“Manta Manta – Zwoter Teil”: Brrrm, brrrrrrrm, hier kommt ein Debattenbeitrag
Alle paar Jahre, wenn Til Schweiger einen neuen Film
vorstellt, ereignet sich ein mittlerweile gut eingeübtes Ritual: Kritiker
finden den Film doof und flach, Schweiger findet daraufhin Filmkritiker doof
und elitär, alle fahren kurz aus der Haut und versichern sich damit gegenseitig
ihrer unterschiedlichen Rollen. Aller Voraussicht nach wird das Unvermeidliche
erneut passieren, wenn nun Manta Manta – Zwoter Teil startet, der
Nachfolger der berühmten Opelkomödie aus den frühen Neunzigern. Denn, bringen
wir es hinter uns: Der Film ist zum Schreien bescheuert, ein Ärgernis selbst für
die wohlwollendste Zuschauerin, in seiner allumfassenden Grässlichkeit jedoch überaus interessant, vielleicht sogar tauglich als Fallbeispiel. Manta
Manta – Zwoter Teil ist ein zweistündiger Kinounfall, der zeigt, was
passieren kann, wenn man ein Auslaufmodell auf Biegen und Brechen flott für die
Gegenwart machen will.
Natürlich tritt Schweiger ein schweres Erbe an, denn Manta
Manta ist eine Art nationales Heiligtum. Er selbst, aber auch Tina Ruland und Michael Kessler starteten ihre Schauspielkarrieren mit Wolfgang Bülds
Film von 1991, den Bernd Eichinger, Peter Zenk und Martin Moszkowicz
produzierten. Es ging damals vor allem um Autos, um Geschwindigkeit und ums
Gewinnen, und gerade deshalb um viel mehr als das. Im Rückblick ging es aber gerade
nicht um die Frage, ob man lieber die vier Wochen früher gestartete
werksinterne Konkurrenzproduktion Manta – Der Film von Peter Timm sehen sollte.
Die
eigentliche Wahl fand zwischen den Autokomödien Manta Manta und dem
Ost-Pendant Go Trabi Go statt, und sie war ein (zugegeben kleiner) “Beatles gegen Stones”-Moment für das frisch wiedervereinigte Deutschland. Der junge
Hitzkopf Bertie Katzbach (Schweiger) war dabei das Gesicht der working
class people des Westens, die im getunten Opel Manta statt im BMW die Welt sehen und was abhaben wollten von all den
Zukunftsversprechen. Der Ost-Familienvater Udo Struutz (Wolfgang Stumph) wollte in erster Linie mit
seiner Bagage im Trabi nach Italien. Das schaffte er.
Nun, 32 Jahre später, hat Til Schweiger ohne
Ost-Konkurrenz den Nachfolger Manta Manta – Zwoter Teil gedreht, dabei die
Regie übernommen und das Drehbuch gemeinsam mit Michael David Pate verfasst.
Bertie hat mittlerweile eine Autowerkstatt und lebt getrennt von seiner
Jugendliebe Uschi (Ruland). Wie ein anständiger geschiedener Filmvater führt
er ein von Geldsorgen und schleichender Verwahrlosung geprägtes Lotterleben mit seinen Mitarbeitern und seiner
Tochter (Luna Schweiger), die bei ihm wohnt, während sein schnöseliger Sohn bei
der Mutter geblieben ist. Weil Daniel (Tim Oliver Schultz) dort aber nur Mist
baut, wirft ihn der neureiche Stiefvater raus. Bei Bertie findet er es zunächst
erwartbar schrecklich, kommt dem doch nicht so verkehrten Papa aber bald
erwartbar nah, und am Ende muss natürlich ein großes Rennen gefahren werden.
Dazwischen sagt Bertie kurze Sätze wie: “Autos bedeuten Freiheit. Und ich liebe
Freiheit. Deshalb sind Autos mein Beruf geworden.” Aber so richtig zu spüren
kriegt man den Fahrtwind im Haar nie.
Auch die Ruhrpottigkeit des ersten Teils wurde getilgt. Manta
Manta – Zwoter Teil spielt überwiegend an Orten, an denen sich die Zuschauerin der
Klassenunterschiede der Figuren versichern kann: in Berties rumpeliger
Autowerkstatt etwa, wo Männer Motoröl zu schwitzen scheinen, aber dennoch Gefühle
zeigen dürfen, oder in der sterilen Villa von Uschis neuem Mann. Den kann Moritz
Bleibtreu spielen, weil er in diesem deutschen Film mal keine der Figuren mit
Migrationsgeschichte spielen muss. Die werden tatsächlich von Schauspielern mit
Migrationsgeschichte gespielt, was allerdings nicht bedeutet, dass man sie mit
besonderem Fingerspitzengefühl behandelt.
