Die CDU habe „am Ende keine Machtoption“, meint Esken

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Welche Koalition setzt sich in der Hauptstadt durch? Bei der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus konnte die CDU knapp zehn Prozentpunkte zulegen. Die SPD verfehlte erstmals seit 1999 ihr Ziel, als stärkste Kraft hervorzugehen. Rechnerisch ist dennoch die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün ebenso möglich wie eine Große Koalition oder Schwarz-Grün – jeweils unter CDU-Führung.

„Berlin-Wahl, zweiter Versuch, Neustart oder weiter so?“, fragte Anne Will am Sonntagabend die Parteivorsitzenden von SPD und Grünen, Saskia Esken und Omid Nouripour, den CDU-Politiker Jens Spahn sowie Journalist Michael Bröcker und Politikwissenschaftlerin Ursula Münch.

„Wer regieren will, muss Mehrheiten organisieren“, betonte Omid Nouripur mit Blick auf den angemeldeten Machtanspruch der Union. Die Regierungsbildung müsse „ein Gesamtwerk von mehreren Parteien“ sein, bestätigte Saskia Esken. Dementsprechend gehe der Wählerauftrag weder an die eine noch an die andere Partei. Die SPD-Vorsitzende griff geschichtlich weit zurück, um ihren Punkt zu unterstreichen.

1950 habe etwa die CSU als Wahlverlierer die bayerische Regierung angeführt. Der Berliner SPD mache sie „keine Vorgaben“. Zu klaren Koalitionsaussagen ließen sich beide Parteivorsitzende verständlicherweise nicht hinreißen. Jens Spahn trat dem gegenüber deutlicher auf. Die CDU habe die Wahl gewonnen, der Senat sei abgewählt und der Regierungschefin fehle das Vertrauen in der Bevölkerung. Er könne SPD und Grünen „nicht empfehlen“, eine „Koalitionsoption herbeizureden“, da ihnen die Legitimität fehle.

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Michael Bröcker appellierte an die „demokratische Hygiene“. SPD, Grüne und Linke müssten anerkennen, dass ihre Politik abgewählt worden sei. Franziska Giffey und ihrer Partei empfahl der Journalist mehr Demut und Bescheidenheit. Berlin sei „dramatisch unterregiert“ und habe auch abseits der Wahlwiederholung „ernsthafte Probleme“ in der Bildungs- und Sicherheitspolitik.

Es sei ein „beliebter Sport“, schlecht über die Hauptstadt zu sprechen, konterte Esken. Die Wahlwiederholung sei ein „ganz großes Drama“ für Berlin gewesen. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner habe einen „Abgrenzungs- und Spaltungswahlkampf“ geführt, was die nun folgenden Gespräche erschweren werden. Kurzerhand deklarierte sie die CDU zur Protestpartei. Die haben „nun mal das Problem, dass sie am Ende keine Machtoption haben“. Wegner und die CDU haben „schlicht und ergreifend die Probleme, die Themen dieser Stadt angesprochen“, hielt Jens Spahn dagegen.

Der politische Stimmungswechsel habe nach den Krawallen der Silvesternacht stattgefunden. Zunehmend wechselte die Debatte von der Landespolitik auf die bundespolitische Ebene. Anne Will widmete sich erneut der viel kritisierten Äußerung Friedrich Merz’, der sich über „kleine Paschas“ aufgeregt hatte. Beim Kontakt mit Lehrkräften höre er den Ausdruck häufig, erklärte Jens Spahn. Es gehe dabei um eine „kulturell vermittelte toxische Männlichkeit“.

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Die Äußerung von Merz sei kontraproduktiv gewesen, hielt Bröcker dagegen. Er habe mit seinen „unsäglichen Pascha Äußerungen“ nur dafür gesagt, dass alle über ihn statt über die Themen diskutiert haben. Auch die Vornamenabfrage der Berliner CDU nach der Silvesternacht sei „selten dämlich“ gewesen.

Die Runde beschäftigte zudem die Rolle der abwesenden FDP, die bei der Wiederholungswahl an der Fünfprozenthürde gescheitert war. Die Partei müsse sich „die Frage stellen, ob die sogenannte Fortschrittskoalition nicht eher Rückschritt für sie“ bedeute, betonte Spahn. Eine „läppische Entscheidung“ wie die Verlängerung der Atomkraft um wenige Wochen, habe über Monate zu „täglich erbitterten“ Auseinandersetzungen zwischen der FDP und den Grünen geführt.

Bröcker lobte hingegen, dass Deutschland wirtschaftspolitisch und energiepolitisch „von Grün und Gelb in den relevanten Ressorts“ durchgesteuert werde. Die ideologischen Gräben würden aber aufbrechen. Ursula Münch stimmte der positiven Sicht auf die Krisenbewältigung der Ampel-Koalition zu. Dennoch seien die Menschen vor allem wegen der Infrastruktur, der Verwaltung und der Digitalisierung „massiv unzufrieden“.

Die Probleme berühren den „Alltag vermutlich sogar deutlich mehr“ als die Themen Energie und Krieg. Sie lassen sich aber ebenso wenig schnell beheben wie die damit verbundene „eklatant große Unzufriedenheit“. Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus habe sich gezeigt, dass es Themen „jenseits der großen Krisen“ gebe, die den Menschen nahe gehen, sagte die Politikwissenschaftlerin, womit sie die Debatte zurück in den Berliner Mikrokosmos führte.

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Source: welt.de