Kükentöten: Cem Özdemir will Vorgaben für den Schutz von Küken im Ei anpassen

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Landwirtschaftsminister Özdemir: Reform des Tierschutzgesetzes angepeilt

Landwirtschaftsminister Özdemir: Reform des Tierschutzgesetzes angepeilt


Foto: Fabian Sommer / dpa

Das Bundeslandwirtschaftsministerium plant eine Anpassung der Vorgaben für das Töten von Embryos in Hühnereiern. Das teilt das Ministerium von Cem Özdemir (Grüne) auf Anfrage des SPIEGEL mit. Die Vorgaben könnten etwas lockerer werden. Grund sind nach Ministeriumsangaben neue Erkenntnisse über das Schmerzempfinden von Hühnerembryos im Ei. Damit steht eine erneute Reform des Tierschutzgesetzes noch dieses Jahr im Raum.

»Der neue wissenschaftliche Erkenntnisstand erfordert nach Auffassung des BMEL Anpassungen im Tierschutzgesetz, um Rechtssicherheit zu schaffen sowie Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühner-Ei zu ermöglichen«, teilt das Ministerium mit.

Die schwarz-rote Koalition hatte das Gesetz 2021 angepasst, um das Kükentöten abzuschaffen. Bis dahin wurden männliche Hühnerküken nach dem Schlüpfen in großer Zahl getötet, weil sie keine Eier legen können. Mehr als 40 Millionen Küken wurden in Deutschland pro Jahr zumeist mit Kohlendioxid erstickt. Diese Praxis hat das Bundesverwaltungsgericht verworfen , die Politik reagierte.

Geschlüpfte Küken dürfen mittlerweile nicht mehr getötet werden. Ab Jahresbeginn 2024 soll eine erweiterte Regel greifen, die schon den Embryo im Ei schützt – ab dem siebten Tag. Nur in den ersten Tagen dürfte ein Ei noch vernichtet, ein Embryo getötet werden.

Geschlechtsbestimmung im Ei

Brütereien können also versuchen, mit technischen Verfahren noch im Ei das Geschlecht zu bestimmen, die weiblichen Embryonen ausbrüten und die männlichen aussortieren. Dazu werden verschiedene Verfahren erforscht, erprobt und auch schon eingesetzt. Auch das BMEL hat dafür in den letzten Jahren mehr als acht Millionen Euro für Forschung zur Verfügung gestellt.

Bislang werden allerdings Verfahren eingesetzt, die erst nach dem siebten Tag verlässlich das Geschlecht eines Kükens bestimmen. Wenn das Gesetz so bleibt, könnte die geplante Regel vor allem die Brütereien ab 2024 in Schwierigkeiten bringen.

Das Ministerium ist auch deshalb verpflichtet, dem Agrarausschuss des Bundestags bis zum 31. März dieses Jahres einen Bericht »über den Stand der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei vor dem siebten Bebrütungstag« vorzulegen. So steht es im Gesetz.

Dieser Bericht soll fristgerecht kommende Woche dem Parlament zugehen, auf Anfrage teilte das BMEL nun schon einige Kerninformationen mit.

Ab wann empfinden Embryos Schmerz?

Das Ministerium bestätigt, was die Branche schon lange beklagt: »Ergebnis des Berichts ist, dass Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühner-Ei vor dem siebten Bebrütungstag den Brütereien bis zum 1. Januar 2024 nicht zur Verfügung stehen«, teilt das BMEL mit.

Die Konsequenz: Brütereien wären dann faktisch gezwungen, alle Eier auszubrüten, auch wenn die jungen Hähne für andere Betriebe uninteressant sind. Weil Legerassen, die für Eierproduktion gezüchtet wurden, zu langsam zu wenig Fleisch ansetzen und deshalb nicht als Masttiere taugen, lohnt sich deren Aufzucht wirtschaftlich nicht.

Allerdings liegen dem Ministerium nach eigenen Angaben auch neue Erkenntnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung zum Schmerzempfinden von Hühnerembryonen vor. Diese Frage steht hinter der Suche nach dem Tag, ab dem ein Embryo behandelt werden muss wie ein Küken. Bislang ist dieser genaue Zeitpunkt noch umstritten.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags fasste den Stand der Forschung  2020 zusammen. Demnach bestand Konsens, dass ein Hühnerembryo vor dem siebten Tag keine und nach dem 15. Tag sehr sicher Schmerzen empfinden kann. Dazwischen besteht noch viel Unklarheit. Das BMEL beruft sich jetzt auf neue Erkenntnisse, die den Zeitpunkt konkretisieren.

»Auch die Ergebnisse der Studie zum Schmerzempfinden bei Hühnerembryonen sind Teil des Berichts« an den Bundestag, teilt das BMEL mit. Das Schmerzempfinden sei »anhand der elektrischen Aktivität des Gehirns der Embryonen, deren Blutdruck und Herzfrequenz sowie deren Bewegungen untersucht« worden. Die Studie komme zu folgendem Ergebnis: »Bis einschließlich Bebrütungstag 12 ist davon auszugehen, dass Hühnerembryonen keine Schmerzen empfinden können.« Erst ab Tag 13 könne ein Schmerzempfinden der Embryonen nicht mehr ausgeschlossen werden.


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Das würde bedeuten: Die gesetzliche Vorschrift könnte von sieben auf zwölf Tage geändert werden, ohne den Sinn der Regel aufzugeben. Was es den Unternehmen ermöglichen würde, mit den existierenden Methoden der Geschlechtsbestimmung im Ei weiterzumachen.