Exhibition on Giacomo Puccini in Berlin | EUROtoday

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Giacomo Puccini, wie er sich zur Entenjagd paddeln lässt, Puccini (stets tadellos gekleidet und mit kess gesetztem Hut) in schneller Fahrt im Motorboot, Puccini in einem prachtvollen Automobil sitzend, Puccini Klavier spielend mit ausgreifenden Armbewegungen: Eine ganze Reihe von Kurzfilmen ließ der Ricordi-Verlag aufnehmen als Futter für die schon damals, zu Lebzeiten des Komponisten, zahlreichen Puccini-Fans. Gekonnt wurde mit der Aura des Luxuriösen gespielt und mit den Sehnsüchten, die sie weckt. Dass der Komponist Geld hatte, musste und sollte vor den Anhängern nicht verborgen werden – so wie in der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz nun die ökonomische Hochglanzgeschichte von Puccini und seinem Verlag noch einmal erzählt wird mit nahezu kindlicher Freude am Erfolg.

„Opera meets new media“ heißt die Ausstellung, die mit nostalgischer Lust der alten Kampagnen gedenkt und dabei zeigen möchte, wie modern damals vorgegangen wurde – vielleicht in der Hoffnung, von den alten Erfolgen möge auch noch ein wenig Glanz fürs Heute abfallen. 1994 wurde der Mailänder Ricordi-Verlag vom Bertelsmann-Konzern übernommen, als 2006 der Verlag weiterverkauft wurde, blieb das Archiv bei Ber­tels­mann. Aus dessen Beständen stam­men nun die Exponate der Ausstellung, an deren Ende, gleichsam als Bilanz, ein Privatvermögen Puccinis von – auf heutige Verhältnisse umgerechnet – 210 Millionen Euro vermeldet wird. Ohne die Anstrengungen von Ricordi wäre der enorme Reichtum des Komponisten so wohl nicht zustande gekommen.

Ehrgeiz des Mailänder Verlages war es – und das spricht Gabriele Dotto, Leiter des Archivs und einer der Kuratoren der Ausstellung, ganz gelassen aus –, aus Puccinis Opern finanziell herauszuholen, was nur ging. Das sah dann etwa so aus, dass sich der Leser eines Sonderheftes, das der Verlag zur „Turandot“-Premiere 1926 produzierte, zunächst durch siebzehn Seiten mit Werbung zu blättern hatte (Automobile, Schokolade, Klaviere, Blumen), um zum eigentlichen Inhalt vorzudringen. Weitere elf Seiten Werbung bildeten den Abschluss des Heftes. Glorreiche Zeiten, als der Anzeigenmarkt noch florierte – die Produktionskosten dürfte Ricordi damit spielend eingefahren haben.

Die Grafik- und Werbeabteilung des Verlages kümmerte sich aber auch um das Corporate Design von Puccinis Opern, lieferte Bühnenbildentwürfe, legte Farbskalen fest für die Ausstattung und erstellte Werbeplakate, die zum Teil bis heute ikonische Wirkung haben. Mit der Zeit bildete sich eine stattliche Palette heraus an Merchandisingprodukten, die auf Motive aus der Grafikabteilung des Verlages zurückgriffen (unter Zahlung entsprechender Lizenzgebühren): Postkarten und Porzellanteller mit Szenen aus „La Bohème“, parfümierte Taschenkalender, auf denen etwa der Komponist im Lorbeerkranz zu sehen ist, umschwebt von einer harfespielenden Muse, Zigarrendosen mit Motiven aus „Madame Butterfly“. Auch der Film interessierte sich für Puccinis Oper – und andersherum: Der Verlag, immer auf der Suche nach einem größeren Publikum, interessierte sich für das neue Medium, mit dem sich so viele Menschen außerhalb eines Opernhauses erreichen ließen. Gezeigt werden in der aufwendig gestalteten Ausstellung einige Stummfilmausschnitte. Darüber, in welcher Form und in welchem Maß dazu Musik zu hören war, erfährt man hingegen nichts. Unbeleuchtet bleibt auch die Frage, wie sich umgekehrt Puccini selbst bei der Gestaltung seiner Werke – etwa bei seiner Amerika-Oper „La fanciulla del West“ – von Techniken des Films inspirieren ließ oder sie übernahm.

Tatsächlich geht es in der Ausstellung, die mit einem computerkolorierten Porträt des Komponisten wirbt, vor allem darum, wie der Ricordi-Verlag am Beispiel Puccini wirtschaftlichen Erfolg produzierte. Das ist nicht uninteressant. Würde man den Komponisten aber als Künstler ernst nehmen und nicht nur als Geschäftspartner, wäre die weit interessantere Frage jene nach dem Spannungsfeld zwischen Kunst und Kommerz, in dem sich Puccini bewegte: Inwiefern reagierte er in der Auswahl seiner Sujets auf die Forderungen des Marktes? Wie stark prägte der Gedanke an ökonomischen Erfolg sein Schaffen? Dass er bei den gewaltigen, auch werbegenerierten Erfolgen seiner Opern mehr oder weniger zu weiteren Erfolgen verdammt war: Hemmte das den Komponisten, der mit seinen zehn nicht allzu langen Opern ein relativ schmales Werk hinterließ und immer wieder unter Schreibblockaden litt? Immerhin erfährt man, dass Puccini bereitwillig als Handlungsreisender in eigener Sache unterwegs war, nach Buenos Aires wie mehrfach nach New York fuhr, wo jeweils eine starke italienischstämmige Gemeinde ansässig war, die der Verlag als neuen Markt ausgemacht hatte.

Die Ausstellung endet melodramatisch wie eine Puccini-Oper: mit dem breit behandelten Tod des Helden. Letzte, mit kraftloser Hand geschriebene Briefe sind zu sehen, ein seltenes Foto, das Puccini mal nicht mit verächtlich zurückgeworfenem Kopf zeigt, sondern in sich gekehrt und nachdenklich, aber auch letzte Skizzenblätter zum Schluss der Oper „Turandot“, die unvollendet blieb. Erstmals öffentlich zu sehen sind sie hier, eindrucksvoll in ihrem zeichnerischen Gestus von Chaos und Freiheit. Und doch befremdet, wie in dieser Ausstellung Puccini als Person erst in seinem Sterben so richtig interessant wird.

Opera meets new media. Bis 16. Mai in der Bertelsmann-Repräsentanz Berlin.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/ausstellung-zu-giacomo-puccini-in-berlin-19669187.html