News des Tages: Markus Söder, Nord-Stream-Pipelines, Audi-Chef Stadler

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1. Die riesigen Pläne der Mächtigen kommen am Ende zum Halt – oder doch nicht?

Markus Söder (CSU) hat perfektioniert, was Werber 360-Grad-Kommunikation nennen. Nicht nur, dass seine Leute für ihn alle Plattformen bespielen, TikTok, Insta, Lokalzeitung, Bierzelt, Talkshow. Nein, auch Sachfragen beantwortet Söder zuverlässig nach dem 360-Grad-Prinzip. Unter den Ministerpräsidenten ist er der Kompass mit Quartz-Laufwerk (mindestens ein schiefes Sprachbild gehört in jeden Newsletter).

Jetzt saß Söder wieder bei Markus Lanz und schloss eine Kanzlerkandidatur aus: »Für mich ist das Thema erledigt.« Seine Lebensaufgabe sei Bayern. Nachfrage Lanz, ob er das Angebot auch dann ablehnen würde, wenn es denn käme. Söder: »Mal abgesehen davon, dass es nicht kommt: Ich stehe da nicht zur Verfügung.« (Hier mehr dazu.)

Schmeißen wir kurz den Fluxkompensator  an und reisen zurück in der Zeit.

  • Dezember 2018, in wenigen Wochen will er sich zum CSU-Vorsitzenden wählen lassen. Zur Kanzlerfrage sagt er: »Die CSU hat da keine Ambitionen.« Seine Kernaufgabe liege in Bayern.

  • August 2019, Söder sagt im ARD-Sommerinterview: »Ich habe meine Aufgabe in Bayern.« Er betont, dass er sich wie die Mehrheit der Menschen in Deutschland einen Kanzler Söder nicht vorstellen könne. Auf Nachfrage schließt er auch für die Zukunft Ambitionen auf den Kanzlerposten aus.

  • Oktober 2019, Söder kokettiert: Zwei Mal habe die CSU Kanzler werden wollen. »Keine Sorge – es bleibt bei zwei.«

  • Februar 2020: »Ohne die CSU wird es keinen Kanzlerkandidaten geben, und ohne die Stimme aus Bayern kann kein Unionsmann gewählt werden.« Und: »Mein Platz ist hier, in Passau, in Bayern – und nicht in Berlin.«

  • Mai 2020: »Ich bin nicht Kanzlerkandidat.«

  • Juli 2020: »Meine Aufgabe ist in Bayern.«

  • September 2020: »Es muss schon irgendeinen Grund haben, warum die CSU nie einen Kanzler gestellt hat.«

  • 8. April 2021, Söder liegt in Umfragen vor Armin Laschet: »Umfragen spielen natürlich eine wichtige Rolle.«

  • 11. April 2021, gemeinsamer Auftritt mit Laschet: »Wir haben festgestellt, dass beide geeignet und beide bereit sind.« Söder fügt hinzu: »An seiner und an meiner Entschlossenheit gibt es keinen Zweifel.«

  • 24. April 2021, Söder ist Laschet unterlegen. Der CSU-Chef sagt, er wolle sich in vier Jahren nicht erneut um die Kanzlerkandidatur bemühen. Zumindest halte er das für »außerordentlich unwahrscheinlich«.

Meine Kolleginnen Anna Clauß und Sara Sievert analysierten erst vor wenigen Wochen die Methode: »Söder versucht gar nicht, seine Neigung zum Wendehals zu verschleiern« , schrieben sie. »Es heißt dann, die Zeit habe sich verändert, die Umstände seien andere, die Fakten neu – folglich müsse er auch seine Meinung ändern und anpassen.« Wie er sich künftig zur K-Frage äußern wird? Leider ist der Fluxkompensator gerade kaputtgegangen.