Berties Freund und Mitarbeiter Salem (Tamer Tıraşoğlu)
betritt die Werkstatt mit den Worten “Salam Aleikum, wo ist mein Döner?”, sein
Kumpel Klausi (Kessler) kommentiert beim Essen mit den Eltern seiner türkischstämmigen Freundin Siri (Nilam Farooq) die Köfte auf seinem
Teller mit “Echt köftlich” und spricht Herrn Aslan versehentlich mit “Herr
Arschlan” an. Auch wer solche Scherze unter keinen Umständen rassistisch oder
zumindest ignorant finden möchte, wird zugeben müssen, dass sie brutal unlustig
sind.
Obwohl Schweiger und Pate in ihrem Drehbuch mit den
marginalisierten Charakteren wirklich liebevoll umspringen wollen, geht der
erste Lacher immer recht verlässlich auf deren Kosten, auch dann etwa, wenn
Bertie auf der Führerscheinstelle einer transgeschlechtlichen Beamtin begegnet,
die er noch unter ihrem alten, männlichen Namen kannte. Nach der anfänglichen
Irritation akzeptiert sie der kernige, aber (Obacht!) keineswegs gestrige
Kerl natürlich als attraktive Frau (und kriegt am Ende den verdienten Lohn für
so viel Toleranz).
Das Deprimierendste an diesem maximal undeprimierend
inszenierten Film ist, dass die besten Absichten aller Beteiligten immer zu spüren
bleiben. Salem darf Bertie grammatisch korrigieren und auch mal weinen, Klausi
und sein Schwarzer Buddy Tyrese (Ronis Goliath) küssen sich im Bierchenrausch auf den
Mund. Schweiger und Pate sind immer auch darum bemüht, Klischees zu
dekonstruieren, allerdings derart aufdringlich, dass man sich schon fragt, für
wie ressentimentgetrieben sie ihr Publikum eigentlich halten – oder mit welchen
Bildern im Kopf sie selbst sich ihren Figuren nähern.
Seine eigene Figur spielt Schweiger als müden König in seinem
Kfz-Reich, der sich selbst wissend als “alter weißer Mann” ausweist. Sein
Bertie soll kein rebel without a cause mehr sein, sondern ein großer,
Grenzen überwindender Versöhner, in dessen linkischer Männerumarmung alle
gemeinsam zum Ablachen und Mitfiebern zusammenkommen dürfen: Arm und Reich,
Schwarz und Weiß und auch alle, die gar nicht mehr wissen, was man überhaupt
noch sagen darf in diesem Land.
Weil aber ein Film schwer gleichzeitig Milieustudie mit
Bierhumor und debatteninformierte Familienkomödie sein kann, behelfen sich die überforderten
Beteiligten bald mit den simpelsten aller Tricks. Es gibt Kackawitze,
Pupswitze oder auch Sexwitze, in denen das klassische und unvergessene Eissortiment
von Langnese (Ed von Schleck, Bum Bum und Flutschfinger) eine entscheidende
Rolle spielt. Tatsächlich ist all das so furchtbar, dass man sich Momente wie
die humorhandwerklich durchaus rustikale Misswahlszene aus dem ersten Teil zurückwünscht.
Ein paar Gags immerhin verweisen auf das Original.
Michael Kessler zum Beispiel pinkelt diesmal nicht in seine eigenen Stiefel,
sondern in fremde. Auch der Manta darf noch mal in seinen berühmten Signalfarben
auffahren. Ansonsten scheint
sogar den Autos das Ganze irgendwie peinlich zu sein. Sie werden von
Statussymbolen runtergestuft zu Nebendarstellern, die waidwund in Berties
Werkstatt herumstehen als das, was sie offenbar auch in ihrem eigenen
Showcasefilm darstellen sollen: von Melancholie umwehte Artefakte einer
anderen, längst vergangenen, angeblich einfacheren Zeit.
Manta Manta war von einer kraftvollen
Einfalt, die von Herzen kam und bestens in die Volles-Rohr-Stimmung des
bundesrepublikanischen Fernsehens der Neunziger passte. Niemals schämte sich dieser Film
für seine Zoten, zu keinem Zeitpunkt behelligte er einen mit didaktischen
Absichten. Der Zwote Teil ist ein Film wie ein lästig gut gelaunter Mann
am Grill, der ständig davon redet, gar kein typischer Mann zu sein – und der dann
sehr laut rülpst.
In der Eingangsszene von Manta Manta – Zwoter Teil begleitet man
Bertie, wie er führerscheinlos auf dem Fahrrad über eine Landstraße fährt und Brrrum-Brrrrrum-Autogeräusche
macht, während dazu Wind of Change von den Scorpions läuft. Das ist tatsächlich
der bestmögliche Auftakt für einen Film, der eine Antwort auf die Frage geben
will, ob man heute, wo die Autobahn einer von vielen Schauplätzen des Kulturkampfs ist, noch einen sorglosen Brrrum-Brrrrrum-Autofilm machen
kann wie vor 32 Jahren. Wie bei nahezu allen “Darf man noch?”-Fragen lautet die
Antwort: Klar, man darf das. Blöd nur, dass sich im Laufe des Films dann herausstellt:
Ausgerechnet Til Schweiger selbst scheint das nicht so recht zu glauben.
“Manta Manta – Zwoter Teil” läuft in deutschen Kinos.