Verteidigung: Washington zu ominösem Flugobjekt: “Kein Hinweis auf Aliens”

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Innerhalb weniger Tage schießt das US-Militär gleich vier Flugobjekte vom Himmel: Erst einen mutmaßlichen Spionageballon aus China, dann andere rätselhafte Flugobjekte. Wer oder was steckt dahinter?

Das Mysterium am Himmel über Nordamerika wird immer größer: Seit dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons vor gut einer Woche hat das US-Militär nunmehr drei weitere, nicht identifizierte Flugobjekte zerstört.

Zuletzt holte am Sonntag ein Kampfjet vom Typ F-16 einen Flugkörper über dem Huronsee im US-Bundesstaat Michigan vom Himmel, wie das Pentagon in Washington mitteilte. Herkunft und Ziel des Objektes blieben unklar. Die Untersuchung der Trümmer soll Aufschluss geben.

Seit Tagen geben ominöse Flugobjekte über Nordamerika den USA und der Welt neue Rätsel auf – und sorgen für Unruhe. China will aber nicht mehr länger als Schuldiger angeprangert werden und drehte den Spieß gestern um: Das Außenministerium in Peking warf den USA seinerseits vor, im vergangenen Jahr selbst mehr als zehn Mal “illegal” Ballons in großer Höhe über China fliegen gelassen zu haben. Die USA sollten aufhören, “andere Länder zu verunglimpfen und Konfrontation anzufachen”, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin. Es komme ziemlich häufig vor, dass US-Ballons über andere Länder flögen. Doch sagte der Sprecher nicht, auf welche Art von Ballons er sich bezog – ob für Spionage oder schlicht zur Wetterbeobachtung.

Die US-Regierung wies die Anschuldigungen umgehend zurück. “Das ist absolut nicht wahr”, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, dem Sender MSNBC in Washington. “Wir lassen keine Ballons über China fliegen.”

Die “Financial Times” berichtete, Dutzende chinesische “Militärballons” seien in den vergangenen Jahren auch in Taiwans Luftraum eingedrungen – viel mehr als bisher bekannt. “Sie kommen sehr häufig, der letzte erst vor ein paar Wochen”, sagte ein hoher Beamter. Peking betrachtet die demokratische Insel Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung.

Schon wieder ein Abschuss

Der jüngste Zwischenfall über den USA spielte sich erneut im Norden des Landes ab. Laut Pentagon war das Flugobjekt in sechs Kilometern Höhe unterwegs. Flugbahn und Höhe hätten Anlass zur Sorge gegeben, dass es die zivile Luftfahrt gefährden könnte. Auch potenzielle Überwachungsmöglichkeiten hätten ein Risiko dargestellt. US-Präsident Joe Biden habe daher die Anweisung zum Abschuss gegeben.

Zwischenfälle über Alaska und Kanada

US-Kampfjets hatten bereits am Freitag und Samstag zwei nicht näher identifizierte Flugobjekte abgeschossen: eines vor der Küste des US-Bundesstaats Alaska, das andere über dem Norden Kanadas. Die Bergung von Trümmerteilen soll Antworten über Herkunft und Zweck der Mission geben – gestaltet sich bislang allerdings wegen der Wetter- und Umweltbedingungen vor Ort schwierig.

Eine Woche zuvor hatte die US-Luftwaffe vor der Küste des Bundesstaates South Carolina einen mutmaßlich zur Spionage eingesetzten chinesischen Ballon vom Himmel geholt. Die US-Regierung wirft China vor, damit Militäreinrichtungen ausspionieren zu wollen. Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei. Der Vorfall sorgte für neue Spannungen im ohnehin belasteten Verhältnis. Die USA beschuldigten China, mit Ballons ein großes Überwachungsprogramm zu betreiben und mehr als 40 Länder auf fünf Kontinenten im Visier zu haben.

Die Parallelen und die Unterschiede

Der chinesische Ballon flog nach Angaben der US-Regierung in einer Höhe von etwa 18 Kilometern und damit weit über der Höhe, in der zivile Flugzeuge unterwegs sind. Er hatte die Größe von zwei bis drei Bussen und war mit bloßem Auge zu sehen. Die USA ordneten den Ballon sehr schnell China zu – und klassifizierten ihn als Spionagewerkzeug.

Bei den anderen drei Flugobjekten ist bis jetzt offen, wer sie auf den Weg geschickt hat und wozu. Sie waren nach offiziellen Angaben deutlich kleiner als der chinesische Ballon – etwa so groß wie ein Kleinwagen – und in niedrigeren Höhen unterwegs. Die Flugobjekte über Alaska und Kanada wurden in rund zwölf Kilometern Höhe abgeschossen.