Sara und mein Kollege Florian Gathmann haben jetzt den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, gefragt, ob er glaubt, dass Söder doch noch Ansprüche anmeldet. Die Antwort: »Mit dieser Frage beschäftige ich mich nicht.«

2. Die im Dunkeln sieht man nicht – oder doch?

Irgendwo in Großbritannien sitzt ein Mann im Ruhestand mit Kopfhörern in seiner Wohnküche und hört Funkfrequenzen ab. Andere Rentner lösen Kreuzworträtsel, machen Kreuzfahrten, schrauben an Oldtimern, studieren Philosophie, lesen an Schulen vor oder holen die Enkel von der Kita ab. Dieser Mann aber, nennen wir ihn James, arbeitete bis 2018 für die britischen Geheimdienste, dann hat er seinen Beruf zum Hobby gemacht: Er sucht nach Spuren russischer Schiffe, die ihr automatisches Identifikationssystem ausgeschaltet haben. James erstellt Bewegungsprofile dieser Dark Ships. Eine Figur, wie sie John le Carré nicht besser hätte entwerfen können.

So kam James einem bislang nicht öffentlich bekannten seltsamen Aufenthalt russischer Dark Ships auf die Schliche, die in der Nähe der späteren Explosionsorte an den Nord-Stream-Pipelines unterwegs waren. Mindestens eines, die rund 86 Meter lange »Sibirjakow«, ist ausgerüstet für Unterwasseroperationen. Und er konnte auffällige Erkundungsfahrten russischer Forschungsschiffe rekonstruieren, die er in der Nähe von Offshore-Windparks und wichtiger Seekabel ortete.

Ein skandinavisches Recherche-Konsortium um den dänischen Sender DR teilte die Daten vorab mit meinen Kollegen Roman Lehberger, Frederick Obermeier und Marcel Rosenbach . »Die Geschichte des einsamen Lauschers klang zunächst verrückt, aber die von ihm mitgeschnittenen Positionsdaten ließen sich anhand von Satellitenbildern verifizieren«, sagt Marcel. Ich stelle mir James als einen Smiley mit Kopfhörern  vor – und ich benutze keine Emojis.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Selenskyj erfuhr erst aus den Medien von US-Datenleck: »Definitiv eine ungute Sache«: In einem US-Interview spricht der ukrainische Präsident über die Datenpanne der USA und die holprige Kommunikation mit Washington. Seinen Ärger kann er dabei kaum verhehlen.

  • Weiterer russischer Güterzug angeblich durch Anschlag entgleist: Erst am Montag meldeten russische Behörden eine Sprengstoffattacke auf einen Güterzug. Einen Tag später soll es weitere »illegale Eingriffe in die Arbeit des Eisenbahnverkehrs« gegeben haben.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

3. Verfolgt das Unrecht nicht zu sehr – oder doch?

Viele Autofahrende scheinen sich mehr über diejenigen aufzuregen, die sich vor ihnen auf der Fahrbahn festkleben, als über diejenigen, die verantwortlich sind für den Dreck, der hinten aus ihrem Auto rauskommt. Jetzt, fast acht Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals, hat der frühere Audi-Chef Rupert Stadler ein Geständnis angekündigt. Der Deal sieht eine Bewährungsstrafe von eineinhalb bis zwei Jahren vor und eine Zahlung von 1,1 Millionen Euro an eine gemeinnützige Organisation.

»So erleben die Zuschauer im Münchner Justizpalast ein groteskes Finale im ersten Strafprozess in Deutschland zu dem Jahrhundertskandal um manipulierte Abgaswerte«, berichtet mein Kollege Martin Hesse . Einige Formalia sind noch abzuwickeln, aber noch im Juni dürften die ausgehandelten Urteile verkündet werden. Er sei zufrieden, sagt ein Anwalt, einfach, weil es endlich vorbei sei. »Der Mann sprach aus, was wohl alle an dem Prozess Beteiligten empfunden haben, vom Richter über die Staatsanwälte bis zu den Angeklagten und ihren Verteidigern sinken alle erschöpft auf die Matte. Hauptsache vorbei«, so Martin.

Für die betroffenen Kunden aber, für die vielen unschuldigen Mitarbeiter der an der Manipulation beteiligten Konzerne und für alle auf einen funktionierenden Rechtsstaat vertrauenden Bürger ist der Diesel-Deal frustrierend. »Er dürfte die meisten Menschen ratlos hinterlassen«, findet Martin. »Die Geständnisse von München sind erzwungen, sie sind taktischer Natur und sie kommen Jahre zu spät.«


Podcast Cover


Was heute sonst noch wichtig ist

  • Ungarn beschließt Justizreform: Die EU blockiert Milliarden wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Mit einer Gesetzesnovelle will das Parlament in Budapest die Unabhängigkeit der Justiz stärken und Brüssel zu einer Freigabe der Gelder bewegen.

