How phrases had been nationalistically poisoned | EUROtoday

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Zum politischen Kampf gehört der Kampf um Wörter. Nichts ist so wirkungsvoll, wie seinem Gegner das Vokabular streitig zu machen oder Begriffe aufzuzwingen. In keinem Bereich ist dieses Phänomen so deutlich zu beobachten wie in der Mi­grationspolitik.

Sie selbst ist ein Beispiel dafür: Von Migrationspolitik sprach vor dreißig Jahren selten jemand, geläufiger war damals die „Ausländerpolitik“. Der „Ausländer“ ist heute aber kaum noch anzutreffen. „Ausländerbeauftragte“ nennen sich Politiker nur ungern. Immerhin gibt es noch Ausländerbehörden, die sich aber auch hie und da schon in „Immigration Office“ umbenennen. Warum die Berührungsängste? Weil das Wort zum Schimpfwort geworden ist („Ausländer raus!“), oder so empfunden wird. Wer „Ausländer“ sagt, überlegt sich deshalb, ob er seine Worte richtig wägt.

Politisch bedeutet ein solcher Rückzug eines Wortes ins innere Exil: Der Sprachgebrauch hat vor der Fremdenfeindlichkeit kapituliert. Im Falle der „Ausländer“ ist es ein schleichender Prozess über mehrere Jahrzehnte gewesen, in anderen Fällen geht es ganz schnell. Der „Asylant“ hatte nie eine Chance. Er taucht erst in den Siebzigerjahren im (westdeutschen) Sprachgebrauch auf.

Das Wort „Asylant“ gekapert

Es wurde nie klar, was eigentlich gemeint ist. Meist, bis heute auch im Duden, wurde der Asylant mit dem Asylbewerber gleichgesetzt. Oder ist ein anerkannter Asylbewerber gemeint? Das wäre logisch und praktisch, weil es dafür sonst kein Wort gibt, und es wäre, da es sich um politisch Verfolgte handelt (nicht um Flüchtlinge im Allgemeinen), ein Ehrentitel gewesen.

Doch schon in den Achtzigerjahren kaperten Gegner des BRD-Asylrechts das Wort, sprachen von „Asylantenflut“ oder „Scheinasylanten“. Noch 1985 konnte der linksliberale ehemalige NRW-Innenminister Burkhard Hirsch (FDP) sagen: „Es ist leicht, gegen Fremde und Asylanten Emotionen zu wecken. Es ist unmöglich, darauf politische Entscheidungen zu stützen.“ Die Emotionen führten aber dazu, dass „Asylant“ zum Schimpfwort wurde, ohne dass deren Verteidiger dieser Umdeutung etwas entgegenzusetzen hatten.

Im Gegenteil: Die Umdeutung ging so weit, dass dem Rechtsextremismus die Wortschöpfung zugeschrieben und behauptet wurde, das Wort trage die Verachtung schon in sich – obgleich es ebenso wenig wie „Migrant“, „Demonstrant“ oder „Protestant“ abwertend ist. Auch hier muss man sagen: Der Extremismus hatte Erfolg, weil er einen Begriff für den täglichen Gebrauch vergiftete und seine eigene Interpretation durchsetzte.

Remigrationsbeauftragte brauchen neue Bezeichnung

Ähnlich geht es jetzt dem Wort „Remi­gration“. In kurzer Zeit ist es zum Paria der Migrationspolitik geworden. Grund dafür ist das „Geheimtreffen“ rechtsradikaler Politiker und „Denker“ in Potsdam im November vergangenen Jahres, auf dem das Wort im Mittelpunkt stand. Anfang dieses Jahres wurde es zum „Unwort des Jahres“ gekürt, weil es eine „beschönigende Tarnvokabel“ sei – gemeint ist, dass es ein Tarnwort für gewaltsame Deportationen ist, die ein fester Topos rechtsradikaler Phantasien im Sinne „ethnischer Säuberungen“ sind.

Auch hier aber gilt: Die seriöse Politik hat sich das Wort rauben lassen, das eigentlich eine andere Bedeutung hat. Die Rückkehr in die jeweiligen Heimatländer war und ist ein fester Bestandteil der Flüchtlingspolitik. Bestes Beispiel: Von den mehr als dreihunderttausend Flüchtlingen aus Bosnien-Hercegovina, die in den Neunzigerjahren nach Deutschland kamen, sind die meisten in ihre Heimat zurückgekehrt. Darum, um die Heimkehr von Flüchtlingen, kümmern sich „Remigrationsbeauftragte“ in Ländern und Städten. Ihre Ämter werden wohl neue Namen bekommen müssen. Auch hier: ein Sieg der Rechtsradikalen.

Ein weiteres Wort steht auf der Kippe: das Volk. Mancher bevorzugt schon „Bevölkerung“, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, er verwende das Wort im „völkischen“, also im nationalistischen oder gar rassistischen Sinne. Das Adjektiv beschreibt eine Ideologie, die gegen ein allein durch die Staatsangehörigkeit definiertes „deutsches Volk“ im Namen von Abstammung und Homogenität das ethnisch geprägte Volk einer „Kulturnation“ in Stellung bringt.

Das „Volk“ und die „Biodeutschen“

Das Bundesverfassungsgericht hat 2017 festgestellt, dass solche ethnischen Kriterien sich nicht auf das Grundgesetz berufen können. Allerdings gibt es eine kleine Ausnahme. Denn was waren Flüchtlinge, Vertriebene, Aussiedler, sogenannte Statusdeutsche nach dem Zweiten Weltkrieg? Jedenfalls nicht (mehr) deutsche Staatsangehörige. Für sie griff das Grundgesetz auf die „Volkszugehörigkeit“ zurück, die sich nicht mit der Staatsangehörigkeit, sondern, wie es in Kommentaren fortan hieß, mit dem Volkstum begründen lässt, also ethnisch-kulturell.

Besondere Relevanz hat dieser Sonderfall nicht mehr, wohl aber der Begriff des Volks als ethnisch definierter Gemeinschaft. Auf ihn baut die Ideologie des „Ethnopluralismus“, die von der AfD und der „identitären Bewegung“ verbreitet wird und zwischen „Passdeutschen“, also Staatsbürgern, und „echten“, also ethnischen Deutschen unterscheidet. Das Oberverwaltungsgericht Münster führte dazu kürzlich aus: „Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar ist nicht die deskriptive Verwendung eines ,ethnisch-kulturellen Volksbegriffs‘, aber dessen Verknüpfung mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird.“

Dass es so etwas gibt wie Völker, die durch Sprache, Geschichte und Mentalitäten Gemeinschaftsgefühle jenseits der Staatsangehörigkeit entwickeln, lässt sich kaum bestreiten. Um nicht „Volk“ dazu sagen zu müssen, haben sich die „Biodeutschen“ in die Sprache eingeschlichen. Noch so ein Gift der Völkischen, das langsam wirkt.

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/rechtsextremer-wortschatz-wie-woerter-voelkisch-vergiftet-wurden-19899131.html