Ebenfalls Ballon oder unbekanntes Objekt?

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, sagte unter Berufung auf den Nationalen Sicherheitsrat, derzeit gehe man davon aus, dass es sich auch um Ballons gehandelt habe. Der Norad-Leiter Glen VanHerck wies das aber zurück: “Ich werde sie nicht als Ballons einstufen – wir nennen sie nicht ohne Grund ‘Objekte’.”

Kirby sagte, die bislang nicht identifizierten Flugobjekte könnten womöglich auch einen harmlosen Hintergrund haben. “Es könnte völlig harmlose und völlig erklärbare Gründe dafür geben, warum diese Objekte dort oben herumfliegen.” Sie könnten zum Beispiel der wissenschaftlichen Forschung oder der geografischen Kartierung dienen und von Unternehmen oder wissenschaftlichen Einrichtungen stammen. “Wir wissen es einfach nicht.” Dafür müssten die Überreste ausgewertet werden. Es gehe nicht darum, solche Objekte zu verbieten. Ein Problem sei aber, wenn sie die zivile Luftfahrt gefährdeten.

Kirby stimmte die Öffentlichkeit auf eine Der Kommunikationsdirektor sagte, die Regierung arbeite daran herauszufinden, was genau diese Flugobjekte gewesen seien und zum Ziel gehabt hätten. Dazu gehörten intensive Bemühungen, ihre Trümmer von den entlegenen Abschussorten zu bergen. “Das kann lange dauern, je nach Seegang und Wetterbedingungen.” Auch die Sicherheit von Tauchern sei zu schützen.

Kirby verwies darauf, dass Überreste des chinesischen Ballons vor der Küste von South Carolina aus dem Atlantik gezogen wurden. In den anderen Fällen gestalte sich die Suche schwieriger. “Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass sich die Objekte in Alaska und Kanada in ziemlich abgelegenem Gelände befinden.” Man habe es zu tun mit “Eis und Wildnis und all dem, was es schwierig macht, sie bei Winterwetter zu finden”. Das Objekt, das am Sonntag über dem Huronsee im Norden der USA abgeschossen wurde, liege in sehr tiefem Wasser.

Warum häufen sich die Abschüsse in Nordamerika?

VanHerck, der auch Befehlshaber des Nördlichen US-Kommandos ist, sagte, seines Wissens nach sei es zuvor noch nie vorgekommen, dass das US-Militär Flugobjekte im amerikanischen Luftraum abschießen musste. Nun plötzlich vier Mal innerhalb von acht Tagen.

Aus der Pentagon-Führung hieß es, nach dem Abschuss des chinesischen Ballons habe das US-Militär den US-Luftraum auch in großen Höhen genauer in den Blick genommen und Radartechniken verbessert. Das erkläre teilweise die gehäufte Entdeckung solcher Objekte. Ob das im Umkehrschluss heißt, dass dort zuvor schon viele solcher Flugkörper unterwegs waren und schlicht nicht bemerkt wurden, blieb offen.

Die Theorien – kommen nun die Außerirdischen?

Das Fehlen von Informationen über die Flugobjekte gab Raum für Mutmaßungen aller Art. In sozialen Medien wurde schon über eine mögliche Invasion von Aliens spekuliert. Auf die Frage, ob das US-Verteidigungsministerium ausschließen könne, dass Außerirdische dahinter steckten, antwortete VanHerck nur: “Ich überlasse es den Geheimdiensten und der Spionageabwehr, das herauszufinden. Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts ausgeschlossen.” Ob die Aussage geeignet ist, die Spekulationen einzudämmen, ist fraglich. Abgeordnete beider Parteien fordern eindringlich mehr Informationen, um zu verhindern, dass sich weiter wilde Theorien verbreiten.

Die gab es dann auch: Angesichts der zunehmenden Spekulationen fühlte sich das Weiße Haus zu einer Klarstellung bemüßigt – und schloss einen möglichen Zusammenhang mit Außerirdischen aus. “Es gibt keinen Hinweis auf Aliens oder außerirdische Aktivitäten bei diesen jüngsten Abschussaktionen”, sagte Sprecherin Karine Jean-Pierre in Washington. “Ich wollte sicherstellen, dass das amerikanische Volk das weiß.” Es habe viele Fragen dazu gegeben. “Und es war uns wichtig, dass von hier aus zu sagen.”

dpa

Source: stern.de