Auch in Deutschland klafft eine Versicherungslücke

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Die Versicherungsbranche kämpft derzeit mit zwei Dingen. Zum einen steigen die Schäden, die durch Naturkatastrophen, etwa Stürme oder Überflutungen, entstehen immer weiter an. Zum anderen macht die galoppierende Inflation das Ersetzen der Schäden immer teurer.

„Wir müssen wieder Preisstabilität haben, sonst ist kein nachhaltiges Wachstum möglich“, fordert Jérôme Jean Haegeli, Chefökonom des Rückversicherers Swiss Re, im Gespräch mit der F.A.Z.

Das zurückliegende Jahr war das zweite in Folge, in dem die versicherten Schäden die 100-Millarden-Dollar-Grenze überschritten haben, hat die Swiss Re , eine der führenden Unternehmen der Versicherungsbranche, errechnet. So summierten sich 2022 die versicherten Schäden, die durch Naturkatastrophen verursacht wurden, den Angaben zufolge auf 125 Milliarden Dollar, das waren noch einmal 4 Milliarden Dollar mehr als ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: Der Zehnjahresdurchschnitt liegt bei 81 Milliarden Dollar.

Schäden werden durch Inflation teurer

An dieser Entwicklung spielt die Inflation keine unmaßgebliche Rolle. In den Industrieländern lag sie 2022 im Jahresdurchschnitt bei 7 Prozent und in den Schwellenländern bei 9 Prozent. Gestiegene Preise haben Gebäude, Fahrzeuge und andere versicherbare Vermögenswerte nominal verteuert und dadurch auch naturkatastrophenbedingte Versicherungsschäden in die Höhe getrieben, argumentiert die Swiss Re.

„Der wirtschaftliche Sturm ist noch nicht vorüber, und angesichts des bestehenden Inflationsdrucks werden die Zinsen wohl weiter steigen müssen. Da dies zu höheren Finanzierungskosten führt, dürften Kapazitätsanbieter aus verschiedenen Gründen weiter zurückhaltend bleiben“, sagt Haegeli.

Kein Bankrun auf Versicherer

Dass Versicherer aber genau so unter Stress geraten, wie Banken, weist der Chefökonom der Swiss Re aber weit von sich: „Es ist ein perfekter Sturm aus kräftig gestiegenen Schäden verursacht durch Naturkatastrophen gepaart mit rekordhoher Inflation. Aber der perfekte Sturm kann gestaltet werden. Es wird keinen Bankrun auf Versicherer geben“, ist er überzeugt.

Natürlich, seien auch Versicherer, die Beiträge möglichst renditestark anlegen müssen, den Verwerfungen am Finanzmarkt ausgesetzt. Angelegt werde aber überwiegend in sichere Staatsanleihen. Dass Versicherer auch AT1-Anleihen von Banken halten, wie die jetzt möglicherweise wertlosen der Credit Suisse, sei in der Branche allgemein unüblich.

Prämien erhöhen sich

Gestaltet wird in erster Linie über den Preis. – jedes Jahr im Dezember und Januar, wenn die neuen Prämien ausgehandelt werden. „Wir haben sehr starke Preiserhöhungen gesehen, und diese waren auch nötig“, sagt Haegeli. Wenn die Inflation sinke, werden sich auch die Versicherungspreise einpendeln, ist er überzeugt.

Darin birgt auch die Gefahr, dass Verbraucher bei der Versicherung sparen. Aber die ist laut Haegeli schon lange real: „Es gibt global eine Versicherungslücke von 60 Prozent“, das heißt nur 40 Prozent der Schäden sind versichert, „die Quote in Deutschland liegt mit 55 bis 60 Prozent etwas besser“, sagt er. „In den USA etwa ist nur jeder sechste gegen Flutschäden versichert. Die Hälfte ist aber der Meinung, ausreichend versichert zu sein“, ergänzt der Swiss Re-Manager.

In Deutschland etwa waren 2021 nur weniger als 30 Prozent der Flutschäden tatsächlich versichert, fügt Haegeli hinzu. „Das größte Risiko für die Verbraucher ist, nicht oder zu gering versichert zu sein“, warnt der Swiss Re-Chefökonom.

Source: faz.net