The Austrian band Endless Wellness | EUROtoday

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Wie soll sie klingen, die Melodie, die uns begleitet, wenn das Ende naht? Wie die Schiffskapelle auf der untergehenden Titanic? Etwas zeitgemäßer? Nach Trost? Und der Trost, müsste er, mündlich vorgetragen, auf Hochdeutsch daherkommen, oder könnten ihn womöglich auch Österreicher spenden mit kleinem Akzent?

Ja, einverstanden, ausnahmsweise, weil da gerade wieder so viel gute Musik entsteht, von Voodoo Jürgens bis zum Nino aus Wien, nachdenkliche und verzaubernde und manchmal sogar aufrührerische. Und weil es dort vermutlich, ja eigentlich sicher kaum auszuhalten sein kann angesichts von Umfrageergebnissen, nach denen die FPÖ stärkste Partei ist, bei aller Liebe zum Land, in dem die Murmeltiere pfeifen, und weil auch das, also die Umfrageergebnisse, nur Teil eines viel größeren Problems ist. Weil man ihnen also die Endzeitstimmung abkauft.

Das könnte sie sein, die tröstende Musik zum Absturz: von einer Band voller Endzwanziger aus der morbidesten Stadt Österreichs, Salzburg: wunderschön und kunstsinnig und der klassischen Musik zugetan, eine Stadt, in der es außerdem vorzügliches Essen gibt, wie man sich als Touristin erinnert. Eine Stadt, über die diese Endzwanziger berichten, dass gerade ihre barocken Fassaden und kleinen Naschereien sie auf die Musik gebracht hätten, die sie jetzt machen.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Danke, Salzburg, Stadt, in der eine Jugend an der Oberfläche sorglos aussehen mag, wo man aber, wenn man „drunter schaut unter die Lederhosentradition“, merke, „wie madig es ist“. In ihrer Jugend, die nicht sehr lange zurückliegt, haben diese vier Musiker nämlich mit ausländerfeindlichen, rechtsextremen und frauenfeindlichen politischen Debatten zu tun gehabt, sagen sie, mit „sehr eindeutigen“ Frauen- und Männerbildern, die zum „Zwinger“ für viele werden, und mit den Erkenntnissen des Clubs of Rome ja sowieso. Es war das neue Jahrtausend, die sogenannte Polykrise nahte. Und die Jugend musste was tun.

Zwischen Wir sind Helden und Billie Eilish

Diese Band aus alten Freunden also, die inzwischen in Wien leben und 2021 zum ersten Mal zusammen im Proberaum standen, trägt den Namen Endless Wellness, gewissermaßen als ironisches Aufbegehren gegen ihr unentrinnbares Schicksal. Und sie macht Musik, die beim Diskutieren untereinander entsteht, so verloren und locker melancholisch und albern und raffiniert, dass sie gar nicht nach Austropop klingt, sondern nach allem Möglichen zwischen Wir sind Helden und Arcade Fire und der frühen Billie Eilish, dass man einfach verstehen will, verstehen muss, was da geschieht.

Im Januar ist „Was für ein Glück“ erschienen, ihr erstes Album. Der Toursommer geht gerade erst los, drittes Deutschlandkonzert: Frankfurt am Main. Vor der Bar im Künstlerhaus Mousonturm ist Platz für 80 Leute, die Karten waren schon vor ein paar Wochen ausverkauft, so ist das halt, wenn man als vielversprechend, aber neu gilt. Philipp, der Sänger, und Milena, die singende Bassistin, sitzen etwas verloren in der Lobby. Beide sehen noch viel jünger aus, als sie sind: Philipp ein bisschen punkig und später dann, in Bewegung auf der Bühne, wie David Bowies kleiner Bruder. Milena mit braunen Locken, sprachgewandt und souverän. Soundcheck ist erledigt. Die anderen beiden, Adele und Hjörtur, ruhen sich backstage aus.

