er sei im engen Austausch mit der FEC, es habe “eine Fehlkommunikation oder irgendetwas anderes gegeben”, sagte Ross gegenüber “CNBC” am Freitag. Im Austausch mit Santos oder seiner Wahlkampagne sei er nicht, da das wie vergeudete Zeit auf ihn wirke. “Wenn Sie wissen, wer denn da überhaupt gerade das Sagen hat und ihn zu greifen bekommen, lassen Sie es mich wissen”, erklärte Ross.
McCarthy möchte Ermittlungen abwarten
George Santos ist seit Mitte Dezember stark in die Kritik geraten. Der 34-Jährige hatte im November überraschend das Mandat für den New Yorker Wahldistrikt 03 gewonnen und war für die Republikaner in das Repräsentantenhaus eingezogen. Im Nachhinein stellte sich jedoch heraus, dass Santos seinen Lebenslauf stark geschönt hatte. Die Angaben über das Studium an zwei New Yorker Universitäten war ebenso gelogen, wie Anstellungen bei den beiden Wall-Street-Unternehmen Goldman Sachs sowie der Citi Group. Obwohl Santos viele der Lügen mittlerweile zugegeben hat, tauchen immer wieder neue Ungereimtheiten auf: Zuletzt geriet die Finanzierung der Wahlkampagne, der Santos angeblich 705.000 Dollar aus eigener Tasche beisteuerte, in den Fokus.
Ungeachtet dessen hält Kevin McCarthy, Fraktionsvorsitzender der Republikaner und Sprecher im Repräsentantenhaus, weiter an Santos fest. Doch auch diese Unterstützung scheint zu bröckeln. McCarthy wolle das Ergebnis einer möglichen Untersuchung durch das Ethikkomitee des Repräsentantenhauses abwarten. Wenn die Untersuchung ergebe, dass “George Santos das Gesetz gebrochen hat, dann muss er gehen”, erklärte McCarthy. Bis dahin gelte aber weiterhin die Unschuldsvermutung. Für McCarthy, dessen Republikaner nur eine hauchdünne Mehrheit im Kongress haben und untereinander extrem zerstritten sind, wäre der Verlust von Santos schmerzhaft. Denn gibt Santos sein Amt ab, ist kein unmittelbarer Nachrücker aus den Reihen der Republikaner in Sicht. Stattdessen gäbe es Neuwahlen im Wahldistrikt von Santos und die Möglichkeit für die Demokraten, einen weiteren Sitz zu erobern.
Quellen: New York Times, Washington Post, CNBC, FEC
Source: stern.de