Energiewende: Der nächste Grund für steigende Strom- und Gaspreise

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Die Betreiber von Strom- und Gasnetzen sollen für ihre Investitionen in die Energiewende eine bessere Vergütung bekommen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) will den Unternehmen ab Anfang 2024 eine höhere Eigenkapitalverzinsung zugestehen. Doch für Verbraucher bedeutet das: Die Mehrkosten schlagen sich in den Strom- und Gasrechnungen nieder.

Die Erhöhung der Netzentgelte fällt deutlich aus: Während die Netzbetreiber für bestehende Strom- und Gasleitungen einen Kapitalkostenaufschlag von bislang 5,07 Prozent berechnen dürfen, sollen sie für alle neuen Investitionen ab dem kommenden Jahr 7,09 Prozent verlangen können. Ein Anstieg um rund 40 Prozent.

Wie stark sich der Anstieg dieser Kostenposition netto auf die Stromrechnung der Verbraucher durchschlagen könnte, teilte die Bundesnetzagentur nicht mit. Unter Marktbeobachtern war von einem zweistelligen Euro-Betrag auf das Jahr gerechnet die Rede.

Strom- und Gasnetze sind sogenannte Leitungsmonopole, in denen kein Wettbewerb herrscht. Deshalb gibt es hier keine freie Preisbildung. Die BNetzA legt als Regulierungsbehörde die Höhe der Entgelte fest, die von den Verbrauchern an die Netzbetreiber zu zahlen sind.

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Insbesondere die mehr als 700 Stadtwerke und Regionalverteiler hatten lange Zeit über die zu niedrige Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals geklagt. Finanzierungen von Energiewende-Projekte seien so erschwert worden.

„Wir berücksichtigen die aktuelle Entwicklung des Zinsumfelds“, begründete Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur den Schritt: „Deswegen wollen wir neue Investitionen besser verzinsen und schaffen so spürbare Anreize für Investitionen bei den Netzbetreibern.“

Strompreise auf einem historischen Höchststand

Aktuell zahlen die privaten Haushalte mit 46,91 Cent pro Kilowattstunde nominell Strompreise auf einem historischen Höchststand. Bis April 2024 gilt allerdings die sogenannte Strompreisbremse, die den Betrag für 80 Prozent des Verbrauchs bei 40 Cent deckelt.

Die Netzentgelte machen aktuell 20 Prozent dieses Strompreises aus. In absoluten Zahlen sind es 9,52 Cent pro Kilowattstunde. Wie stark eine Erhöhung der Eigenkapitalverzinsung diese Netzentgelte insgesamt verteuert, blieb unklar. Eine Prognose ist auch deshalb schwierig, weil der Betrag auch immer von den real getätigten Investitionen der Netzbetreiber abhängt.

Ein Spaziergänger läuft bei Sonnenaufgang mit seinem Hund vor Hochspannungsleitungen in der Region Hannover. +++ dpa-Bildfunk +++

Quelle: Infografik WELT

Die aktuell größte Rechnungsposition „Beschaffung, Vertrieb“, die noch 53 Prozent der Stromrechnung ausmacht, dürfte mit dem Abklingen der Energiekrise demnächst jedenfalls kleiner werden. Einige große Versorger haben bereits deutliche Strompreis-Senkungen für den Herbst in Aussicht gestellt. Die steigenden Netzkosten machen dann aber einen Teil dieser Preissenkungen wieder zunichte.

Bei einer insgesamt geringer ausfallenden Stromrechnung dürften sich die Netzentgelte bald einem Anteil von über 30 Prozent nähern und womöglich „Steuern, Abgaben und Umlagen“ als bislang zweitgrößten Kostenblock ablösen. Hier hatte es bereits eine deutliche Senkung gegeben, weil die sogenannte EEG-Umlage zur Subventionierung von Ökostrom-Produzenten inzwischen nicht mehr beim Verbraucher mit der Stromrechnung abgebucht wird, sondern vom Steuerzahler aus dem Bundeshaushalt gezahlt wird.

