Die EZB will die Zinsen weiter erhöhen

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Der frühere Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon gehörte während seiner Amtszeit von 2012 bis 2017 zu den schärfsten Kritikern der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Er warf der EZB etwa vor, mit ihren Anleihekäufen „den Keim für die nächste Finanzkrise zu legen“, und befürchtete, dass die Sparkassen durch die 2014 eingeführten Negativzinsen gezwungen seien, „zu Renditejongleuren, Kredithasardeuren oder Liquiditäts-Schnäppchenjägern zu werden“. Fahrenschons Nachfolger Helmut Schleweis hingegen schlug ab 2018 erst etwas resigniert moderatere Töne gegenüber der EZB an.

Seit Sommer 2022 nun unterstützen die Sparkassen die regelmäßig erfolgenden Zinserhöhungen der EZB. In die nächste Phase trat diese komplizierte Beziehung nun an diesem Donnerstag: Schleweis erwähnte vor den 2700 Teilnehmern des 27. Sparkassentages in Hannover in seiner mehr als halbstündigen und mit Standing Ovations bedachten Rede die Zinspolitik der EZB noch nicht einmal mit einem Wort.

Digitaler Euro als zentrales Thema

Das lag nicht daran, dass er wusste, dass nach ihm EZB-Präsidentin Christine Lagarde sprechen würde. Dabei ist schon das eine Rarität. Lagardes Vorgänger Mario Draghi war allen Sparkassentagen ferngeblieben. Der Letzte, der auf dieser in der Regel alle drei Jahre stattfindenden Veranstaltung für die EZB sprach, war Präsident Jean-Claude Trichet im Jahr 2004. Auch gehen die Sparkassen heute keinen Konflikten mit der EZB aus dem Weg.

Es gibt für Schleweis nur derzeit wichtigere Themen als Zinspolitik: den digitalen Euro etwa, den die EZB prüft, als Zentralbankgeld einzuführen, und der – so die Befürchtung nicht nur der Sparkassen, sondern auch der im Bundesverband der privaten Banken vertretenen Geschäftsbanken wie Deutsche Bank und Commerzbank – zum Wettbewerber im Zahlungsverkehr werden könnte. So gilt die von EZB-Direktor Fabio Panetta in die Diskussion gebrachte Obergrenze von 3000 Euro für von Verbrauchern auf Konten in der EZB gehaltenen digitalen Euros für willkürlich gewählt und steigerbar.

Schleweis, offenbar einen Abgang von Einlagen von den Sparkassen zur EZB befürchtend, fragte in seiner Rede, ob die Notenbank überhaupt Konten für Endkunden führen solle. Und ob mit von der EZB programmiertem Geld Zahlungen politisch gelenkt und Nachverfolgung ermöglicht würde. Lagarde reagierte in ihrer Rede darauf, abweichend vom Manuskript. Der digitale Euro werde das Geschäft der Geschäftsbanken sein, nicht das der EZB, stellte sie klar. Die Leute sollten wählen können, ob sie mit Bargeld oder mit digitalem Euro bezahlten.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach sich in seiner frei gehaltenen Rede dafür aus, dass die EZB innovativ sei und digitales Zentralbankgeld einführe, als strategische geopolitische Maßnahme etwa mit Blick auf China, das den digitalen Yuan vorantreibt. Lindner ist auch dafür, dass die Deutschen unmittelbar durch ein EZB-Konto Zugang zum digitalen Zentralbankgeld erhielten, dies sei erforderlich in Zeiten zunehmender Online-Einkäufe. Aber die digitalen Zahlungen müssten ähnlich anonym und datengeschützt sein wie mit Bargeld. Lindner brachte es so auf den Punkt: Der Kauf von Schokolade müsse mit digitalen Euros möglich sein, auch wenn er gesundheitspolitisch vielleicht nicht erwünscht sei.

Augenmerk auf Preise, die dauerhaft die Inflation bestimmen

EZB-Präsidentin Lagarde ließ keinen Zweifel daran, dass die Inflation zu hoch ist und weitere Zinserhöhungen zu ihrer Bekämpfung nötig seien – wahrscheinlich das nächste Mal am 15. Juni. Seit Juli 2022 hat die EZB ihren Einlagenzins um 3,75 Prozentpunkte von minus 0,5 Prozent auf 3,25 Prozent erhöht. Wie stark der Leitzins noch steigen müsse, werde vor allem davon abhängen, wie Unternehmen und Arbeitnehmer den Spielraum nutzten, dass die Energiepreise nicht mehr stiegen. Dies sei nicht von der EZB zu entscheiden, sagte Lagarde. Vielmehr könnten Unternehmen ihre Güterpreise weniger stark als zuletzt erhöhen oder sogar senken, das würde die Inflationsraten dämpfen. Die Unternehmen könnten ihren Mitarbeitern aber auch höhere Löhne bieten, die, nach Angaben der EZB-Präsidentin real, also nach Abzug der Inflation in Deutschland, noch 4 Prozent unter dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie lägen. Allerdings erhöhte sich dann die Gefahr hartnäckiger hoch bleibender Inflation.

Zumindest werde die EZB ihre künftigen Zinsentscheidungen nicht nur vom mittelfristigen allgemeinen Inflationsausblick abhängig machen. Vielmehr werde die EZB über die von Nahrungsmitteln und Energiepreisen bereinigte Kerninflation hinaus ihr Augenmerk auf die Preise legen, die besonders dauerhaft die Inflation bestimmten, kündigte Lagarde an.

Lindner will die EZB im Kampf gegen die Inflation dahin gehend unterstützen, dass die Bundesregierung die Schuldengrenze einhält. Es wäre in Zeiten hoher Inflation kontraproduktiv, mehr Schulden zu machen, sagte der Finanzminister. Die Schuldengrenze sei nicht sein persönlicher Fetisch, sondern ein Gebot der Verfassung und der wirtschaftlichen Vernunft.



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