Woran sich der FC Bayern nun gewöhnen muss

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Es war eigentlich alles gesagt. Beide Seiten hatten ihre Standpunkte verdeutlicht, und auch außerhalb des Bayern-Kosmos‘ hatte jeder, der sich berufen fühlte, das Wochenende genutzt, um seine Meinung kundzutun. Manuel Neuers Kritik am Verhalten des Klubs und die Konter der Verantwortlichen beherrschten die Schlagzeilen rund um die Bundesliga. Das 4:2 der Münchner am Sonntagabend in Wolfsburg warf so viele Fragen auf, dass die 90 Minuten nicht nur den 19. Spieltag, sondern eben auch die Akte Neuer beschlossen zu haben schienen. Zumindest vorerst. Dann kam Lothar Matthäus.

Manuel Neuer ist als Kapitän des FC Bayern nicht mehr tragbar“, schrieb der deutsche Rekord-Nationalspieler in seiner Kolumne bei TV-Sender „Sky“. Eine Forderung ohne Wenn und Aber, die der 61-Jährige sogleich begründete: „Er ist fahrlässig Ski gefahren und gibt jetzt noch ein unautorisiertes Interview, bei dem er den Klub aufs Schärfste attackiert. Hatte er nicht selbst noch vor ein paar Wochen gesagt, dass keiner über dem Verein stehe? Und jetzt das.“

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Sollte es tatsächlich noch jemanden geben, der nicht mitbekommen hat, weshalb die Bayern einen Monat vor den Oscar-Verleihungen wieder als FC Hollywood durch Liga und Pokal tingeln, kurz der Plot: Neuer, nach seinem Beinbruch noch lange außer Gefecht, hatte in einem Interview die Klubführung für die Trennung von seinem langjährigen Torwarttrainer, Vertrauten und Trauzeugen Toni Tapalovic verbal angegriffen. Ihm sei dadurch, das „Herz rausgerissen“ worden. Vorstandschef Oliver Kahn konterte mit harscher Kritik und kündigte „deutliche Gespräche“ an. Sportvorstand Hasan Salihamidzic schlug in dieselbe Kerbe. Torhüterkollegen sprangen dem Schlussmann zur Seite, andere in die Parade. Die Trennung von einem zuvor kaum bekannten Torwarttrainer geriet zum Politikum, das für einige sogar ausreichte, um die Wachablösung im deutschen Tor zu fordern.

Frankfurt first: Markus Krösche, Sportvorstand der Eintracht
Frankfurt first: Markus Krösche, Sportvorstand der Eintracht
Quelle: dpa/Christian Kolbert

„Das sind Themen, die dürfen nicht passieren. Letztlich dürfen sich Einzelne nicht über den Klub stellen. Das darf kein Spieler der Welt“, sagte Eintracht Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche bei „Bild“ und beantwortete die Frage, ob Frankfurts Kevin Trapp jetzt die neue Nummer eins im Tor der deutschen Auswahl werden müsse, direkt mit: „Ja, das würde ich sagen. Was seine Leistungen betrifft, ist er derzeit der beste deutsche Torwart.“ Mancher versucht die Aufregung ebenso gut es geht für seine eigenen Zwecke zu nutzen.

Matthäus, Neuer und Schalke 04

„Ich find’s immer gut, wenn sich um den FC Bayern etwas rührt. Das heißt, dass der Klub und die Spieler immer noch interessant genug sind, dass sie für große Stories herhalten. Und an sich wollen wir das ja auch. Aber wir wollen natürlich über die sportlichen Dinge die Medien dominieren“ sagte Bayern-Angreifer Thomas Müller wenige Stunden später nach dem Abpfiff des Sieges in Wolfsburg, mit dem die Münchner sich die Tabellenführung wieder von Union Berlin zurückholten.