  • Irans Präsident besucht Syrien – und droht Israel: Iran und Syrien haben in Israel einen gemeinsamen Feind. Kurz vor seiner ersten Reise nach Damaskus beschwört der iranische Präsident Ebrahim Raisi die »Achse des Widerstands«.

  • Apple und Google streben Industriestandard gegen Stalking an: Ortungsgeräte wie Apples AirTags werden nicht nur für die Suche nach verlorenem Gepäck genutzt – auch Stalking wird damit betrieben. Apple und Google wollen das mit Technologie verhindern.

  • Rheinland-Pfalz erlaubt Einfuhr nicht zugelassener Medikamente: Vor allem Antibiotikasäfte für Kinder sind knapp. Vorübergehend sollen in mehreren Bundesländern gelockerte Importregeln die Versorgung sichern. Auch Rheinland-Pfalz entschied sich nun dafür.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Wie soll ein Lehrer reagieren, wenn ein Schüler den Hitlergruß zeigt? Hakenkreuze und rechte Parolen: Lehrkräfte aus Brandenburg klagen über Rechtsextremismus an ihrer Schule. Ihr Hilfeschrei beschäftigt nun die Politik. Konfliktberater Markus Klein sieht die Verantwortung bei der Schulleitung .

  • Warum vor allem junge Briten die Monarchie abschaffen wollen: Der König lebt weniger ökologisch, als er sich gibt, und die Krönungszeremonie gehört nach Disneyland: In Großbritannien rüsten sich die Gegner der Monarchie .

  • Die drei Gefahren für Amerikas Wirtschaft: Die USA trudeln am Rande einer Rezession. Nun könnten die wieder aufgeflammten Bankenturbulenzen und die drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes zum Absturz führen. Warum die Notenbank weitgehend machtlos ist .


Was heute weniger wichtig ist

Kevin Costner und seine Frau Christine Baumgartner bei der Oscar-Verleihung 2022

Kevin Costner und seine Frau Christine Baumgartner bei der Oscar-Verleihung 2022


Foto: Jordan Strauss / Invision / AP

Allein zu Haus: Hollywoodstar Kevin Costner, 68, und seine Frau Christine Baumgartner, 49, lassen sich nach 18 Ehe- und 24 gemeinsamen Jahren scheiden, wie ein Sprecher der Familie der Nachrichtenagentur AP bestätigte. Der Grund für die Trennung seien »unüberbrückbare Differenzen«. Etwas kryptisch hieß es weiter: »Es ist sehr bedauerlich, dass Umstände außerhalb seiner Kontrolle dazu geführt haben, dass Herr Costner nun an einem Scheidungsverfahren teilnehmen muss.«

Mini-Hohlspiegel

Aus dem Nachrichtenblatt der Gemeinde Dischingen

Aus dem Nachrichtenblatt der Gemeinde Dischingen

Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.

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Illustration: Thomas Plaßmann


Und heute Abend?

Patrick Stewart als Picard: Bildungsbürger in Uniform

Patrick Stewart als Picard: Bildungsbürger in Uniform


Foto: Trae Patton / Paramount+

Könnten Sie, falls Sie es nicht längst getan haben, endlich das Staffelfinale von »Star Trek: Picard« gucken . Ist schließlich seit schon anderthalb Wochen abrufbar bei den Streamingdiensten von Paramount  und Amazon . Und die letzte Episode vereint alles, was »Star Trek« ausmacht: das Vertrauen in die Wissenschaft, die Hoffnung auf den Humanismus und den Trost der Osterbotschaft. Nicht zu glauben? Doch, doch. (Hier mehr dazu. )

Oder Sie gucken die neue Folge »Ted Lasso«, seit heute abrufbar bei Apple TV+ . Zum Schießen.

Machen Sie es so. Ihnen einen schönen Abend, herzlich

Ihr Oliver Trenkamp, Blattmacher in der Chefredaktion