Kachowka-Staudamm: Zehntausende von Überschwemmung bedroht

Get real time updates directly on you device, subscribe now.


Ausland Nach Staudamm-Zerstörung

Zehntausende von Überschwemmungen bedroht – UN warnen vor humanitärer Krise

„Innerhalb kürzester Zeit ist der Wasserstand um zehn Meter gestiegen“

Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms zeigt verheerende Auswirkungen: Die Wassermassen des Stausees ergießen sich in angrenzende Gebiete. Marco Reinke verschafft im WELT-Studio einen Überblick über den Weg der Fluten.

Rund 42.000 Menschen sollen nach dem Dammbruch in der Ukraine von Überschwemmungen bedroht sein. Das THW liefert Wasserfilter in das betroffene Gebiet. Vor dem UN-Sicherheitsrat beschuldigen sich Kiew und Moskau derweil gegenseitig, die Explosion verursacht zu haben.

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine haben sich Kiew und Moskau vor dem UN-Sicherheitsrat gegenseitig die Schuld zugewiesen. Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kislizia sprach am Dienstag bei einer kurzfristig einberufenen Dringlichkeitssitzung in New York von einem „Akt des ökologischen und technologischen Terrorismus“. Die Sprengung sei „ein weiteres Beispiel für den Völkermord Russlands an den Ukrainern.“ Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte hingegen, dass der Vorfall auf „vorsätzliche Sabotage Kiews“ zurückzuführen und wie ein Kriegsverbrechen einzuordnen sei. Der Staudamm sei für ein „unvorstellbares Verbrechen“ benutzt worden.

Nach ukrainischen Angaben sind rund 42.000 Menschen in dem Gebiet von Überschwemmungen bedroht. Auch der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths erklärte vor dem Sicherheitsrat, dass der Dammbruch „schwerwiegende und weitreichende Folgen für Tausende von Menschen in der Südukraine auf beiden Seiten der Frontlinie haben wird, da sie ihre Häuser, Nahrungsmittel, sauberes Wasser und ihre Lebensgrundlage verlieren werden“.

Das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe werde erst in den kommenden Tagen sichtbar. Bislang sind keine Todesfälle bekannt. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, John Kirby, erklärte jedoch, er gehe davon aus, dass die Überschwemmungen wahrscheinlich „viele Todesfälle“ mit sich brächten. Experten zufolge sollen die Fluten am Mittwoch ihren Höhepunkt erreichen. Zehntausende Menschen wurden am Dienstag auf der ukrainischen und der von Russland besetzten Seite des Flusses Dnipro in Sicherheit gebracht.

Lesen Sie auch

Ein Foto zeigt den zerstörten Damm

Der in russisch besetztem Gebiet liegende Kachowka-Staudamm am Dnipro war bei einer Explosion in der Nacht zum Dienstag teilweise zerstört worden, große Mengen Wasser traten aus. Nach Angaben des ukrainischen Innenministers Igor Klymenko wurden 24 Ortschaften überschwemmt. In der flussabwärts liegenden Stadt Cherson brachten einige Einwohner ihre Habseligkeiten in Sicherheit.

Ukrainische Behörden leiteten am Dienstag die Rettung von rund 17.000 Menschen ein. Auf der von Russland besetzten Seite des Flusses Dnipro sollten weitere 25.000 Anwohner fortgebracht werden. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte nach einem Telefonat mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, die EU habe zugesagt, „die nötige Unterstützung und die humanitäre Hilfe“ zu liefern, um die Folgen der von Russland verursachten Katastrophe zu bewältigen.

Sunak spricht vom „größten Angriff auf zivile Infrastruktur“

John Kirby sprach von „womöglich vielen Toten“ durch die Explosion am Staudamm. Allerdings könnten die USA die Lage noch nicht abschließend bewerten. „Wir versuchen weiter Informationen zu sammeln und mit Ukrainern zu sprechen“, sagte er.

Auch der britische Premierminister Rishi Sunak teilte am späten Dienstagabend mit, es sei „zu früh“, um ein „endgültiges Urteil“ zu dem Dammbruch abzugeben. Die Zerstörung des Staudamms nannte er den „größten Angriff auf zivile Infrastruktur“ seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sollte Moskau hierfür verantwortlich sein, wäre dies laut dem britischen Premier ein Beleg für „neue Tiefpunkte russischer Aggression“.

Lesen Sie auch

Eine Moderatorin berichtet im russischen Staatsfernsehen über den Bruch des Staudamms

Das ukrainische Agrarministerium rechnet ersten Schätzungen zufolge mit der Überschwemmung von etwa 10.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche am nördlichen Ufer des Dnipro. Am südlichen Ufer, im russisch besetzten Gebiet, werde ein Vielfaches dieser Fläche überflutet, teilte das Ministerium auf seiner Website mit. Detaillierte Informationen sollen demnach in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden, wenn sich das Ministerium ein genaues Bild von der Lage gemacht habe.

„Darüber hinaus wird die von Menschen verursachte Katastrophe die Wasserversorgung von 31 Feldbewässerungssystemen in den Regionen Dnipropetrowsk, Cherson und Saporischschja zum Erliegen bringen“, so das Ministerium. „Die Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachowka wird dazu führen, dass sich die Felder im Süden der Ukraine bereits im nächsten Jahr in Wüsten verwandeln könnten“, hieß es weiter. Auch die Trinkwasserversorgung in besiedelten Gebieten sei betroffen. Zudem erwartet das Agrarministerium nach eigenen Angaben negative Folgen für die Fischerei.

Die Bundesregierung hat Hilfe angekündigt. Deutschland werde der Ukraine zur Seite stehen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Man wolle vor allem dabei helfen, evakuierte Menschen versorgen zu können. „Das THW bereitet deshalb bereits jetzt mit Hochdruck deutsche Hilfslieferungen für die betroffene Region vor“. In einer Mitteilung des Technischen Hilfswerks hieß es, der ukrainische Katastrophenschutz (DSNS) werde mit der Lieferung von 5000 Wasserfiltern unterstützt. Die Filter stellten jeweils die Versorgung einer Familie mit sauberem Wasser sicher.



Source link