Die charmante Serie „Blackport“ erzählt vom einem Island der Achtziger

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Zu den Ärgernissen, die niemand abstellen mag, gehören die seelenlosen Titel, die Serien bei der Ausstrahlung in anderen Ländern bekommen. Deshalb eine Servicedurchsage, um Verwechslungen vorzubeugen: Die schwedische Romanverfilmung „Händelser vid vatten“, die von einem Verbrechen und einigen Aussteigern in den Siebzigerjahren erzählt, trägt auf dem in­ternationalen Markt den Titel „Black­water“.

Jetzt aber kommt die isländische Fa­miliensaga „Verbúðin”, deren Titel im Original so etwas wie „Die Fischer-Baracke“ bedeutet und damit auf Unterkünfte für Saisonarbeiter der Fischfabriken an­spielt. Sie heißt bei uns „Blackport“. Was nach allem klingt, nur nicht nach der charmanten Geschichte eines Fischer­ortes im Nordwesten Islands, der in den Achtzigerjahren auf der großen Welle von Fortschritt und Kapitalismus zu reiten versucht. Um nicht von ihr zerschmettert zu werden.

Zeitkolorit und nostalgische Details

„Blackport“ ist ein Sittengemälde. Es zeigt die Jahre nach 1983, in denen Is­land als Reaktion auf die grassierende Überfischung ein Fangquotensystem einführte. Nicht nur der Vorspann, der antike VHS-Bilder zusammenmontiert, strotzt vor Zeitkolorit: Die komplette Se­rie, die vom Programmdirektor des Senders RUV als Islands Antwort auf Dallas bezeichnet wurde, steckt voller nostalgischer Details von den Zigaretten in den Händen über den Walkman am Gürtel bis zur Fernsehantenne auf dem Dach, die niemals so steht, wie sie soll.

Die Charaktere sind ebenfalls klasse: Der redegewandte Oberlippenbartträger Jón (Gísli Örn Garðarsson), anfangs Bürgermeister eines 1000-Seelen-Nests in den Westfjorden. Seine Sekretärin und Affäre Harpa (Nína Dögg Filippusdóttir, deren Ehemann Grimur (Björn Hlynur Haraldsson) und viele weitere kernige Fi­guren wie die Arbeiterin Tinna (Kristín Þóra Haraldsdóttir), die von Grimur dereinst ein Baby bekam.

Eine Frau als Chefin

Die Handlung beginnt mit dem Anflug zweier Banker, die sich zum Abschluss ei­nes Kreditvertrags in eine Cessna ge­quetscht haben und zwischen ausgestopften Seemöwen landen. Jón hat sie gerufen. Er will mit seinem Bruder, ei­nem Fischer, einen großen Trawler erstehen, ohne den die örtliche Fischfabrik nicht mehr lang existieren würde.

Allerdings platzen die Verhandlungen durch eine ungeschickte Mischung aus Alkohol, Drogen im Hintern, Frostschutzmittel und sexueller Überbeanspruchung. Harpa springt mit ihrem Mann ein. Sie und ein befreundetes Paar, die Kindergärtnerin Freydís (Unnur Ösp Stefánsdóttir) und Fischers Fritz Einar (Guðjón Davíð Karlsson), nehmen auf ihre Häuser eine Hypothek für den Schiffserwerb auf. Ein Unternehmen entsteht, in dem Harpa den Ton angibt, die Männer auf hohe See fahren, und der Politiker Jón ein stiller Teilhaber ist.

Es ist ein hartes Geschäft – die Branche befindet sich in einem Umbruch, bei dem viele Fischer und Fischereiarbeiter die Verlierer sein werden. Umso schöner, dass Jón nach Reykjavik wechselt. Er wird Fischereiminister und hat bei der Ausgestaltung des umstrittenen Fangquotensystems stets die heimische Firma oder zumindest die Schäferstündchen mit Harpa im Kopf.

„Blackport“ ist so bei aller Nostalgie, die auch durch zeitgenössische Schlager (die völlig zu Recht eine Sache der Isländer blieben) transportiert wird, die Ge­schichte skandalöser Zustände. Die Weltpresse, die im Oktober 1986 für das Gipfeltreffen von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow nach Reykjavik kommt, sieht Island als sympathisches Land mit bodenständigen Politikern und wird entsprechend gefüttert. Der Investigativjournalist Smári hingegen (Hilmir Snær Guðnason) sieht das Drama, das sich hinter den Kulissen abspielt: Was einst das Eigentum von allen war – der Fisch im Meer – wird durch die Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Banken zur Quelle des Reichtums einer kleinen Elite.

Fortsetzung möglich

Harpas Schiff fährt unterdessen eine silbrig schimmernde Fischladung nach der anderen heim in den Hafen. Oder ins britische Hull, wo ein Händler die Koffer der Fischer mit Hunderttausenden Pfund Bargeld pro Ladung bestückt. Wenn der Titel „Blackport“ Sinn ergibt, dann mit Blick auf die Millionen, die Islands Fiskus nie zu sehen bekommt.

Noch profitieren die Familien im Ort. Hin und wieder stirbt zwar ein Fischer, oder ein Arbeiter gerät mit dem Arm in die Kabeljau-Enthauptungsmaschine. Aber die Fischfabrik läuft und gibt Jobs, während andernorts die Leute einpacken müssen. Die Frage ist, wie lange ihr Glück währt. Schon deshalb muss man sich wünschen, dass der Achtteiler „Blackport“, der von den Hauptdarstellern zusammen mit dem Schriftsteller Mikael Torfason geschrieben wurde und unentwegt zwischen drollig und dramatisch changiert, in weiteren Staffeln auch von den Jahren bis zum Island-Crash 2008 erzählt.

Blackport beginnt heute Abend mit vier ­Folgen am Stück um 21.45 Uhr auf Arte.

Source: faz.net