ARD movie “The Flood” primarily based on the e-book by Robert Habeck and Andrea Paluch | EUROtoday

Get real time updates directly on you device, subscribe now.

Im April 1838, stand im „Danziger Dampfboot“ eine Gespenstergeschichte vom „Deichgeschworenen zu Güttland“ zu lesen. Sie basierte auf einer alten Sage von der Weichsel und erschien kurz darauf als Nachdruck in „Pappes Hamburger Lesefrüchten“, wo sie ein junger Mann las und bis ins hohe Alter nicht mehr vergaß. Der Rest ist bekannt: „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm, die Verarbeitung des Stoffs zu einer der berühmtesten Geschichten Nordfrieslands, hat seit der Veröffentlichung 1888 Generationen von Schülern begleitet.

Weniger bekannt ist, dass es auch eine Fortsetzung der Storm-Novelle von zwei Autoren aus Flensburg gibt: den Heimatthriller „Hauke Haiens Tod“ von Robert Habeck und Andrea Paluch. Der 2001 im Verlag S. Fischer erschienene Roman verlegt die Handlung ins zwanzigste Jahrhundert und spielt mit dem Gedanken, dass der „Deichgraf“ Hauke Haien, der bei einer Sturmflut seine Familie verlor und sich samt Pferd selbst in den Tod stürzte, doch noch eine Hinterbliebene haben könnte: das geistig behinderte Töchterchen Wienke.

Er trotzte den Herbststürmen der literarischen Literaturkritik

Auf diesem Roman, der solide gebaut war und den „Herbststürmen der literarischen Literaturkritik einigermaßen standhalten“ (F.A.Z.) konnte, „nicht eben ein sprachliches Meisterwerk, eher ein rasantes Melodram“ mit intellektuellem Schmunzelwitz und „einem bisschen RTL2“ (SZ), basiert nun der gedankenverhangen inszenierte Spielfilm „Die Flut“ von Daniela Baumgärtl und Constantin Lieb. Er soll schon lange vor dem Aufstieg Habecks zum Vizekanzler geplant worden sein, mit offizieller Stoffentwicklung ab 2020 und Dreharbeiten zwei Jahre später. Die unpolitische Geschichte Habecks und Paluchs zieht er als „modernes Coming-of-Age-Drama“ im „Zeitalter heraufziehender Klimakatastrophen“ auf.

Der Deichgraf Hauke Haien (Detlef Buck) denkt im Film sorgenfaltig über Maßnahmen zum Küstenschutz nach („Wir müssen jetzt was unternehmen“), legt sich mit verständnislosen Grundbesitzern in seinem Dorf an, baut ein Wunderwerk von einer Pumpenstation, das leider noch nicht ganz ausgereift ist. Und kommt unter krimiwürdigen Umständen darin ums Leben.

Trailer“The Flood – Death on the Dike”

Von dem Geschehen in der Sturmnacht erzählen Rückblenden. Die eigentliche Handlung kreist, fünfzehn Jahre später, um ein Waisenmädchen auf der Schwelle zur Volljährigkeit. Die drollige Elisabeth (Philine Schmölzer) wohnt in einem Pflegeheim in Hamburg und leidet an einer leichten Form von Autismus: unvermittelte Kommunikation, Lärmschutz-Kopfhörer, großflächige Sturmflut-Zeichnereien, die den Begriff „Inselbegabung“ beim Wort nehmen. Noch weiß sie nicht, dass sie als Wienke Haien geboren wurde. Aber sie erkennt in einem Fernsehbeitrag die Stimme von Iven (Anton Spieker) und sucht ihn auf. Iven? Schnell mal im nachgeblättert: In Storms „Schimmelreiter“ ist das der Knecht. Hier nun Türsteher eines Striptease-Lokals.

Es ist ein Auftakt wie in einem Roadmovie, und tatsächlich fährt das Duo bald an Rapsfeldern vorbei an die schlickige Küste – wo Iven schroff empfangen wird, Wienke mit großen Augen ihre Herkunft zu klären versucht und beide die einzigen Sympathieträger dieser Geschichte bleiben. Die Darstellung derer, denen sie im Dorf Stegebüll begegnen, wirkt etwas uninspiriert: ein schrulliger Pensionsbesitzer, ein witzelnder Postbote, ein bulliger Ex-Bürgermeister, der nun ausgerechnet den Hof von Hauke Haien bewohnt – und Ole Peters (Sascha Alexander Geršak) heißt wie der Großknecht bei Storm. In sonnigen Szenen kitzelt der Regisseur Andreas Prochaska aus seinen Nebendarstellern zu wenig hinaus. Das macht die hübsche Depri-Atmosphäre allerdings wieder wett, die sich immer dann einstellt, wenn die erhabene Kamera von Felix Novo de Oliveira im Schmuddelwetter oder Halblicht operieren darf, begleitet von intimen Klängen (Karwan Maroufs), die auf- und abschwellen wie das bedrohliche Meer, etwas Popmusik oder dem Wummern eines Windparks.

Und einen Schimmel gibt es im Drehbuch selbstverständlich auch. Er fegt zu Beginn angemessen gespenstisch über den Deichkamm, trägt später aber vor allem Ole Peters missgelaunte Tochter Ann-Grethe (Janina Stopper) durchs weite Watt. Um sie kreist das Familiendrama im Klimakrisendrama, wobei sich die Autoren selbstbewusst von Habeck und Paluch entfernen. Der religiöse Fanatismus und die Inzestfrage, mit denen „Hauke Haiens Tod“ den Dorfhorror beschwor, kommen in der Verfilmung nicht vor. Auch nicht der „Mustang“, den Elke Haien im Roman fährt.

Das ZDF kündigt unterdessen eine richtige Theodor-Storm-Verfilmung an, den vierten „Schimmelreiter“ nach dem NS-Schinken 1933, dem westdeutschen Fernsehfilm mit John Phillip Law (1978) und dem Ufa-Schimmelreiter (1984) mit Sylvester Groth. Auch sie soll in der Gegenwart angesiedelt sein und vom Klimawandel erzählen. Die Hauptrolle spielt Robert Ha… nein, kleiner Scherz: Es wird Max Hubacher sein.

Die Flut – Tod am Deich läuft in der Mediathek und am Samstag um 20.15 Uhr im Ersten.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/ard-film-die-flut-nach-buch-von-robert-habeck-und-andrea-paluch-19675915.html