Why the kebab could possibly be Steinmeier's jerk second | EUROtoday

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Im Amt des Bundespräsidenten wirkt man bekanntlich weniger durch Weisungen als durch Worte und Gesten. Mit seinem Buch „Wir“ wird Frank-Walter Steinmeier aber kaum an den Personalpronomenklassiker „Es“ (Stephen King) anknüpfen können. Auch mit seinen Gesten langte er schon mal daneben, man denke an seinen Versuch, Sergej Lawrow mit einer beinahe amourösen Berührung ins große Wir einzugemeinden.

Alles nichts gegen den Döner, den Steinmeier diese Woche zu seiner Türkeireise als Gastgeschenk mitgenommen hat. Es ist dazu schon sehr viel geschrieben worden, aber noch nicht alles und vor allem nicht von allen. Nun denn: Gastgeschenke an sich sind eine heikle Sache. In der Mongolei etwa schenkt man Staatsgästen traditionell ein Pferd, was natürlich schwer im Handgepäck unterzubringen ist. Nun kann man sagen: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber auch Tiere können zu diplomatischen Verstimmungen führen. Gerade Kenner der deutsch-türkischen Beziehungen wissen das.

Bayerisches Bier komme als Gastgeschenk immer gut an, sagte kürzlich der Abstinenzler Markus Söder. Aber gilt das auch für ein Land wie die Türkei, zu dem neben Raki und Efes auch der Islam gehört? Mag sein, dass die Bayern noch wissen, was typisch für sie ist. Aber wissen es die Deutschen? Eine spezifisch deutsche Kultur sei jenseits der Sprache „schlicht nicht identifizierbar“, hat einst die Vizepräsidentin des Bundestags Aydan Özoğuz geschrieben, wobei man, Stichwort PISA, inzwischen auch das mit der Sprache bezweifeln muss.

Mit allem und scharf

Vielleicht ist das spezifisch Deutsche einfach die Mischung, mit allem und scharf wie der Döner? So gesehen hat Steinmeier den Döner womöglich eher als etwas typisch Deutsches mitgeführt denn als etwas typisch Türkisches. Schließlich hat der Döner sogar schon Eingang in unser weithin gerühmtes Liedgut gefunden: „Ich bin ein Döner/Ich hab ’ne Zwiebel aufm Kopf/Ich bin ein Döner/denn Döner macht schöner.“

Die gängigere Lesart war aber, einen Döner in die Türkei zu bringen sei, wie Eulen nach Athen zu tragen. Der Vergleich an sich ist schon skandalös, weiß doch jeder, dass Athen und Ankara nicht allzu gut miteinander können – und wie leicht reizbar die Türken sind. Das gilt auch für den Vorwurf, das Dönergeschenk sei ein Danaergeschenk, das unter dem Deckmantel des „gemeinsamen Wir“ die Türken auf die Dönerproduktion reduziere, so wie Sarrazin sie einst auf den Gemüsehandel verkürzt hat.

Wäre ein Impfstoff zum Abendessen besser gewesen?

Türken könnten so viel mehr. Zum Beispiel Impfstoffe entwickeln. Aber hätte Steinmeier zum Abendessen Biontech-Pröbchen auspacken sollen? Die deutschen Querdenker wären ja komplett ausgetickt. Davon abgesehen: Wer sagt, die Türkei sei so viel mehr als Döner, impliziert, dass es weniger wert sei, am Dönerspieß zu stehen, als am Schreibtisch zu sitzen. Dabei weiß jeder, dass mit einem guten Döner­stand im Zweifel vielleicht nicht mehr Staat, aber doch mehr Geld zu machen ist.

Als der türkische Präsident Erdoğan schließlich Steinmeier empfing, hat er ihm selbst Döner dargereicht. Ein Persilschein für den Bundespräsidenten? Oder vielleicht einfach Humor, den man als Deutscher aus dem Heimatland des Humors Erdoğan gar nicht zugetraut hätte? Wer an der verbindenden Kraft des Döners zweifelt, dem sei der Dönerstand im Gebäude des Münchner Supermarkts Hit, Elsenheimer Straße, ans Herz gelegt. Wer dort einen Döner bestellt, der erlebt Verkäufer, die schon automatisch, den deutschen Usancen folgend, Joghurtsoße und Blaukraut in Anschlag bringen, dann aber überrascht und erfreut zugleich sind, wenn man sie unterbricht mit den Worten: „Danke, nur Tomaten und Zwiebeln!“

Dann sagen sie, mit einem Lächeln, das mindestens so viel wert ist wie alle Wir-Worte: „Genau so esse ich ihn auch!“ Mag sein, dass sie, die vielleicht schon in der dritten Generation hier leben, sich dann ein bisschen mehr zu Hause fühlen in Deutschland, vor allem aber darf sich der deutsche Dönerspießer als der Weltmann fühlen, der er gerne wäre.

https://www.faz.net/aktuell/politik/fraktur/warum-der-doener-steinmeiers-ruck-moment-werden-koennte-19680180.html