Flüchtlingsgipfel: Länder fordern eine Milliarde Euro Flüchtlingshilfe zusätzlich
Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben die Bundesregierung vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt zu einer deutlichen Aufstockung der Bundesmittel für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten aufgerufen. “Der Bund wird für das Jahr 2023 die Flüchtlingspauschale an die Länder um eine Milliarde Euro erhöhen, damit die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren”, fordern die Länder in einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), der ZEIT ONLINE vorliegt. Die Folgen des russischen Angriffskrieges stellten Länder und Kommunen vor große Herausforderungen, schreiben die Länderchefs in dem Papier.
Bei dem Treffen im Kanzleramt wollen Bund und Länder nun über die weitere Organisation der Flüchtlingsunterbringung beraten. Angsichts der in den vergangenen Monaten wieder deutlich gestiegenen Zahlen an Geflüchteten aus arabischen und afrikanischen Ländern und der Aufnahme hunderttausender Ukrainerinnen und Ukrainer fordern die Städte und Gemeinden seit Monaten mehr Geld vom Bund. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt das bislang ab.
Weil hofft auf konkrete Ergebnisse
Das Gremium der Landesregierungschefs hatte sich vor dem Gipfel im Kanzleramt getroffen. “Wir wollen heute versuchen die Bundesregierung zu überzeugen, dass Hilfen für die Kommunen zwingend nötig sind”, sagte der aktuelle MPK-Vorsitzende, Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), nach den Beratungen mit seinen Amtskollegen.
Er hoffe, dass der Gipfel für das laufende Jahr konkrete Ergebnisse bringen könnte, sagte Weil. Die Frage der Finanzierung von Unterbringung und Integration der geflüchteten Menschen stelle sich aber auch für die kommenden Jahre. Der Finanzbedarf lasse sich dabei nicht, wie vom Bund vorgesehen, durch pauschale Jahreszahlungen ermessen. Es brauche ein “atmendes” und “dynamisches” System, das sich an der Zahl der aktuell zu versorgenden Menschen orientiere, sagte Weil. Diese Zahl schwanke sehr stark und habe im vergangenen Jahr wieder stark zugenommen.
Wüst sieht den Bund in der Verantwortung
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende MPK-Chef, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst. “Es geht bei der Frage der Flüchtlingsfinanzierung nicht um Rechentricks, sondern um politische Verantwortung”, sagte der CDU-Politiker. Die Länder würden die Forderung der Kommunen, dass der Bund die Kosten der Unterbringung komplett tragen solle, unterstützen, sagte Wüst. “Weil der Bund über die Steuerung des Zuzugs entscheidet, muss er auch die finanziellen Verantwortung für die Folgen seiner Entscheidung tragen”. Der Kanzler müsse das Thema “jetzt zur Chefsache machen, Verantwortung übernehmen und Führung zeigen”, sagte Wüst.
Die Bundesregierung habe bei dem Thema bedauerlicherweise kein ausreichendes Problembewusstsein gezeigt, kritisierte Wüst. Wenn man den Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, gerecht werden wolle, müsse aber jede Ebene des Staates ihre Verantwortung tragen. Die Länder seien sich in ihrer Position parteiübergreifend einig, sagten sowohl der Christdemokrat Wüst als auch der Sozialdemokrat Weil.
Länder fordern Reduzierung “irregulärer Migration”
Abgesehen von den akuten finanziellen Fragen forderten die Ministerpräsidentinnen auch langfristig einen Kurswechsel in der Migrationspolitik. “Um Bund, Länder und Kommunen zu
entlasten, ist die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren”, schreiben die Länderchefs in ihrem Papier.
Dabei sei auch die künftige Migrationspolitik der EU entscheidend, sagte Weil vor dem Treffen. Der Niedersachse forderte unter anderem Rücknahmeabkommen mit Ländern, deren Bürger in der EU in der Regel kein Asyl bekommen. Außerdem müsse konsequenter abgeschoben werden und die Digitalisierung in den Ausländerbehörden vorangetrieben werden. Die Linie der Bundesregierung, Asylverfahren an den EU-Außengrenzen zu ermöglichen, würden die Länder unterstützen, sagte Weil.