Vor Besuch bei der Queen: Die Beinprothese des Getöteten benutze er als Bierglas

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Der Prozess um die Ehre von Benjamin Roberts-Smith dauerte 110 Tage und kostete schätzungsweise 25 Millionen Australische Dollar – umgerechnet rund 15 Millionen Euro. Er löste einen gewaltigen Medienrummel in Australien aus und machte Roberts-Smith zum Gesicht mutmaßlicher australischer Kriegsverbrechen in Afghanistan. Dabei stand der 44-jährige Veteran selbst nicht vor Gericht. Vielmehr hatte er den Prozess angestrebt, nachdem ihm mehrere Tageszeitungen Kriegsverbrechen vorgeworfen hatten. Der Ex-Soldat wies die Behauptungen als falsch zurück.

Roberts-Smith galt als Vorzeigesoldat. Für seinen Einsatz in Afghanistan hatte er das Victoria-Kreuz erhalten, die höchste Auszeichnung für Tapferkeit im Krieg. Sein Foto mit Queen Elizabeth ist legendär, im Museum des Kriegerdenkmals in der Hauptstadt Canberra ist seine einstige Uniform ausgestellt.

Im Jahr 2013, nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Militärdienst, war er zum „Vater des Jahres“ gekürt worden. Nach weiteren zwei Jahren endete auch seine Zeit als Reservist. Anschließend übernahm er hohe Führungspositionen, zuletzt beim Medienkonzern Seven West Media, dessen Vorsitzender den Prozess für ihn finanziert haben soll.

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Der „Sydney Morning Herald“, „The Age“ und die „Canberra Times“ hatten Roberts-Smith 2018 den Mord an sechs afghanischen Männern vorgeworfen, die nach Angaben der Zeitungen bereits gefangengenommen worden waren, beziehungsweise keine Gefahr mehr darstellten.

In dem afghanischen Dorf Darwan soll Roberts-Smith im September 2012 einen mit Handschellen gefesselten Bauern über eine zehn Meter hohe Klippe in ein trockenes Flussbett getreten haben. Dann sollen seine Untergebenen den verletzten Mann, der sich bei dem Sturz mehrere Zähne ausgeschlagen hatte, zu einem Baum gezerrt und auf seine Anweisung hin erschossen haben.

Benjamin Roberts-Smith im November 2011 vor dem Buckingham Palace in London

Benjamin Roberts-Smith im November 2011 vor dem Buckingham Palace in London

Quelle: Lewis Whyld/WPA Pool/Getty Images

Ein weiterer Einsatz, der vor Gericht behandelt wurde, fand im April 2009 statt, als australische Spezialeinheiten ein von den Taliban gehaltenes Areal namens „Whiskey 108“ angriffen. Laut den Zeitungsberichten hat Roberts-Smith einen der Männer, der eine Beinprothese trug, außerhalb des umkämpften Geländes mit einem Maschinengewehr mindestens zehnmal in den Rücken geschossen und getötet. Die Prothese habe er als Trophäe behalten und daraus später mit Kameraden Bier getrunken.

Einen zweiten Mann habe Roberts-Smith von einem jungen Soldaten erschießen lassen – als Initiation für den Schützen. Beide Opfer waren demnach aus dem Tunnel, in dem sie sich versteckt hatten, unbewaffnet herausgekommen und hatten sich ergeben. Dass sie sich bereits in Gefangenschaft befanden, macht ihre Tötung laut der Genfer Konvention zum Kriegsverbrechen. Australische Soldaten werden dazu umfassend geschult.

Unbewaffneter Teenager erschossen

Bereits im Jahr 2006 kam es den Medienberichten zufolge zu einem Vorfall am Chora-Pass in Afghanistan. Ein einheimischer, unbewaffneter Teenager war von der australischen Einheit als ungefährlich eingestuft worden, doch Roberts-Smith befahl wenig später bei seiner Ankunft vor Ort, den jungen Mann zu jagen und zu töten. Später behauptetet er, zwei bewaffnete Aufständische hätten sich der Patrouille genähert.

Das Land arbeitet seit ein paar Jahren Vergehen seiner Truppen in Afghanistan auf. Im März dieses Jahres wurde erstmals ein ehemaliger Soldat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen vor einem Zivilgericht angeklagt. Ein Untersuchungsbericht aus dem Jahr 2020 war zu dem Schluss gekommen, dass australische Elitesoldaten zwischen 2005 und 2016 vermutlich 39 Zivilisten und Gefangene in Afghanistan ermordet haben.

Dass Richter Anthony Besanko am Donnerstag zu dem Schluss kam, dass die Recherchen der Journalisten im Wesentlichen korrekt waren, drei Morde bewiesen seien, und deshalb die Klage von Roberts-Smith abwies, war dennoch nicht selbstverständlich. Denn in den vergangenen Jahren gerieten Medien wegen ihrer Berichterstattung immer wieder unter Druck. Ein 2014 erlassenes Sicherheitsgesetz erlaubt bis zu zehn Jahre Haft für Journalisten, die Informationen über Sonderoperationen des australischen Geheimdienstes publizieren.

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Im Jahr 2019 wurde die Zentrale des öffentlich-rechtlichen Senders ABC von der Polizei durchsucht – es ging um Recherchen über Kriegsgräuel australischer Soldaten in Afghanistan. Am Tag zuvor war das Privathaus einer Journalistin durchsucht worden. Die Gewerkschaft der Medienvertreter sprach von einer Kriminalisierung des Journalismus.

Zwei Jahre später wurden zwölf australische Medienunternehmen zu einer Zahlung von 1,1 Millionen Australischen Dollar (gut 670.000 Euro) verurteilt, nachdem sie eine gerichtlich verordnete Nachrichtensperre im Kontext des Missbrauchsprozesses gegen Kardinal George Pell umgangen hatten. Im Laufe des Verfahrens waren sämtliche großen australischen Zeitungen schon einmal mit geschwärzten Titelseiten erschienen, um gegen die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit zu protestieren.

Noch nicht zu Ende

Die abgewiesene Klage von Roberts-Smith wurde deshalb auch als Sieg des Qualitätsjournalismus gewertet. James Chessell, der Geschäftsführer des Medienkonzerns Nine, zu dem die beklagten Zeitungen gehören, schrieb im „Sydney Morning Herald”, dass das Urteil eine „Bestätigung für die vielen Menschen in unseren Nachrichtenredaktionen und unserer Organisation“ sei, die diesen „wirklich wichtigen Journalismus von öffentlichem Interesse unterstützt haben“.

Außerdem sei es eine Anerkennung für die tapferen Soldaten, die den Mut hatten, die Wahrheit über die Ereignisse in Afghanistan zu sagen. Wichtig sei, dass die Geschichte nicht mit Ben Roberts-Smith ende: „Wir werden weiterhin Personen, die an Kriegsverbrechen beteiligt sind, zur Rechenschaft ziehen.“ Für Roberts-Smith ist die Sache jedenfalls noch nicht erledigt: Er könnte wegen der Vorwürfe noch strafrechtlich verfolgt werden.

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