Konjunktur: HWWI erwartet Rückgang der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr


Weil China mehr auf Eigenproduktion setzt, schwächelt der Welthandel – mit Auswirkungen auch auf die deutschen Reedereien und Häfen
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Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut sieht einen Silberstreif am Horizont erst für das kommende Jahr – und das auch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Trotz Abflauen der Inflation erwartet das HWWI weitere Zinserhöhungen.
Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) rechnet in diesem Jahr in Deutschland mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,5 Prozent. Erst im kommenden Jahr könnte die Wirtschaft mit 1,25 Prozent wieder merklich wachsen, teilte das HWWI am Mittwoch in seiner Konjunkturprognose mit. Voraussetzungen dafür seien jedoch keine weitere Verschärfung der Geldpolitik oder der geopolitischen Unsicherheiten.
Der Höhepunkt der Inflation sei inzwischen überschritten, gleichwohl sei der Anstieg der Verbraucherpreise mit 6,1 Prozent noch hoch. Etwa gesunkene Energie- und andere Rohstoffpreise ließen bis Ende des Jahres einen Rückgang der Inflationsrate auf unter 4 Prozent erwarten. Sie werde aber auch bis Ende des kommenden Jahres mit 2,5 Prozent noch nicht die Zwei-Prozent-Stabilitätsmarke erreichen.
Die Risiken für eine ungünstigere Entwicklung sind aus Sicht des HWWI erheblich. Die Europäische Zentralbank (EZB) stehe vor der Herausforderung, die Inflation weiter zu senken, gleichzeitig aber die Konjunktur nicht abzuwürgen. „Im Lichte der kräftigen Lohnsteigerungen werden aller Voraussicht nach im laufenden Jahr noch weitere Zinsschritte nötig sein, um das Ziel der Stabilisierung des Preisniveaus im nächsten Jahr zumindest annähernd zu erreichen“, sagte der wissenschaftliche Direktor des HWWI, Prof. Michael Berlemann.
Bereits am Vorabend hatte Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd auf die für das Unternehmen entscheidenden Märkte geblickt. Nach den Corona-Jahren mit märchenhaften Gewinnen für die Containerreedereien habe sich die Branche wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau eingependelt. „Der Markt hat sich wieder normalisiert“, sagte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen. Die Schiffsstaus etwa infolge geschlossener Häfen hätten sich weitgehend aufgelöst. Wegen hoher Lagerbestände habe die Nachfrage zuletzt nachgelassen. Er gehe aber davon aus, dass sie im zweiten Quartal wieder etwas anziehen werde und dann am Ende im Jahresvergleich ein Plus zu verzeichnen sein werde. „Wir sehen seit April eine gewisse Erholung und ich erwarte eine ziemlich normale Hochsaison“, sagte Habben Jansen.
Die Kosten für den Containertransport seien zwar gestiegen. Habe ein Standardcontainer im ersten Quartal 2022 im Schnitt etwa 1200 Euro gekostet, seien es im ersten Quartal dieses Jahres etwa 40 Euro mehr gewesen. Dennoch lägen die Frachtraten in bestimmten Fällen inzwischen klar unter den tatsächlichen Kosten, sagte Habben Jansen.
Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft sind inzwischen wieder mehr Container auf den Weltmeeren unterwegs. Dem am Dienstag veröffentlichten Kiel Trade Indicator zufolge sind im Mai 13,9 Millionen Standardcontainer verschifft worden. Für den deutschen Export zunehmend schwierig werde jedoch der Handel mit China. So sei der Exportwert deutscher Waren nach China von Januar bis April im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Prozent gefallen.
„Die Handelsstatistiken zeigen, dass China zunehmend Importe aus Industriestaaten durch eigene Produktion ersetzt“, sagte der Leiter des Kiel Trade Indicator, Vincent Stamer. Das sei ein negativer Impuls für den Welthandel.