Der Lautenist Konrad Junghänel wird siebzig
Längst nicht immer steht „Junghänel“ drauf, wo Konrad Junghänel drin ist. Zwar hat er allein mit dem von ihm 1987 gegründeten Ensemble „Cantus Cölln“ fast vierzig – oft preisgekrönte – CD-Aufnahmen eingespielt. Doch zum Wesen seines interpretatorischen und menschlichen Wirkens kann man auch durch tiefere Schichten kollektiven musikalischen Arbeitens gelangen. Da gibt es zum Beispiel Philippe Herreweghes erste, immer noch ergreifende Bach-Johannespassion von 1987. Ein wesentlicher Teil ihrer meditativen Innigkeit geht auf das subtile, gleichsam nach innen hörende Lautenspiel zurück, mit dem Junghänel seinen Teil des Continuo-Parts ausfüllt. Dienend, aber unverzichtbar prägt er die besondere Stimmigkeit der Aufnahme mit. Ähnlich stellte er sich anderen Kollegen wie René Jacobs oder William Christie zur Verfügung und an die Seite, mit Laute, Theorbe und viele Jahre dann auch als Weitervermittler dieser eher stillen Traditionslinie an der Kölner Musikhochschule.
Dabei fehlte es ihm keineswegs an munter belebter, perlender Virtuosität für das solistische Spiel. Doch zum Kern seines Künstlertums dringt man vielleicht eher vor, wenn man ihn im Ensemble erlebt. Oder eben vor demselben wie bei seinen „Cantus“-Mitstreitern, die sich im vergangenen Sommer nach 35 gemeinsamen Jahren in wehmütig-heiterer Gelassenheit voneinander verabschiedet haben. Für den Gründer hat sich der Zirkel seiner leitenden, immer von gepflegter Freundlichkeit begleiteten Tätigkeiten dieweil allmählich erweitert: bis in die Wiener Klassik hinein, auf größere Konzertpodien – auch mit modern instrumentierten Ensembles – und Opernbühnen. Händel-Aufführungen an Berlins Komischer Oper, vor allem aber sein siebenteiliger Mozart-Zyklus am Staatstheater Wiesbaden brachten erfreuliche Resonanz und lassen auf Fortsetzungen hoffen.
Doch in welcher Besetzung auch immer: stets herrschte und herrscht bei Junghänel der lichte, durch alle Konfliktfelder letztlich doch hoffnungsfrohe Geist der frühen Aufklärung; eine geschmeidige Transparenz, die nichts zeigefingernd demonstrieren will, sondern den Tönen ihren natürlichen, unverklemmten Lauf lässt. Man kommt mit solch frohgemutem Zurücktreten hinter die Werke eher nicht in die ganz dicken Schlagzeilen, kann aber trotzdem kleine Revolutionen lostreten.
Mit „Cantus Cölln“, immer delikat-sparsam und selbst für Bachs h-Moll-Messe nur mit zehn Sängern besetzt, und im geradezu symbiotischen Zusammengehen mit partnerschaftlichen Instrumentalensembles wie dem Concerto Palatino gelang das beispielsweise mit der Ersteinspielung des damals frisch wiederaufgefundenen „Alt-Bachischen Archivs“ der Vorfahren Johann Sebastians oder für das lange vergessene Schaffen des Schütz-Zeitgenossen Johann Rosenmüller: Entdeckungen hoher Qualität in bewegenden Interpretationen, die seither stetig das Repertoire bereichern.
Was Schütz selbst angeht, so waren etwa dessen so fluid wie festlich dargebotene „Psalmen Davids“ im Erscheinungsjahr 1998 ein frühes Zeugnis jener schlankstimmigen Interpretationslinie, die dann im neuen Jahrtausend immer mehr Raum gewann. Konrad Junghänel und sein Ensemble machten auch hier nicht viel PR-Lärm, sondern legten Angebote vor – fast immer sehr brauchbare. Mehr davon könnten folgen; heute wird der Lautenist und Ensembleleiter siebzig Jahre alt.
Source: faz.net