Vielversprechend, aber neu heißt auch, dass man noch richtige Gespräche führen kann, gemeinsam nachdenken, bevor dann aus Musikern Stars werden und Sprachroboter. Was für ein Glück. Und auch wenn das Glück, nach dem die Platte benannt ist, bei Endless Wellness natürlich sarkastisch gemeint ist, steckt da noch wahrer Trost drin, eine Art Dankbarkeit, jetzt hier zu sein, so leben zu dürfen, an leichten Tagen auf dem Schlauchboot im Wasser zu treiben, ein „momentary bliss“, wie Milena sagt, „aber mit starker Gewissheit, dass die Dinge sich sehr verändern werden“. Womit nicht die Veränderung in Richtung Ausverkaufte-Hallen-Band gemeint ist, sondern eher die globale: „Wenns nur ein paar Grad heißer wird / Ich werd ein Fleck auf dem Asphalt.“

Und dann erzählen sie, wie sie aufgewachsen sind als „bildungsbürgerliche Kinder“, mit Privilegien und Möglichkeiten. „Alles andere als selbstverständlich“ sei das gewesen. Und Milena erzählt, wie sie mit ihrem Vater Songs gecovert hat. Und wie sich die Freunde später beim Proben gewundert haben über die Unbeschwertheit dieser alten Songs, obwohl damals doch schon klar war, wie sich die Welt entwickeln würde. Und was soll man, selbst in letzter Minute noch Bryan- Adams-sozialisiert, als Teenager mit Zuversicht geimpft, dazu jetzt sagen?

„Drivin’ in your mama’s Porsche“

Deshalb handelt „Danke für alles“ vom Konflikt der Generationen, von jammernden Alten und dem Hedonismus der Millennials, und deshalb taucht der Eisbär von Grauzone auf und natürlich „Summer of 69“, so wie überhaupt die meisten Endless-Wellness-Songs voller Referenzen auf deutsches Musikkulturgut sind, auch zum Verständnis älterer Generationen: „Drivin’ in your mama’s Porsche / You told me this would last for­ever.“ Und dann erzählt Milena, wie es möglich ist, das Lebenswerk der Eltern infrage zu stellen und trotzdem mit ihnen klarzukommen: „Bei sehr viel Liebe, Verständnis und Zuneigung muss Platz für die Auseinandersetzung mit den Verfehlungen sein.“

Und trotzdem, ganz verstehen sie es nicht: Hat sich die Elterngeneration nicht schon an ihren Eltern die Zähne ausgebissen? Wie bloß vermeidet man das, älter zu werden, ohne auch nur einmal zu denken: Vielleicht haben die Jüngeren recht, nicht ich, bloß weil ich älter bin?

Bis es so weit ist, übernehmen es Endless Wellness, den Jungen, die nachts nicht schlafen können, die vom Zähneknirschen aufwachen, gut zuzureden. Singen und orgeln in „Hab nicht so“: „Hör mal auf, dir so leid zu tun / Manchmal tuts halt scheiße weh / Aber die Einsamkeit braucht auch a mal an Zeitausgleich / Und wennst nicht reden magst, dann tanz ma halt bis spät.“ Und säuseln und schrammen in „Hand im Gesicht“ für alle Verzagten ohne Schutzpanzer, die nicht so gern nackig sind. Das Orgeln übernimmt Hjörtur Hjörleifsson, zuvor Mitglied und damals noch für den Funk sorgender Bassist der exzentrischen Band Oehl, der jetzt für alle möglichen Soundeffekte zuständig ist.

Womit wir beim Trost der Band angelangt wären. Denen wird wohl ihrerseits die Musik helfen in dieser Welt im Absturz. Darüber müssen Milena und Philipp aber ausgiebig lachen. „Musik kann vielleicht ein Pflaster sein“, sagt Philipp. „Aber helfen tut sie gar nicht.“ Im Gegenteil: Was diese Auftritte an Strom verbrauchen. Und doch, lenkt Milena ein, zögerlich, weil es doch immer so große Worte sind: Verbinden kann sie. Kann helfen „gegen den Drang aufzugeben, zu resignieren“. Sei „eine probate Art nicht, nicht den Halt zu verlieren“.

Und dann gehen sie raus auf die Bühne und spielen ihr Album und schinden auch etwas Zeit, weil es eben noch nicht so viele Songs gibt, weil man sich noch auf neue Hits freuen kann. Und sehen dabei für zwei Stunden kein bisschen verzweifelt aus. Und am Ende gehen alle heim, haben den Trost im Blick und nehmen ihn mit nach Hause.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/die-oesterreichische-band-endless-wellness-19695045.html