Spektakuläres Spiel, doch das Interesse blieb überschaubar: Thomas Müller wundert‘s nicht
Spektakuläres Spiel, doch das Interesse blieb überschaubar: Thomas Müller wundert‘s nicht
Quelle: dpa/Axel Heimken

Die Mannschaft gab wirklich alles, um das Augenmerk auf den Sport zu legen. Sie führte bei den zu Hause seit dem 3. September ungeschlagenen Wolfsburgern bereits nach 19 Minuten 3:0, um es in der Folge dann trotzdem noch einmal spannend zu machen. Joshua Kimmich verursachte stümperhaft eine frühe Gelb-Rote Karte, und selbst der Applaus für Jamal Musialas sensationelles Tor zum 4:1, als er gleich acht Gegenspieler wie Slalomstangen stehenließ, war nach dem Abpfiff schnell verhallt.

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Was die Bayern auf dem Platz auch an Dramatik und Kunststücken boten, war es am Ende doch zu wenig, um das nervige Thema zu beenden. Ein Spiel als kurzes Luftholen in der Debatte. Die Münchner Startruppe verkommt somit zu einer Gruppe hochbegabter Pausenclowns.

Nachdem die Themen zum Spiel pflichtschuldig abgearbeitet waren, mussten sich die Akteure auch schnell wieder anderen Fragen widmen: Was denken sie über die Wortmeldung ihres Torwarts? Wie stark beeinflusst das Thema die Leistungsstärke, die in den kommenden Wochen mit dem engen Titelkampf in der Liga, DFB-Pokalviertelfinale und den K.-o.-Duellen gegen PSG abgeprüft wird? Die Diskussionen um Neuer, seinen Status und die Folgen wird die Bayern, so viel scheint sicher, weiter begleiten. Spätestens bis zu seiner Rückkehr. Muss er dann die Kapitänsbinde abgeben? Ist womöglich sogar sein Status als Nummer eins in Gefahr? Und wie hoch wird die Geldstrafe ausfallen?

Mit besten Grüßen aus dem Krankenhaus: Manuel Neuer nach seinem Skiunfall mit gebrochenem Unterschenkel
Mit besten Grüßen aus dem Krankenhaus: Manuel Neuer nach seinem Skiunfall mit gebrochenem Unterschenkel
Quelle: dpa/—

„Es ging noch gar nicht ums Spiel“, rief Müller mitten im Interview bei „DAZN“ dem Kollegen Leon Goretzka zu, der auf dem Rasen soeben sein Auslaufprogramm begonnen hatte. Der Stürmer, am Sonntag Torschütze des 1:0, ist erfahren genug, um zu wissen, dass nahezu alle Fragen unter einer großen Klammer stehen: Neugier. Wer steht wo: Team Neuer, oder Team Klubführung? „Es sind ein paar Dinge passiert, da hat jeder seine eigene Ansicht. Aber da lassen wir Spieler uns nicht beeinflussen“, sagte Müller und gab damit allenfalls eine Meinungsvielfalt preis.

Lothar Matthäus hat seine klar geäußert. Der TV-Experte kann sich sogar einen kompletten Abschied des Torwarts bei den Münchnern vorstellen. „Ich frage mich, ob Manuel Neuer und Toni Tapalovic zur nächsten Saison bei einem anderen Club arbeiten. So richtig romantisch wäre natürlich eine Rückkehr zum FC Schalke 04. Wobei, denen hat er ja mit seinem Wechsel nach München so richtig das Herz herausgerissen…“

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Häme, die Julian Nagelsmann fremd ist. Zwar hatte der Trainer den Abschied von Tapalovic höchstpersönlich eingeleitet und Neuer für sein Interview ebenfalls kritisiert. Der Trainer fand dabei jedoch ausgleichendere Worte als die meisten anderen und wünscht sich nun nichts mehr als das Ende des Themas: „Ich habe schon auch den Anspruch nicht nur Brände zu löschen, sondern auch Trainer zu sein“, erinnerte Nagelsmann. Entsprechen wird man seinem Wunsch jedoch nur, sollten die erwarteten Ergebnisse ausbleiben. Dann allerdings würde ein anderes Thema nach ganz oben auf der Agenda rutschen: seine eigene Zukunft beim FC Hollywood.

Source: welt.de