Energiewende erfordert massiven Netzausbau

Zwar will das Bundeskartellamt die Eigenkapitalverzinsung künftig jährlich überprüfen. Doch es ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei den steigenden Netzentgelten nur um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Zum einen, weil die Eigenkapitalzinsen grundsätzlich für einen Fünfjahres-Zeitraum festgelegt sind.

Zudem erfordern die Energiewende und die Umstellung der Stromversorgung auf Wind- und Solarstrom noch über lange Zeit einen massiven Netzausbau, der einen dreistelligen Milliardenbetrag kosten wird. Die britische Agentur Bloomberg New Energy Finance (BloombergNEF) hatte die nötigen Investitionen in die deutsche Energiewende sogar auf insgesamt eine Billion Euro bis 2030 beziffert.

„Um die von der Bundesregierung für 2030 gesteckten ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, sind umfangreiche Investitionen in die Energienetze auf allen Ebenen erforderlich. Allein für den erforderlichen Ausbau der Stromübertragungsnetze sind dies bis 2030 etwa 126 Milliarden Euro. Hinzu kommen notwendige weitere Milliarden-Investitionen in die Verteilnetze auf allen Spannungsebenen“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Die Netzbetreiber stellen sich dieser Herausforderung, benötigen aber dazu einen angemessenen Regulierungsrahmen.“

Ein Spaziergänger läuft bei Sonnenaufgang mit seinem Hund vor Hochspannungsleitungen in der Region Hannover. +++ dpa-Bildfunk +++

Quelle: Infografik WELT

Der Energiewirtschaft reichen die Vorschläge der Regulierungsbehörde aber bislang noch nicht aus: „Die Eckpunkte der Bundesnetzagentur werden diesen Aufgaben noch nicht gerecht, die müssen deshalb aus unserer Sicht nachgebessert werden. Der BDEW wird sich hierzu in den kommenden Wochen intensiv einbringen“, so Andreae.

Schon in den vergangenen zehn Jahren hatten sich die Netzentgelte von rund 6,6 Cent um 50 Prozent auf aktuell 9,52 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Mit Beginn des kommenden Jahres steigt diese Kostenkurve weiter. Ihren jetzigen Vorschlag will die Bundesnetzagentur noch bis Ende August in einem Konsultationsprozess mit Energiemarkt-Teilnehmern diskutieren.

Stromrechnung seit 1998 um 174 Prozent erhöht

Seit dem Start der Energiewende 1998 durch die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich die durchschnittliche monatliche Stromrechnung für einen privaten Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden um 174 Prozent erhöht. Steuern, Abgaben und Umlagen erhöhten sich seither um 209 Prozent, wie aus der jüngsten Strompreis-Analyse des BDEW hervorgeht.

Die Erhöhung der Eigenkapitalzinsen für Netzbetreiber ist die erste Entscheidung der Bundesnetzagentur in eigener Kompetenz. Zuvor waren solche Festlegungen vom Bundeswirtschaftsministerium getroffen worden.

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Doch nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war die Bundesrepublik verpflichtet, die Regulierungsbehörde unabhängiger aufzustellen und mit einer größeren eigenen Entscheidungsbefugnis auszustatten. Im Vorgriff auf die gesetzliche Umsetzung des Richterspruchs hatte die Bundesnetzagentur nun die Netzentgelte vorgegeben.

Die entsprechende Zinsentscheidung für die Anbindung von Offshore-Windparks ist darin noch nicht enthalten. Hier soll es nach der Sommerpause eine Entscheidung und womöglich Anpassung geben. Die Bundesregierung plant, die Kapazitäten von Meereswindparks zu vervielfachen. Dies gelingt nur, wenn die Windparkbetreiber den Netzanschluss ihrer Hochsee-Anlagen nicht selber zahlen müssen.

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