Randale von Frankfurter Ultras: Politisches Nachspiel in Neapel
Bei keinem anderen Thema neigt die italienische Presse so sehr zum Metaphernwucher wie beim Fußball – mit Blick sowohl auf das Sportereignis wie auch auf das Drumherum. Nach der Randale der Ultras von Eintracht Frankfurt und dem SSC Neapel vom Mittwoch war auf den Titelseiten der Tages- und Sportzeitungen vom „Guerillakrieg“ bis zur „verwundeten Stadt“, vom „Belagerungszustand“ bis zur „Invasion der Barbaren“ alles im Angebot.
Mit etwas mehr Sachlichkeit versuchten es bei der gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstagmorgen Bürgermeister Gaetano Manfredi, Präfekt Claudio Palomba und der Präsident des SSC Neapel, Aurelio De Laurentiis. Zu dem Zeitpunkt war die Stadtreinigung von Neapel längst im Einsatz. Bis zur Mittagszeit waren die meisten Spuren der Ausschreitungen beseitigt. Bürgermeister Manfredi geißelte die Zerstörungen in der Altstadt als „unannehmbar“ und forderte, alle Randalierer, auf welcher Seite auch immer, müssten zur Verantwortung gezogen werden. Präfekt Palomba verteidigte die Einsatztaktik der Sicherheitskräfte, die den kompakten Block Hunderter Frankfurter Fans vor dem Spiel auf deren „Spaziergang“ durch die Altstadt begleitet und beobachtet hatten.
Dabei sei es zunächst friedlich geblieben, erst später sei die Lage außer Kontrolle geraten, weil die Ultras beider Seiten in kleinen Gruppen aufeinander losgegangen seien, sagte Palomba. Klubpräsident De Laurentiis rief in Erinnerung, dass es auch im Stadion Diego Maradona friedlich geblieben sei, die Randale habe sich weit entfernt vom Stadtteil Fuorigrotta ereignet, wo sich das Stadion befindet. Die rechtskonservative Ministerpräsidentin Giorgia Meloni forderte De Laurentiis auf, der einstigen britischen Premierministerin Margaret Thatcher nachzueifern: Die Eiserne Lady habe sogar die berüchtigten Hooligans auf der Insel in die Schranken zu weisen gewusst.
Linke Medien und Vertreter der Opposition machten Innenminister Matteo Piantedosi dafür verantwortlich, die Randale mit Ansage nicht verhindert zu haben. Von der rechtsnationalen Partei Lega, die Teil der von Meloni geführten Mitte-rechts-Koalition ist, kam die Forderung, die Reparatur der angerichteten Schäden müsse die deutsche Regierung bezahlen. Der deutsche Botschafter Viktor Elbling und Neapels Bürgermeister Manfredi versuchten am Mittwoch noch an Ort und Stelle die politischen Wogen zu glätten. Im Palazzo San Giacomo, dem Rathaus der Hafenstadt, bekräftigten sie gemeinsam die „Freundschaft unserer beiden Länder“.
Derweil zelebrierten draußen italienische und deutsche Ultras ihre Feindschaft. Unterstützt wurden die Frankfurter dabei von Ultras des befreundeten Klubs Atalanta Bergamo aus der Lombardei, die ihrerseits mit den Neapel-Anhängern verfeindet sind. Überhaupt haben sich seit Jahren transnationale Bündnisse von Ultras gebildet, bei welchen die Treue zum jeweiligen Heimatklub weit wichtiger ist als die vermeintliche Loyalität zur Nation.
Wer ist Schuld an den Randalen?
Bei den Ausschreitungen vor allem nach dem Spiel wurden nach Angaben der Behörden sechs Polizisten verletzt. Fünf Ultras von Neapel- und drei aus Frankfurt wurden am späten Abend und frühen Morgen auf der Uferpromenade Lungomare sowie auf der Piazza del Gesù in der Altstadt festgenommen. Bevor die Frankfurter, die ungeachtet des schon vor Tagen verhängten Verkaufsverbots von Tickets an die Gastmannschaft nach Neapel gekommen waren, die Heimfahrt antreten konnten, wurden sie am Donnerstagmorgen von den Behörden in Bussen in die Polizeipräsidien der Städte Salerno und Frosinone zur Aufnahme der Personalien gebracht. Dabei kam es abermals zu Angriffen von Neapel-Ultras mit Steinen und Stöcken auf die Frankfurter in ihren Bussen.
Welche Seite und welche Entscheidungsträger maßgebliche Verantwortung tragen für die Ausschreitungen mit Ansage, wird noch lange Gegenstand der Debatte sein. Die Eskalation wurde nach Medienberichten am Mittwochnachmittag durch Angriffe der Neapel-Ultras auf die Frankfurter ausgelöst, die daraufhin Feuerwerkskörper abfeuerten. Auch für die Auseinandersetzungen am späten Abend unweit des Hotels Royal Continental, in dem die Frankfurter einquartiert waren, machten die meisten Beobachter die Neapel-Ultras verantwortlich, weil diese ihren „Belagerungsring“ um das Hotel immer enger gezogen hätten.
Source: faz.net