Meeting a person or bear within the forest: query strikes the web | EUROtoday

Get real time updates directly on you device, subscribe now.

Eine Frau läuft allein durch den Wald. Wem würde sie dort lieber begegnen, einem Mann oder einem Bären? Das fragen sich aktuell Millionen im Internet, und die Tendenz ist: „Bär“, „kommt auf den Mann an“, „Bär“. Warum? „Weil beim Bären nicht gefragt wird, ob ich einen kurzen Rock trage“; „Weil es beim Bären vermutlich schneller vorbei wäre“. So die Frauen.

Und die Männer? Stimmen oft zu. Ein US-Polizist im Ruhestand vergleicht auf Tiktok, wie viele Menschen jeweils Männer und Bären töten, und sagt: „Bär“. Andere fragen: „Warum wollen diese hässlichen Feministinnen den Bären?“ Ja, warum nur?

Dabei ist „Mann oder Bär?“ vor allem eine narrative Zuspitzung. Wenn Frauen sich für den Bären entscheiden, dann wegen der Angst, einem Mann ausgeliefert zu sein. Und die ist realer als jede Wildtierbegegnung. Denn, rein statistisch: Auf die gefährlichsten Männer treffen Frauen nicht im Unterholz, sondern am Küchentisch.

Mädchen wird zum Wolf

Doch hat „Mann oder Bär?“ neben der politischen auch eine literarische Dimension. Denn was, wenn es bei der Frage nicht nur um den worst case geht? Wenn Autorinnen mit ihr Phantasien und Handlungsräume vermessen? Bei Nastassja Martin waren diese nur so groß wie der Bärenkiefer, in dem ihr Kopf steckte. Im Essay „An das Wilde glauben“ reflektiert die Anthropologin den fast tödlichen Angriff auf sie und ihre lange Genesung, Gesichtsrekon­struktion inklusive. Was als Katastrophe beginnt, wird zur tastenden Abhandlung über Wissenschaft und Wildnis.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Andere Autorinnen spinnen das Thema weiter. Angela Carter kennt man für ihre Märchenvariationen mit feministischem Twist. Gleich drei Geschichten widmet sie dem Rotkäppchen: Das Mädchen liebt den Wolf, tötet den Wolf, wird zum Wolf. Vom Jäger, dem Mädchenretter aus Grimms Original, keine Spur. Und dann ist da noch Marian Engels Buch „Bär” über eine Archivarin in der kanadischen Einöde. Das klingt lahm, bis man erfährt, wie Twitter das Buch vor einigen Jahren taufte: „Bärensexbuch“.

Was diese Texte eint, ist ihr Fokus auf Transformation. Die Treffen mit dem Wilden sind immer körperlich, oft gefährlich. Sie verändern die Frauen, aber lassen sie am Leben. Wenn mich also jemand fragt: „Mann oder Bär?“, dann sage auch ich „Bär“. Weil der Bär die besseren Geschichten verspricht. Weil ich das Buch kurz vor der Attacke zuschlagen und einen Spaziergang machen kann. Zum Beispiel im Wald.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kolumnen/mann-oder-baer-im-wald-treffen-frage-bewegt-das-netz-19709611.html