Lindner düpiert Habeck erneut – und will Militärausgaben weiter erhöhen
Es gibt sie noch: die Momente, in denen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seinen Kabinettskollegen Robert Habeck (Grüne) ausdrücklich lobt. Vom winterlichen Berlin bis in die sommerliche, 7000 Kilometer entfernte Millionenstadt Bangalore nach Indien musste reisen, wer Zeuge eines solchen, zuletzt selten gewordenen Momentes werden wollte.
Die Vorschläge, die da aus dem Bundeswirtschaftsministerium kämen, seien „ganz überwiegend schlüssig“, sagte Lindner am Rande des G-20-Finanzministertreffens. Die Vorschläge sollten so auch umgesetzt werden. Gefragt worden war Lindner nach Habecks Plänen, in Zukunft schärfer gegen Staaten vorzugehen, die die Russland-Sanktionen umgehen.
Wie gesagt, es war ein seltener Moment – auch in Bangalore. Denn an anderer Stelle nutzte Lindner die internationale Plattform, um sich öffentlich festzulegen: auf mehr Ausgaben für die Bundeswehr. Womit er einer Bitte Habecks ausdrücklich nicht nachkam, nämlich jener, auf „öffentliche oder interne Vorfestlegungen“ im Zusammenhang mit zusätzlichen Ausgaben im Bundeshaushalt zu verzichten, solange es innerhalb des Kabinetts noch keine Einigung gibt. So hatte es Habeck in einem bemerkenswerten Briefwechsel mit Lindner in der Vorwoche formuliert und als Beispiel auch die Bundeswehr genannt.
Nun kündigte Lindner auf der von kühlenden Gebläsen umtosten Bühne im Medienzelt genau das an: zusätzliche Ausgaben für Rüstungsgüter. Angesprochen auf die militärische Unterstützung für die Ukraine sagte Lindner, dass die Ausgaben schon in diesem Jahr eine „deutlich höhere Größenordnung haben werden als das, was bislang im Haushalt 2023 abgebildet ist“. Eine konkrete Zahl nannte er nicht. Es dürfte sich um einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag handeln.
Und dann unterstützte er ausdrücklich die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), nach weiteren Milliarden für die Bundeswehr im kommenden Jahr – über die Mittel im sogenannten Sondervermögen hinaus. „Sie können davon ausgehen, dass Forderungen nach einer Mittelverstärkung bei uns auf Sympathie treffen“, sagte Lindner. In seinem Haus werde diese Linie ohnehin schon länger verfolgt.
Die Entscheidung müsse am Ende allerdings das Bundeskabinett insgesamt treffen. Diese Botschaft an Habeck und die anderen grünen Minister im Kabinett aus der Ferne gab es immerhin.
Und noch eine Einschränkung machte Lindner: „Gewiss kann es sich nicht um eine zweistellige Milliardengrößenordnung handeln.“ Pistorius hatte unlängst zusätzliche zehn Milliarden Euro gefordert. Der Verteidigungsetat würde dadurch im kommenden Jahr auf 60 Milliarden Euro steigen. Kommende Woche beginnen die Gespräche über die Eckwerte des Bundeshaushalts 2024 auf Ministerebene. Mitte März sollen sie stehen.
Andere Aussagen Lindners dürften auch innerhalb der Ampel-Regierung unstrittig sein. So machte er deutlich, dass ein Jahr nach Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland in weiter Ferne liege. „Es kann mit Russland kein Business as usual geben – und es wird mit Russland auch kein Business as usual in der Zukunft geben, solange dieser brutale Krieg fortgesetzt wird“, sagte der FDP-Politiker. Deutschland tue alles in seiner Macht Stehende, die Ukraine mit der notwendigen Ausrüstung auszustatten. Auch finanziell sei mehr Hilfe nötig.
Bereits am Donnerstag beim Treffen der G-7-Finanzminister war klar geworden, dass die bisher zugesagten internationalen Hilfen in von 39 Milliarden Dollar den Bedarf der Ukraine in diesem Jahr voraussichtlich nicht abdecken können. Die Ukraine braucht das Geld, um ihre Verwaltung, Schulen, Rentenzahlungen und das Funktionieren des Staates zu finanzieren.
Chefposten der Weltbank ist ebenfalls Thema bei G-20 in Bangalore
Beim Schließen der Finanzlücke soll ein mehrjähriges Programm des Internationalen Währungsfonds helfen, das bis Ende März stehen soll. Lindner mahnte an, die Lasten und die Risiken fairer zu verteilen. Die Hilfen könnten nicht länger nur Aufgabe von „einigen wenigen Staaten“ sein, wozu er außer den USA auch Deutschland zählt.
Ein anderes Thema war in Bangalore die Besetzung des Chefpostens bei der Weltbank, die gerade beim Umgang mit der oft hohen Verschuldung von Entwicklungsländern eine wichtige Rolle spielt. Der Personalvorschlag der USA sei „sehr beachtlich und bedenkenswert“, sagte Lindner.
US-Präsident Joe Biden hat den früheren Vorstandschef von Mastercard, Ajay Banga, als Kandidaten nominiert. Eine Person aus dem Privatsektor gebe die Hoffnung, dass künftig auch mehr private Investitionen für das Klima mobilisiert werden könnten. Auch in der Hoffnung dürften Lindner und Habeck sich einig sein.
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Source: welt.de