Film „Trenque Lauquen“ von Laura Citarella

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Die Kleinstadt Trenque Lauquen liegt gut 450 Kilometer westlich von Buenos Aires aus im Landesinneren Argentiniens. Der Name stammt aus der Sprache der indigenen Mapuches und bedeutet so viel wie „runde Lagune“. Das Gewässer, mitten im Stadtpark, hat zentrale Bedeutung in dem Film „Trenque Lauquen“ von Laura Citarella. Denn es gibt dort so etwas wie eine Erscheinung. Ein Wesen taucht auf: ein Kind? Ein Tier? Ein Mutant? Alle diese Möglichkeiten stehen für eine Weile im Raum, bleiben aber offen. Denn Offenheit ist das wichtigste Prinzip in diesem außergewöhnlichen zweiteiligen vierstündigen Erzählkunstwerk, in dem es vor allem darum zu gehen scheint, Spuren auszulegen, die sich dann in der Landschaft verlaufen.

Eine dieser Spuren ist der Filmtitel: Trenque Lauquen gibt es tatsächlich, man findet die Stadt auf der Landkarte, und man kann dort offensichtlich alles finden, was es zum Leben so braucht, von einem Krankenhaus bis zu einem chinesischen Supermarkt. Aber ohne diesen Kontext bilden die beiden Wörter zuerst einmal einen rätselhaften Klang. Wer einfach „Trenque Lauquen“ irgendwo liest, wird sich fragen: Was ist das für eine Sprache? Welche Welt mag sich dahinter verbergen? Und schon ist man mitten drin in dem Gespinst, das Laura Citarella auslegt. In zwölf Kapiteln, mit denen sie uns einmal im Kreis führt und zugleich auf immer neue Ebenen.

Die blaue Blume ist gelb und wächst im Unscheinbaren

Am Anfang stehen zwei Männer, die eine Frau suchen. Rafael und Ezechiel („Chicho“) stapfen durch die struppige flache Landschaft. Sie klopfen an Haustüren und hoffen auf einen Hinweis. Denn Laura ist verschwunden. Sie war wohl die Freundin von Rafael, mit dem sie sogar in ein gemeinsames Haus ziehen wollte. Doch eine Botschaft, die sie hinterlassen hat, richtete sich vielleicht eher an Chicho, jedenfalls steckt er den Zettel ein, auf dem ein kleines Gedicht steht: „me voy, me voy“. Ich bin dann mal weg auf Spanisch. Laura ist Biologin, oder „beinahe Biologin“, wie es später in einem ganz anderen Kontext noch einmal genauer heißen wird. Ihre akademische Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen. Zugleich deutet „Trenque Lauquen“ an, dass die Suche nach einer seltenen Pflanze, auf der Laura sich befindet, eher etwas mit Parawissenschaft zu tun hat. Oder mit Romantik.

Die blaue Blume ist hier gelb und wächst im Unscheinbaren. Ganz nach dem Prinzip der Matrjoschka-Puppen packt Laura Citarella dann in jedem Kapitel eine neue Überraschung aus. Denn Laura, die bald auftaucht, allerdings in einer Rückblende (in der Erzählgegenwart bleibt sie verschwunden), lässt sich ablenken. Sie hat in einer Radiosendung eine Kolumne über berühmte Frauen in der Geschichte und liest in diesem Zusammenhang etwas über Alexandra Kollontai, die Revolutionärin auch einer befreiten Sexualität in der frühen Sowjetunion. Laura stößt in der Bibliothek auf Zeugnisse einer großen Passion aus den Sechzigerjahren. Eine Frau namens Carmen Zuna hat wohl ihre Liebesbriefe in Bibliotheks­exemplaren versteckt – für eine zufällige Nachwelt. Laura identifiziert sich stark mit ihr und bezieht dabei auch den gutmütigen Chicho ein, der ihr Chauffeur ist, nun aber von der Strahlkraft von Carmen Zunas Begehren selbst in ein anderes Licht gerückt wird. Es kommt zu einem Kuss. Fotografien werden inspiziert. Aus Spekulationen werden Legenden, aus Legenden neue Geheimnisse.



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