Zweites Leben für Karstadt-Filialen? Der Innenstadt-Plan der Baumärkte
Deutschlands Baumärkte zeigen Interesse an freiwerdenden Warenhaus-Standorten der insolventen Kette Galeria Karstadt Kaufhof. „Das kann ein Thema werden“, sagt Peter Wüst, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten (BHB), gegenüber WELT. „Dafür müssen allerdings die Mieten deutlich sinken.“
Grundsätzlich seien solche Innenstadt-Standorte aber spannend für die Branche und es gebe auch jetzt schon viel Bewegung. „Da wurde in den vergangenen Jahren viel getestet“, berichtet Wüst.
Und offenbar auch entsprechender Bedarf erkannt. Hagebau jedenfalls hat mittlerweile mehr als 100 kleine City-Baumärkte mit einer Art Nahversorgersortiment, vorwiegend in Mittel- und Unterzentren. Hießen die Filialen anfangs noch „Werkers Welt“, firmieren sie nun unter dem Label „Hagebau kompakt“.
Obi wiederum ist in Großstädten wie Berlin, München, Köln oder Stuttgart mit aktuell neun kleinen Innenstadt-Läden oder Showrooms vertreten. Weitere Standorte schließt Vertriebsvorstand Franz-Peter Tepaß nicht aus. „Das ist aktuell nicht unser Fokus-Thema. Aber wir schauen da schon drauf“, sagt der Manager, der auch Vorstandssprecher des BHB ist.
Wenn es um die Karstadt- und Kaufhof-Immobilien geht, kämen für Obi aber allenfalls Teile der meist sehr großen Gebäude infrage, dazu müsse die Miethöhe passen, ebenso die Zufahrtsmöglichkeiten für Lieferanten.
Mit den Innenstadt-Formaten wollen die Baumärkte ein Nahversorger sein und sowohl Gelegenheitskäufer beim Stadtbummel ansprechen als auch die Bewohner der jeweiligen Zentren. „Dann muss man nicht für jedes Teil an den Stadtrand fahren“, erklärt Branchenvertreter Wüst.
Kräftiges Umsatzwachstum 2022
Es gehe dabei zum Beispiel um kleine grüne Sortimente, aber auch um Eisenwaren, Werkzeug, Farben, Leuchten und Lampen oder das Thema Basteln – und damit um Warengruppen, die auch bei anderen Händlern in den Innenstädten gut funktionieren. Obi bietet in seinen Stadt-Läden derweil auch Baustoffe wie Zement an, dann allerdings in kleineren Packungsgrößen mit zum Beispiel fünf Kilogramm statt 25.
Klar ist aber, dass in den Citys am Ende immer nur ein Bruchteil der üblichen Sortimentstiefe vorgehalten werden kann. Immerhin bietet ein großer Baumarkt in den klassischen Stadtrandlagen nach Angaben des BHB bis zu 150.000 direkt vor Ort verfügbare Artikel.
Und die waren 2022 vielfach gefragt. Auf fast 22 Milliarden Euro summierte sich der Umsatz der Baumarktbranche mit ihren aktuell 2067 Standorten quer durch die Republik und dazu den entsprechenden Onlineshops. Um fast acht Prozent sind die Erlöse damit gestiegen.
Der größte Teil dieses Anstiegs ist allerdings preisbedingt. Inflationsbereinigt liegt das Wachstum dagegen nur bei knapp einem Prozent. Trotzdem ist die Branche zufrieden, liegen die Umsätze doch nahezu wieder auf dem Niveau des Rekordjahres 2020 als es coronabedingt einen ungeahnten Baumarktboom gegeben hatte.
Aber nicht jedes Sortiment ist gleich gut gelaufen. Denn die Verbraucherstimmung ist deutlich beeinflusst von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges mit Inflation und Rezessionsängsten und der Sorge vor einer Energieknappheit. Gewinner waren dabei vor allem Brennstoffe und Energieträger, dazu Stromerzeuger und Heizlüfter, aber auch die Bereiche Heizung und Sanitär sowie Baumaterial und Bauchemie für zum Beispiel energetisches Sanieren.
Liegen geblieben sind dagegen Saisonklassiker wie Grills oder Pools, dazu Gartenausstattung, Gartenmöbel und Markisen. „Bei Anschaffungen in nicht zwingend notwendigen Bereichen sind die Menschen vorsichtig bis zurückhaltend“, meldet der BHB.
Saisonklassiker werden dieses Jahr günstiger
Gleichwohl hatten sich die Baumärkte besonders gut damit eingedeckt, weil diese Kategorie in den Vorjahren sehr gut gelaufen sind. „Diese Bereiche sind 2022 so stark eingebrochen, wie es niemand für möglich gehalten hat“, ordnet Verbandschef Tepaß bei der Vorlage der Jahresbilanz der Baumärkte ein. „Die Kunden haben ihre Ausgaben neu sortiert.“
Entsprechend voll mit den noch vom Vorjahr überzähligen Artikeln sind aktuell die Läger der Baumarktbetreiber. Tepaß rechnet daher mit einem heftigen Preiskampf in diesen Sortimentsbereichen: „Die Kunden werden es lieben.“
In anderen Segmenten schließt die Branche dagegen weitere Preiserhöhungen nicht aus. „Wir haben noch immer regelmäßige Preisdiskussionen und -verhandlungen mit den Lieferanten“, berichtet der Experte und mahnt Zurückhaltung an. Denn eine entsprechende Balance sei wichtig, um nicht noch mehr Kaufzurückhaltung zu provozieren.
Eine Prognose für 2023 traut sich der BHB erstmal nicht zu. „Das scheint angesichts der weiter ausgesprochen volatilen Lage nicht angeraten“, sagt Vorstandssprecher Tepaß. Es werde stark von den globalen Entwicklungen beim Energiepreis und einer Stabilisierung der Versorgungsketten abhängen, wie sich Kostenstrukturen und vor allem die Verbraucherstimmung entwickeln werden.
„Wir haben aber die Zuversicht, ein nominales Wachstum entlang der Inflationsrate erzielen zu können“, sagt Tepaß. Die ersten beiden Monate liegen seiner Aussage nach auf Vorjahresniveau, der März wiederum sei wegen der schlechten und schwankenden Witterung extrem schwer zu bewerten.
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Source: welt.de