Krieg in der Ukraine: “Wenn Putin im Kreml bleibt, kommt der Krieg nicht zu Ende”: Leonid Wolkow erklärt seine Sicht auf Russland

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Sehen Sie im Video: Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow spricht über Russland unter Putin.

Im System Putin entscheide er alles selbst. Das könne aber nicht funktionieren, dafür sei Russland zu groß, man könne so ein Land nicht allein managen. Das führe zu falschen Entscheidungen und “Putin ist auch nicht der Klügste.” Deshalb würde Russland zerfallen. Die Oligarchen würden von Putin nicht mehr als Mitarbeiter betrachtet, sondern sie seien jetzt seine Geldbörse für den Krieg.
In “Putinland” redet er von einem imperialistischen Wahn Putins. Seiner Ansicht nach rühre das Selbstbild Putins als großer Staatschef, der in die Geschichtsbücher eingehen will, daher, dass er zu viele historische Bücher lese, auch von russischen Faschisten. “Man kann das auch als einen Wahn beschreiben, weil es stimmt einfach nicht.” Russland sei keine Großmacht und die Menschen in Russland würden das auch nicht wollen. Putin sei aber getrieben von seinen imperialistischen Ideen.
“Nur ein kleiner Teil der Russen unterstützt Krieg in der Ukraine”
Seine politische Organisation macht Meinungsumfragen in Russland. Dabei sehen sie, wie die Zustimmung für den Krieg abnehme. Der Kern von Patrioten, die den Krieg wirklich unterstützen, sei klein, etwa 7-8 Prozent der russischen Bevölkerung würden dazu zählen. Es gebe aber eine große, schlafende Mehrheit. Diese Menschen wollen sie als Oppositionelle erreichen. Gerade könne man nicht in Russland auf die Straße gehen. Selbst wer einen weißen Zettel hochhält, wird verhaftet. Aber das würde nicht bedeuten, dass der Protest nicht zunimmt. “Sie ist irgendwie unter dem Teppich.” Trotzdem könne es passieren, dass die Stimmung wegen irgendeines Ereignisses aufbricht. “Das System ist nicht stabil. Putin hat viel weniger Einfluss und Kontrolle auf sein eigenes System, als er je gehabt hat.” Dazu glaubt er, dass das System im engsten Kreis Putins bröckeln könnte. “Ein Elitenkonflikt halte ich für eine ganz mögliche Wahrscheinlichkeit.” Die Spaltungen und Konflikte im System rund um Putin würden sie sehen. Die Oligarchen seien nicht mehr zufrieden, sie hätten durch die Sanktionen viel verloren. “Deshalb auch sehen wir in den letzten Monaten etwas, was wir nie gesehen haben, dass diese Oligarchen versuchen auch sich mit uns in Kontakt zu stellen.” Das sei die Suche nach alternativen Wegen für Russlands Zukunft.
“Man darf nicht mit Wladimir Putin verhandeln”
Einen Waffenstillstand wolle Putin, um Zeit zu gewinnen für einen nächsten Angriff. “Man kann, man darf nicht mit Putin verhandeln, auch deshalb, weil er nicht verhandlungsfähig ist.” Putin habe mehrere Abkommen unterschrieben und sie nie gehalten. “Wenn Putin im Kreml bleibt, kommt der Krieg nicht zu Ende.” Alles andere sei nur eine Pause für ihn, meint Wolkow.
Er nimmt auch Position zu den Bittbriefen, die an die EU-Kommission gingen, in dem gefordert wurde, dass u.a. der russische Oligarch Fridman von der EU-Sanktionsliste gestrichen wird. Wolkow bestreitet, dass er sein Einverständnis dafür gegeben hat, dass ein Gemeinschaftsbrief im Februar auch in seinem Namen unterschrieben wird. Er bestätigt allerdings, im Oktober 2022 selbst einen Brief an die EU-Kommission geschrieben zu haben.
Die Eliten in Russland spalten
Er behauptet, dass die Idee dahinter gewesen sei, die Eliten in Russland zu spalten und ausgewählte Oligarchen zu einem Deal zu bewegen, dass wenn die Sanktionen gegen sie wegfallen, sie Geld an die Ukraine zahlen. So hätten sie einen öffentlichen Konflikt zwischen Putin und die Oligarchen treiben wollen. “Ich habe diese Situation als eine Chance betrachtet.” Trotzdem sei der Brief ein politischer Fehler gewesen. Es sei ein geheimer Brief gewesen und er habe den Eindruck erweckt, als hätten sie als Anti-Korruptions-Stiftung heimlich mit den Oligarchen verhandelt, was es nicht gegeben habe.
Den Vorwurf, Fridman hätte für die Sicherheit von Wolkows Kindern gezahlt, bestreitet er. Das Portal Meduza hätte geschrieben, dass sie von einem Informanten erfahren hätten, dass Herr Fridmann für den Schutz der Kinder auf dem Weg zur Schule bezahlen würde. Er entkräftet, seine Kinder seien 11 Monate und 5 Jahre, sie gingen noch gar nicht zur Schule. Dazu hätte weder er persönlich noch seine Organisation finanzielle Verhältnisse mit Fridman gehabt.
Leonid Wolkow lebt im Exil
Mittlerweile lebt Wolkow in Litauen im Exil und würde sich frei bewegen. Zwar achte er darauf, dass er seine Termine nie vorher veröffentlicht, werde aber nicht durch Personenschutz o.ä. geschützt. Er versuche nicht so viel über die Gefahren nachzudenken. Seine Arbeit wäre sonst nicht möglich und sein Leben sehr eingeschränkt.
Die einzige Kontaktmöglichkeit zu Nawalny sei über seine Anwälte. Sie bringen ihnen manchmal Nachrichten von ihm mit.
Gesundheitlich ginge es ihm momentan – natürlich unter Berücksichtigung der Bedingungen im Gefängnis – relativ gut. Aber trotzdem werde alles versucht ihn psychisch zu zerbrechen, indem z.B. in die Nachbarzelle ein Insasse mit einer psychischen Erkrankung gesperrt wurde, er immer nachts geschrien hätte und Nawalny deshalb nie schlafen konnte. Aber er ist sich sicher: “Alexei (Nawalny) zu zerbrechen, das ist nicht möglich.” Trotzdem machen sie sich Sorgen, dass seine Gesundheit immer wieder in Gefahr geraten kann.

Nele Balgo spricht mit Leonid Wolkow, russischer Oppositioneller im Exil, enger Vertrauter und Mitarbeiter von Alexei Nawalny.

Source: stern.de