Lindner an SPD und Grüne: Der Energiehilfentopf ist tabu

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Das von Christian Lindner (FDP) geführte Finanzministerium schließt einen Griff in den WSF-Nebenhaushalt aus, um neue Projekte der Ampel finanzieren zu können. Nach der internen Analyse, die der F.A.Z. vorliegt, stößt eine solche Umwidmung der Mittel auf hohe verfassungsrechtliche Hürden. Von den 200 Milliarden Euro zur Abfederung der Energiekrise, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinerzeit mit dem vielzitierten Begriff „Doppelwumms“ versehen hat, dürfte ein beachtlicher zweistelliger Milliardenbetrag nicht gebraucht werden.

Nachdem die Preise in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine extrem gestiegen waren, liegen sie nun deutlich unter den Höchstständen gesunken. Offenkundig gibt es bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne Begehrlichkeiten, die nun doch nicht benötigten Mittel für andere Zwecke zu nutzen. Lindner soll sich intern schon festgelegt haben, niemals bei einer solchen Umwidmung mitzumachen.

Ermächtigung vollständig in Anspruch genommen

In dem Papier des Ministeriums wird zunächst daran erinnert, dass der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) „der Abfederung der Folgen der Energiekrise, insbesondere von Preissteigerungen beim Bezug von Gas und Strom in Deutschland“ dient. Zu diesem Zweck könne er für einen bestimmten Katalog Ausgaben tätigen. Ein Großteil der Maßnahmen sei bis zum 30. Juni 2024 begrenzt. Dazu sei das Finanzministerium ermächtigt worden, im Jahr 2022 Kredite von 200 Milliarden Euro aufzunehmen.

Diese Ermächtigung sei auch vollständig in Anspruch genommen worden. Aktuell nicht benötigte Mittel seien der Rücklage des WSF zugeführt worden. „Diese die Regelgrenze der Schuldenregel überschreitende Ermächtigung war nur unter Inanspruchnahme der Ausnahmeregel der Schuldenregel möglich“, heißt es.

In der Folge wird auf den engen Zusammenhang zwischen der WSF-Befüllung und dem Beschluss des Bundestages über die notlagenbedingte Kreditaufnahme verwiesen. Beide nähmen Bezug aufeinander und betonten die Zweckbindung der kreditfinanzierten Mittel fast wortgleich: „Über eine gesetzlich festgelegte Zweckbindung wird sichergestellt, dass die Mittel ausschließlich für die genannten auf Grund der außergewöhnlichen Notsituation und für ihre Bekämpfung notwendigen Maßnahmen eingesetzt werden können.“

Nur in einer „außergewöhnlichen Notsituation“

Die abschließend genannten Maßnahmen seien damals vom Gesetzgeber als geeignet, angemessen und erforderlich angesehen, um die Notlage zu überwinden. Gleiches gilt auch für die sofortige Bereitstellung der Mittel noch im Jahr 2022. „Eine nachträgliche Erweiterung der gesetzlichen Zweckbindung der kreditfinanzierten Mittel des WSF, über die im Beschluss des Bundestages zur Feststellung der Notsituation genannten Zwecke hinaus, für allgemeine staatliche Ausgaben würde gegen diesen grundgesetzlichen Rahmen verstoßen – selbst wenn ein thematischer Zusammenhang mit Auswirkungen der außergewöhnlichen Notsituation bestünde.“

Nun hat die Ampel schon einmal nicht benötigte Kreditermächtigungen umgewidmet, um Vorhaben in ihrer Amtszeit finanzieren zu können. Mit dem 2. Nachtragshaushalt 2021 schob sie Mittel, die die schwarz-rote Koalition in der Pandemie sich vom Bundestag genehmigen hatte lassen, in den Energie- und Klimafonds, heute Klima- und Transformationsfonds. Damals seien die festgelegten Maßnahmen Beschlussgrundlage für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregel der Schuldenregel gewesen, heißt es nun.

Grundlage sei die damalige Beurteilung der Notsituation und die dazu erforderlichen Maßnahmen durch den Bundestag gewesen. „Nachträglich eine andere Bezugsgrundlage „unterzuschieben“, würde dem Beschluss des Deutschen Bundestages die Legitimationsgrundlage entziehen.“ Die Konsequenz lautet aus Sicht von Lindners Leuten: Der Bundestag müsste 2023 einen komplett neuen Beschluss zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation treffen. „Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.“

Daher würde eine Umwidmung der WSF-Mittel das Risiko eines Normenkontrollantrages gegen dieses Gesetz begründen. In Karlsruhe laufe schon ein Verfahren auf Betreiben der Unionsfraktion zum 2. Nachtragshaushalt 2021. „Es ist nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht Bestrebungen des Gesetzgebers, die Voraussetzungen der notlagenbedingten Kreditaufnahme zu unterlaufen, durch Formulierung strenger Maßstäbe begegnet“, warnen sie.

Source: faz.net